Start Allgemein Klage gegen Porsche/ Volkswagen II

Klage gegen Porsche/ Volkswagen II

341

Landgericht Hannover

13 Kap 1/16
18 OH 2/16

Beschluss

In dem Musterverfahren

ARFB Anlegerschutz UG (haftungsbeschränkt), vertreten durch den Geschäftsführer Ralf Kathmann, Steinhäuser Straße 20, 76135 Karlsruhe,
Musterklägerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
TILP Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Einhornstraße 21,
72138 Kirchentellinsfurt,
Geschäftszeichen: 900001/14 TI/ZwU

gegen

1. Porsche Automobil Holding SE, vertreten durch den Vorstand Prof. Dr. Winterkorn, P.A.E. von Hagen u. a., Porscheplatz 1, 70435 Stuttgart,

2. Volkswagen AG vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller, Berliner Ring 2, 38440 Wolfsburg,

Musterbeklagte,

Verfahrensbevollmächtigte zu 1:
Rechtsanwälte Hengeler Müller, Bockenheimer Landstraße 24, 60323 Frankfurt,
Geschäftszeichen: 66825785v2; 68238117 vl; 628110206 vl

Verfahrensbevollmächtigte zu 2:
Anwaltsbüro Göhmann, Ottmerstraße 1 – 2, 38102 Braunschweig,
Geschäftszeichen: 01907-11 BE/SW

Beigeladene:

Tremblant Concentrated Fund LP, 2711 Centerville Road, Suite 400, Wilmington, DE 19808,

Verfahrensbevollmächtigte:
TILP Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Einhornstraße 21,
72138 Kirchentellinsfurt,
Geschäftszeichen: 900001/14 TI/ZwU

u.a.

hat der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Richter am Oberlandesgericht Keppler, den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schaffert und den Richter am Oberlandesgericht Schrader am 21. März 2018 beschlossen:

Das Richterablehnungsgesuch der Beigeladenen Tremblant Concentrated Fund LP vom 6. März 2018 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Musterverfahrens-Beteiligten streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz im Wesentlichen um die Richtigkeit von ad-hoc-Mitteilungen und Pressemitteilungen, welche die Musterbeklagte zu 1 in dem Zeitraum vom 3. März 2008 bis zum 26. Oktober 2008 veröffentlicht hat.

Nachdem der Senat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wiese, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Böttcher und den Richter am Oberlandesgericht Thomas im Anschluss an eine mündliche Verhandlung durch Beschluss vom 26. Oktober 2017 einzelne Punkte des vorläufigen Beratungsergebnisses mitgeteilt hatte, hat unter anderem die Beigeladene Tremblant Concentrated Fund LP (im Folgenden: Tremblant) die vorgenannten Richter mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2017 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieses Befangenheitsgesuch hat der Senat durch die Richterinnen am Oberlandesgericht Rieke und Meier-Hoffmann sowie den Richter am Oberlandesgericht Dr. Derks durch Beschluss vom 9. Februar 2018 als unbegründet zurückgewiesen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die vorgenannten Beschlüsse (Bl. 3748 ff., 4304 ff. d.A.), das vorgenannte Befangenheitsgesuch (Bl. 4068 ff. d.A.) und den Schriftsatz der Beigeladenen Elliott Associates vom 22. Dezember 2017 (Bl. 4203 ff. d.A.), mit dem sich letztgenannte dem Befangenheitsgesuch angeschlossen hatte, Bezug genommen.

Vorliegend hat die Beigeladene Tremblant die letztgenannten Richter, die ihr Befangenheitsgesuch zurückgewiesen hatten, mit Schriftsatz vom 6. März 2018, auf den ebenfalls wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 4497 ff. d.A.) ihrerseits wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

II.

1. Der Senat entscheidet in der vorliegenden Besetzung neben dem verbliebenen Richter des 1. Kartellsenats durch die beiden verbliebenen Richter des nach dem Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts Celle aus dem Geschäftsjahr 2018 zur Vertretung des 1. Kartellsenats berufenen 16. Zivilsenats. Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Wiese ist nach § 47 Abs. 1 ZPO an einer Mitwirkung gehindert, weil die Beigeladene Elliott Associates mit Schriftsatz vom 5. März 2018 eine Gehörsrüge gegen den Beschluss vom 9. Februar 2018 eingelegt hat, über die noch nicht entschieden ist.

