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„Sie kämpfen doppelt“ – Traumatisierte Bundeswehr-Veteranen ringen um Anerkennung und Hilfe

Peggy_Marco (CC0), Pixabay

Von der Front ins Vergessen? Hunderte ehemalige Bundeswehrsoldaten leiden unter den seelischen Narben ihrer Auslandseinsätze – und müssen sich dennoch oft über Jahre hinweg rechtlich durchsetzen, um als Einsatzgeschädigte anerkannt zu werden. Ihr Kampf gegen die Bürokratie ist ein zweites Trauma. Im Mittelpunkt: Männer wie Robert Müller – Fallschirmjäger, Veteran, Vater – und schwer gezeichnet durch Krieg und Ignoranz.

Ein Leben nach dem Einsatz – aber nicht in Frieden

Robert Müller aus Stade diente als Fallschirmjäger der Bundeswehr im Kosovo und in Afghanistan. In seiner Erinnerung haben sich die Bilder eingebrannt: zerschossene Körper, Leichengeruch, das Grauen eines Krieges, der nie wirklich endet. 2002 explodiert eine Rakete bei einem Einsatz – fünf Kameraden sterben, Müller überlebt schwer verletzt. Doch die größte Wunde sieht man nicht.

Nach seiner Rückkehr beginnt das unsichtbare Leiden. Gewichtsverlust, Schlaflosigkeit, Panikattacken – schließlich die Diagnose: Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Doch was für ihn die schmerzliche Realität ist, erkennt die Bundeswehr zunächst nicht an. Seine Krankheit – so die offizielle Einschätzung – sei keine Folge des Dienstes.

„Ich musste mir jede Hilfe erkämpfen“

Robert Müller ist kein Einzelfall. Anwalt Arnd Steinmeyer aus Lüneburg, der hunderte PTBS-Betroffene vertritt, spricht von einem „verlorenen Vertrauen in den Dienstherrn“. Der Frust ist groß: „Diese Männer haben für unser Land alles gegeben – und werden im Stich gelassen. Das zerstört.“

Im Durchschnitt dauert es 22 Monate bis zum ersten Bescheid, manchmal kämpfen Veteranen zehn Jahre und länger um Anerkennung. Nicht wenige brechen darunter zusammen. Auch Müller dachte an Selbstmord. Erst nach zwölf Jahren bekam er endlich die zugesprochene Hilfe.

Versorgungslücken trotz Versprechen

Peter Zimmermann, der PTBS-Beauftragte der Bundeswehr, verteidigt das System: Deutschland habe eines der „fürsorglichsten weltweit“. Doch auch er räumt ein: Nur 10 bis 20 Prozent der traumatisierten Soldaten würden tatsächlich durch Bundeswehrangebote erreicht. Die Dunkelziffer ist erschütternd – nach Schätzungen leiden über 13.000 Veteranen an PTBS, doch nur rund 2.800 Fälle wurden offiziell registriert.

Besonders problematisch: Viele Diagnosen werden erst nach der aktiven Dienstzeit gestellt, oft durch zivile Ärzte. Die Folge: kein Zugang mehr zu wehrdienstlichen Versorgungsleistungen, obwohl die Ursache eindeutig im Einsatz liegt.

Ein Appell an Politik und Gesellschaft

CDU-Politikerin Kerstin Vieregge fordert: „Bei Kriegstraumata muss gezielt nachgesteuert werden.“ Sie spricht aus, was viele denken: Es kann nicht sein, dass die Bundeswehr mit großen Worten Nachwuchs wirbt – aber bei den psychisch Verwundeten auf stumm schaltet.

Anwalt Steinmeyer bringt es auf den Punkt:
„Wer bereit ist, für sein Land zu sterben, hat das Recht, nicht im Regen stehen gelassen zu werden.“

Mehr als ein Tag der Anerkennung

Deutschland diskutiert über einen Veteranentag. Doch Anerkennung ist mehr als eine Zeremonie mit Flaggen und Dankesworten. Sie beginnt dort, wo Verantwortung konkret wird: bei schneller Diagnostik, unbürokratischer Versorgung und einer Kultur des Hinsehens.

Robert Müller hat überlebt – viele zerbrechen im Stillen.
Er sagt heute: „Ich kenne niemanden, bei dem das einfach war. Und ich kenne viele, die gescheitert sind.“

Wir müssen diesen Menschen besser zuhören – und endlich handeln.

Wenn du Hilfe brauchst – du bist nicht allein:

  • Bundeswehr-Hotline für PTBS-Betroffene: 0800 588 7957

  • Deutscher BundeswehrVerband e.V.: www.dbwv.de

  • Veteranenverband Deutschland: www.veteranenverband.de

  • Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 (kostenlos, anonym, 24/7)

  • Sozialpsychiatrischer Dienst: Google „SpDi + Wohnort“

  • In Notfällen: Notarzt – 112

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