Berlin, Messe Nord. Die Schlange vor dem Eingang zur Hanfmesse „Mary Jane“ ist länger als die Liste der Argumente von Friedrich Merz gegen die Legalisierung. Tattoos, Piercings, Dreadlocks, sanfte Schwaden von Kräuteraroma – und überall entspannte Gesichter. Kein Wunder, hier wird gefeiert, was politisch gerade wieder wackelt: die frisch gewonnene Freiheit, legal über seine Liebe zum Kiffen zu sprechen. Oder wie der Berliner sagt: „Is’ doch jut jetzt!“
60.000 Besucherinnen und Besucher pilgern zur größten Cannabis-Messe der Welt, die sich seit der Teillegalisierung 2024 praktisch selbst in den Olymp der Weltmärkte katapultiert hat. Dass der Name „Mary Jane“ sowohl Messe als auch Spitzname für Marihuana ist, beweist einmal mehr: Kifferhumor ist simpel, aber effektiv.
Drinnen wird’s dann richtig gemütlich: Gläserne Vitrinen voll mit Hanfsamen, Grow-Zelte, Spezialdünger, Wasserpfeifen in Einhorn-Optik und blinkende Lampen, die aussehen wie von Elon Musk persönlich entwickelt. Ein wahres Disneyland für Freunde der botanischen Horizonterweiterung. Nur das eigentlich Wichtige wird nicht verkauft: Gras mit THC. Das bleibt offiziell weiter tabu — es sei denn, man leidet plötzlich an chronischer „Ich-hätte-gerne-etwas-zum-Runterkommen“-Störung.
Und hier schlägt die Stunde der modernen Telemedizin: Mit ein paar Klicks bekommt man neuerdings sein „medizinisches Cannabis“ so bequem nach Hause geliefert wie einst die Pizza Margherita.
„Haben Sie Rücken? Stress? Einschlafprobleme? Schnupfen? Irgendwas?“
— „Ja.“
— „Prima, hier Ihr Rezept. 6,49 Euro pro Gramm. Lieferung in zwei Stunden.“
Die Politik ist derweil – mal wieder – überrascht, dass Menschen kreativ werden, wenn man ihnen halbe Freiheiten gibt. Gesundheitsministerin Warken sieht „Missbrauch“, die Ärzte warnen vor einer „Verkifferung“ der Gesellschaft, und Friedrich Merz möchte am liebsten zurück zur guten alten Null-Toleranz. Wahrscheinlich, weil sein Wahlkampf-Team noch nicht herausgefunden hat, wie man Cannabis-Wähler korrekt duzt.
Doch die Szene auf der „Mary Jane“ nimmt das alles mit norddeutscher Gelassenheit:
„Sollen sie doch schimpfen — wir kiffen einfach weiter, nur jetzt halt mit Quittung.“
Schließlich geht es hier nicht nur um berauschende Wirkung, sondern auch um gesellschaftliche Visionen: weniger Schwarzmarkt, mehr Qualitätssicherung, weniger Streckmittel, weniger Gammel-Gras aus dem Kofferraum dubioser Hinterhofdealer.
Oder wie man hier sagt: „Endlich mal ’ne Sorte, bei der man weiß, was drin ist — und keine alten Schuhsohlen oder Haarsprayreste mehr.“
Und während Politik, Polizei und Ärzteschaft noch über Risiken und Bürokratiemonster diskutieren, wächst der Medizinalcannabis-Import munter weiter. Von 8 auf 31 Tonnen im Jahr. Tendenz: steigend. Man könnte fast glauben, Deutschland entwickle sich vom Autoland zur Hanfnation.
Wie es weitergeht? Im Herbst will die Bundesregierung „ergebnisoffen evaluieren“. Was in der Politik meistens bedeutet: Erstmal die Köpfe rauchen lassen. Währenddessen dampft es in den Messehallen ganz real. Legal. Und ziemlich entspannt.