2. Der zulässige Befangenheitsantrag hat in der Sache keinen Erfolg.

a) Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerfGE 88, 17, 22 f., juris Rn. 27; BGH, Beschlüsse vom 10. Juni 2013 – AnwZ (Brfg) 24/12, NJW-RR 2013, 1211, Rn. 6; vom 15. März 2012 – V ZB 102/11, NJW 2012, 1890, Rn. 10 und vom 13. Januar 2016 – VII ZR 36/14, NJW 2016, 1022, Rn. 9). Als Umstände in diesem Sinne kommen dabei nur objektive Gründe in Betracht, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit parteiisch gegenüber (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. Januar 2015 – II ZR 304/03, BGH-Report 2005, 1350, juris Rn. 1 und vom 13. Januar 2016, aaO.).

b) Gemessen daran sind Ablehnungsgründe nicht gegeben. Es liegen keine Umstände vor, die den Anschein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit begründen. Das Vorbringen der Beigeladenen Tremblant zur Begründung des Ablehnungsgesuches ist bereits unschlüssig [vgl. dazu unter aa) und bb)]. Es bedurfte daher nicht der Einholung von dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter [vgl. dazu unter c)].

aa) Die Beigeladene Tremblant hat im Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 6. März 2018 keinen Ablehnungsgrund schlüssig dargetan. Ihr Vorbringen rechtfertigt es vom Standpunkt eines ruhig und vernünftig denkenden Verfahrensbeteiligten nicht, an der Unvoreingenommenheit oder Unparteilichkeit der Richter, die an dem Beschluss vom 9. Februar 2018 mitgewirkt haben, zu zweifeln.

Im Einzelnen:

aaa) Die Beigeladene stürzt das Ablehnungsgesuch unter B.I. darauf, dass sie nicht in der mündlichen Verhandlung vertreten gewesen sei und der Hinweisbeschluss gerade für solche im Termin nicht vertretenen Beigeladenen hätte abgefasst sein müssen. Der Beschluss vom 26. Oktober 2017 enthält jedoch (unter anderem) Hinweise, die an alle Verfahrensbeteiligten gerichtet sind. Weshalb darüber hinaus mündliche Ausführungen im Termin den Beigeladenen, die im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erscheinen, vollständig in schriftlicher Form mitzuteilen seien, legt die Beigeladene schon nicht dar. Erst recht zeigt sie nicht auf, dass der Umstand, dass der Senat das vorläufige Beratungsergebnis nicht noch einmal schriftlich mitgeteilt hat, auf einer Befangenheit gegenüber der Beigeladenen beruhen könnte, und dass die Richter, die den unter anderem darauf gestützten Befangenheitsantrag zurückgewiesen haben, ebenfalls befangen seien.

bbb) Die Beigeladene macht unter B.II. weiter geltend, der Befangenheitsbeschluss setze sich nicht mit ihrer unter Rn. 12 des ursprünglichen Befangenheitsgesuchs geäußerten Rechtsauffassung auseinander, der aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende „Verarbeitungszwang“ gelte nicht nur für die Begründung gerichtlicher Entscheidungen, sondern unter anderem auch für Hinweisbeschlüsse. Hiermit hat sich der Befangenheitsbeschluss jedoch auseinandergesetzt und den abweichenden Rechtsstandpunkt eingenommen (Seite 5, vorletzter Absatz), ohne dass die Beigeladene näher begründet, dass dieser falsch oder gar unvertretbar wäre.

ccc) Zu B.III.: Soweit es unter Nr. 2 des Beschlusses vom 26. Oktober 2017 heißt: „die Offenlegung…“, obwohl möglicherweise einer der unter Nr. 1 genannten Punkte erstmals in dem Beschluss vom 26. Oktober 2017 angesprochen worden ist, ist nicht zu erkennen, weshalb ein ruhig und vernünftig denkender Beteiligter annehmen kann, dass es sich nicht um ein Formulierungsversehen, sondern um einen Ausdruck der Parteilichkeit der Richter handele.

ddd) Zu B.IV.: In dem Beschluss vom 9. Februar 2018 wird auf Seite 7 f. ausgeführt, dass auf eine Befangenheit nicht deshalb geschlossen werden könne, weil der Senat den vorläufigen Beratungsstand nur in der mündlichen Verhandlung offen gelegt, und nicht noch einmal in schriftlicher Form umfassend wiederholt hat. Diese Beurteilung ist weder unsachlich noch sonst geeignet die Besorgnis der Befangenheit der Richter, die an dem Beschluss vom 9. Februar 2018 mitgewirkt haben, zu begründen. Im Übrigen hat die Beteiligte auch in ihrem Ablehnungsgesuch vom 18. Dezember 2017 nicht näher schlüssig ausgeführt, weshalb im Hinblick auf die dort bezeichneten Gesichtspunkte eine Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2, 4 ZPO bestehe.

