Frage: Frau Bontschev, die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) im Alltag nimmt zu. Gleichzeitig warnen Experten vor neuen Gefahren durch Internetkriminalität. Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung?
Kerstin Bontschev: KI ist ohne Frage ein faszinierendes Werkzeug mit enormem Potenzial. Doch leider ist sie auch ein wahrer Magnet für Kriminelle. Durch die Möglichkeiten, die KI bietet – etwa beim Erstellen von Texten, Bildern und sogar Stimmen – eröffnen sich völlig neue Angriffsflächen. Betrüger werden kreativer und können ihre Maschen täuschend echt gestalten.
Frage: Können Sie uns ein Beispiel geben?
Kerstin Bontschev: Ein klassisches Beispiel sind die sogenannten Phishing-Mails. Früher konnte man sie oft noch an holprigem Deutsch und merkwürdigen Formulierungen erkennen. Heute hingegen erstellt KI nahezu perfekte Texte, die schwer von echten E-Mails zu unterscheiden sind. In Kombination mit Daten, die Kriminelle aus dem Netz sammeln, wirken diese Nachrichten äußerst glaubwürdig und individuell zugeschnitten.
Frage: Und wie sieht es mit sogenannten „Deepfakes“ aus?
Kerstin Bontschev: Deepfakes sind besonders perfide. Hierbei handelt es sich um künstlich erstellte Videos oder Audiodateien, die echten Personen täuschend ähnlich sehen oder klingen. Das Problem: Diese Fälschungen können den Ruf einer Person zerstören, politische Unruhen auslösen oder Menschen gezielt täuschen – etwa durch gefälschte Videoanrufe von angeblichen Angehörigen. In solchen Fällen hilft oft nur gesunde Skepsis und die Prüfung der Quelle.
Frage: Ein weiteres Problem sind Fake-Anrufe mit täuschend echten Stimmen. Wie können sich Verbraucher davor schützen?
Kerstin Bontschev: Hier empfehle ich, Sicherheitscodes mit Freunden und Verwandten zu vereinbaren. Kriminelle können mittlerweile Stimmen simulieren, die den Originalen verblüffend ähnlich sind. Wenn ein angeblicher Verwandter in Not anruft und Geld verlangt, sollte man nicht direkt reagieren. Stattdessen: Rückruf auf einer bekannten Nummer und die Frage nach dem vertraulichen Codewort. Das ist eine einfache, aber wirksame Methode.
Frage: Welche allgemeinen Schutzmaßnahmen können Verbraucher ergreifen, um sich gegen KI-basierte Angriffe zu wappnen?
Kerstin Bontschev: Wichtig ist, kritisch und aufmerksam zu bleiben. Hier ein paar Tipps:
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Misstrauen bei unerwarteten Nachrichten: Niemals ungeprüft Links in Mails oder SMS anklicken.
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Faktencheck: Nachrichteninhalte auf mehreren seriösen Plattformen gegenprüfen.
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Starke Passwörter: Verschiedene Passwörter für unterschiedliche Dienste verwenden und einen Passwort-Manager nutzen.
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Updates: Geräte regelmäßig aktualisieren, um Sicherheitslücken zu schließen.
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Zurückhaltung mit persönlichen Daten: Je weniger Informationen online kursieren, desto schwerer ist es für Kriminelle, diese zu missbrauchen.
Frage: Wie bewerten Sie die rechtliche Lage? Ist der Gesetzgeber ausreichend auf die neuen Bedrohungen vorbereitet?
Kerstin Bontschev: Noch nicht ausreichend. Die Gesetzgebung hinkt der technologischen Entwicklung oft hinterher. In Deutschland und auf EU-Ebene gibt es Bestrebungen, den rechtlichen Rahmen anzupassen, aber das Tempo ist leider viel zu langsam. Gerade bei KI-gestütztem Betrug brauchen wir dringend modernisierte Vorschriften und konsequente Strafverfolgung.
Frage: Was raten Sie Menschen, die bereits Opfer solcher Betrugsmaschen geworden sind?
Kerstin Bontschev: Sofort reagieren! Passwörter ändern, Bankkonten sperren und die Polizei sowie die Verbraucherzentrale informieren. Zudem sollten Betroffene Beweise sammeln – Screenshots, E-Mails und Chatverläufe sichern. Je schneller die Reaktion, desto besser die Chancen, den Schaden zu begrenzen.
Frage: Abschließend: Wie bewerten Sie die Zukunft von KI im Zusammenhang mit Internetkriminalität?
Kerstin Bontschev: KI wird bleiben und sich weiterentwickeln – sowohl zum Nutzen als auch zum Schaden. Wichtig ist, dass wir als Gesellschaft lernen, mit den Risiken umzugehen. Die Aufklärung der Bevölkerung und die Förderung von digitaler Kompetenz sind dabei essenziell. Wer die Gefahren kennt, kann sich besser schützen.
Frage: Vielen Dank, Frau Bontschev, für die wertvollen Tipps und Einblicke!
Kerstin Bontschev: Gern geschehen. Bleiben Sie kritisch und wachsam!