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„Vertriebler dürfen sich nicht blind auf Emittenten verlassen“

Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime zum fehlerhaften MABEWO-Prospekt und den Haftungsrisiken für Vermittler

Herr Reime, die MABEWO AG aus der Schweiz gerät wegen eines fehlerhaften Vermögensanlagenprospekts aus dem Jahr 2020 zunehmend in die Kritik. Was ist aus Ihrer Sicht das Hauptproblem?

Reime: Das Kernproblem ist, dass dieser Prospekt offensichtlich nicht den gesetzlichen Anforderungen des Vermögensanlagengesetzes entspricht. Wenn ein solcher Prospekt in Umlauf gebracht wird – und das ist hier geschehen – entsteht ein enormes Haftungsrisiko für alle Beteiligten, vor allem für die Vertriebe. Der Gesetzgeber hat sehr klar geregelt, dass sich kein Vermittler auf die Angaben des Emittenten verlassen darf. Es gilt eine eigene Prüfungspflicht.

Viele Vermittler sagen, sie hätten den Prospekt einfach von der MABEWO AG erhalten und ihn ungeprüft verwendet. Ist das nicht verständlich?

Reime: Verständlich vielleicht – aber keineswegs entschuldbar. Die Vermittler tragen eine eigenständige Verantwortung gegenüber den Anlegern. Wer ein Vermögensanlageprodukt vertreibt, muss wissen, was er da weitergibt. Ein Vermittler ist nicht bloßer Briefträger. Er muss den Prospekt auf seine rechtliche und wirtschaftliche Schlüssigkeit hin prüfen – und im Zweifel anwaltlich oder sachverständig prüfen lassen.

Was genau hätte ein Vermittler im Fall der MABEWO AG tun müssen?

Reime: Er hätte sich den Prospekt genau anschauen und auf Vollständigkeit und Widersprüche prüfen müssen. Bereits bei oberflächlicher Betrachtung dieses konkreten Prospekts hätten kritische Punkte auffallen müssen. Wer dennoch verkauft hat, hat seine Pflicht zur Plausibilitätsprüfung verletzt – und haftet im Zweifel gegenüber dem Anleger auf Schadensersatz.

Ist die Haftung denn tatsächlich so klar?

Reime: In vielen Fällen ja. Es gibt inzwischen zahlreiche Urteile, in denen Gerichte Vertriebler zur Verantwortung gezogen haben, weil sie fehlerhafte oder unvollständige Prospekte ungeprüft weitergegeben haben. Die Rechtsprechung ist da sehr deutlich: Ein Vermittler haftet, wenn er sich nicht selbst ein Bild macht. Das gilt besonders bei sogenannten grauen Kapitalmarktprodukten – wie sie MABEWO angeboten hat.

Was raten Sie Anlegern, die über einen Vermittler bei MABEWO investiert haben?

Reime: Sie sollten sich anwaltlich beraten lassen und prüfen, ob Ansprüche gegen den Vertrieb bestehen. Wenn der Prospekt fehlerhaft war – und vieles spricht dafür – stehen die Chancen gut, den eingesetzten Betrag ganz oder teilweise zurückzuholen. Der Vermittler haftet in der Regel gesamtschuldnerisch mit dem Anbieter.

Und was empfehlen Sie den Vermittlern?

Reime: Wer solche Produkte vertreibt, muss zwingend eine rechtliche und wirtschaftliche Prüfung vornehmen oder zumindest dokumentieren, dass er sich mit dem Inhalt auseinandergesetzt hat. Eine interne Checkliste, ein Prüfvermerk oder ein Gutachten – all das sind Instrumente zur eigenen Absicherung. Wer das nicht tut, spielt mit seiner beruflichen und finanziellen Existenz.

Ihr Fazit zum Fall MABEWO?

Reime: Der Fall ist ein mahnendes Beispiel. Der Prospekt war offenbar fehlerhaft – und jeder, der ihn verwendet hat, hätte das erkennen können. Es reicht nicht, auf schöne Hochglanzunterlagen zu vertrauen. Der Vertrieb muss Verantwortung übernehmen – juristisch, wirtschaftlich und moralisch. Anleger müssen geschützt werden, und das geht nur, wenn jeder seiner Rolle gerecht wird.

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