eee) Soweit die Beigeladene unter B.V. ihre Auffassung wiederholt, es begründe die Besorgnis der Befangenheit, dass der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Wiese in der mündlichen Verhandlung nicht ungefragt auf 2 von insgesamt 7 Presseverlautbarungen bzw. ad-hoc-Mitteilungen eingegangen sei, welche den Kern des Musterverfahrensgegenstandes bildeten, ist im Wesentlichen auf die diesbezüglichen Ausführungen auf Seite 8 des Befangenheitsbeschlusses vom 9. Februar 2018 Bezug zu nehmen. Äußerungen der Richter zur Erfolgsaussicht in der mündlichen Verhandlung stellen grundsätzlich keinen Befangenheitsgrund dar (Zöller/Vollkommer, 30. Aufl., § 42 Rn. 26). Auch nach den Ausführungen der Beigeladenen in dem ursprünglichen Befangenheitsgesuch selbst hatte der Senat zudem den entsprechenden Vortrag durchaus zur Kenntnis genommen und rechtlich erwogen und nur aufgrund des Versuchs einer Schwerpunktsetzung zunächst nicht von sich aus angesprochen.

fff) Eine Besorgnis der Befangenheit ergibt sich entgegen den Ausführungen unter B.VI. auch nicht daraus, dass in dem Beschluss vom 9. Februar 2018 ein Ablehnungsgrund nicht darin gesehen wird, dass der Vorsitzende eine mündliche Erörterung nach der Mittagspause erwartet hätte, ohne insbesondere den Rechtsanwälten seine Aufzeichnungen auszuhändigen. In dem Beschluss vom 9. Februar 2018 heißt es insoweit auf Seite 8 f. unter Bezugnahme auf die von der Beigeladenen selbst auf Seite 40 (oben) des Ablehnungsgesuchs in Bezug genommene Gewährung der Gelegenheit, sich zu diesem zeitlichen Vorgehen zu äußern, es sei nicht ersichtlich, dass die Richter nicht bereit gewesen seien, den Anwälten ausreichende Vorbereitungszeit für die Stellungnahme einzuräumen. Diese Erwägungen geben aus Sicht eines vernünftigen und besonnenen Beteiligten keinen Anlass für die Annahme, der Senat habe eine ernsthafte und ergebnisoffene Erörterung sämtlicher Punkte, die der Vorsitzende in seiner – nach Vortrag der Beigeladenen – „stundenlangen Einführung“ angesprochen hatte, nicht beabsichtigt.

ggg) Die Beigeladene meint weiter unter D., in dem Beschluss vom 9. Februar 2018 sei verkannt worden, dass eine dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters zwingend erfolgen müsse und nur ein „Zeugnis“ des abgelehnten Richters im Einzelfall unterbleiben könne. Es entspricht der wohl herrschenden Auffassung, auf die sich der Beschluss vom 9. Februar 2018 auch stützt, dass unschlüssige Befangenheitsgesuche die Äußerungspflicht des § 44 Abs. 3 ZPO nicht auslösen. Dass die abgelehnten Richter dieser Auffassung gefolgt sind, begründet keine Besorgnis der Befangenheit.

hhh) Auch die Auffassung unter D., in dem Beschluss vom 9. Februar 2018 sei die Erwägung übergangen worden, der Senat habe sich in der mündlichen Verhandlung ausschließlich eine von der Musterbeklagten zu 1 suggerierte Interpretation der Pressemitteilung vom 26. Oktober 2008 zu eigen gemacht, greift nicht durch. Auf diese unter Rn. 47 des Befangenheitsgesuchs vom 18. Dezember 2017 ausgeführte Erwägung geht der Beschluss vom 9. Februar 2018 auf Seite 8 unter ddd) ein.

bb) Die für sich genommen unschlüssigen Ablehnungsgründe rechtfertigen das Ablehnungsgesuch auch in einer Gesamtschau nicht.

c) Da es somit an einer schlüssigen Begründung des Ablehnungsgesuches fehlt, brauchten dienstliche Äußerungen nicht eingeholt zu werden (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 30. Dezember 2008 – 2 W 127/08, juris Rn. 33 und vom 3. Juli 2000 – 16 Wx 87/00, juris Rn. 5; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 1. Februar 1994 – 2 Z BR 145/93, juris Rn. 10; MünchKomm-Stackmann, ZPO, 5. Aufl. § 44 Rn. 10; Vossler, in: BeckOK-ZPO, 26. Edition, § 44 Rn. 14, Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 44 Rn. 9).

III.

Eine Rechtsbeschwerde gegen die das Ablehnungsgesuch zurückweisende Entscheidung des Oberlandesgerichts im Kapitalanleger-Musterverfahren ist nicht gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO durch Gesetz zugelassen (vgl. zum bis zum 31. Oktober 2012 gültigen, inhaltsgleichen § 15 KapMuG: BGH, Urteil vom 24. November 2008 – II ZB IV/08, ZIP 2009, 34, juris Rn. 5 ff.). Gründe zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO bestehen vorliegend nicht.

 

Keppler Schaffert Schrader

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