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Zukunft der Künstlichen Intelligenz

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Computerwissenschaft ist die neue Alphabetisierung. Im Mittelalter hat der Anteil von Menschen, die lesen und schreiben konnten, bei sechs Prozent gelegen. Heute könnte weniger als ein Prozent der Weltbevölkerung programmieren. Dieses Problem katapultiert uns ins Mittelalter, wenn wir an unsere Kompetenzen zu Computern denken. Diese Aussage mag verwundern, arbeiten doch hochqualifizierte Datenspezialisten seit Jahren in den modernen Arealen der Keller und Garagen von Berlin oder London sowie den Technologiezentren um San Francisco mit Silicon Valley. Dennoch: Sheryl Sandberg kann nicht programmieren.

Die Welt der Künstlichen Intelligenz (KI) muss nicht an der unseren teilnehmen, kann sich ohne Einfluss der Spezialisten verselbständigen und etwas wollen, was wir nicht kennen oder verstehen. Star Trek und Enterprise?

Das steuerten und gestalteten noch Drehbuchautoren und Regisseure. Über die Ergebnisse haben sie entspannt gelacht. Staunen und Fürchten stand nicht bei ihnen an, sondern bei den gespannten Zuschauern. Entwicklungen haben unsere heutigen Spezialisten im Griff; sie richten diese aus und warten auf erhoffte Ergebnisse. Ein bekannt gewordenes Ereignis der letzten Wochen mag und sollte ängstigen: Mark Zuckerberg hat ein Programm der KI in dessen Entwicklung abgeschaltet und darüber berichtet.

Das Programm hatte sich in seinem Vorgehen auf der Basis von KI verselbständigt und war mit Eingriffen nicht mehr beherrschbar. Es entfernte sich aus Realitäten und verschaffte sich nicht eingeräumte Zugriffe auf unkontrollierbare Daten. Diese Arbeitsweise ist zwar bekannt. Um trockene Materie nicht schließlich desinteressierten Zuschauern auszuliefern, wurden nach einigen Filmen im Vorspann einiger Tage ab dem 30.11.2016 über eine Woche Filme gezeigt, die abenteuerlich erscheinen sollten und dies auch erreichten. Wer es nicht wusste, freute sich über das Prickeln der Ereignisse. Die Wahrheit war der Weg: Alle Dokumentationen präsentierten aktuelle Wissenschaft. Für diesen Personenkreis blieben Angst und Bedenken, verbunden mit der Hoffnung, dass Menschen analog eingreifen konnten (Schwägerl, Ch.; Die analoge Revolution). Laut Zuckerberg drohte das nicht mehr der Fall sein zu können. Wenn einer der Spezialisten so handelt, dürfen wir nachdenken.

Ein anderer Idealist in der Führung von Infosys für KI ist Vishal Sikka, ein Inder, dessen Interessen in der Infosys-Stiftung begründet sind, die seine Frau leitet, weil sie Kindern Computerwissenschaft nahebringen will. Sikka besitzt die amerikanische Staatsbürgerschaft und will in den kommenden Jahren etwa 10.000 amerikanische Computerwissenschaftler einstellen. „Denn unsere Art zu arbeiten, verändert sich fundamental. Die Welt digitalisiert sich, und wir haben zu wenig Leute dafür.“ (vgl. Sikka). Neue Ideen und Arbeitsweisen verlangen nach mehr Zusammenarbeit. Deshalb sieht Sikka die Universitäten als Anlaufstelle. Jeder Programmierer in Indien durchläuft ein dreimonatiges Training an der konzerneigenen Universität und wird in Programmiersprachen geschult.

Um die aktuellen Quartalszahlen zu präsentieren, hat Sikka ein autonom fahrendes Golfcart genutzt. Die Produktion von autonom fahrenden Systemen ist nicht Ziel von Infosys. Manager und Mitarbeiter sollten verstehen, wie die Technik funktioniert. Deshalb hat er dieses Gefährt entwickeln lassen.

Mit den richtigen Fähigkeiten müssen wir keine Angst haben, dass uns Maschinen die Arbeit wegnehmen. Mit deren Hilfe können wir unsere Fähigkeiten verstärken und eine Kultur des Unternehmertums schaffen, wenn die richtige Infrastruktur errichtet wird (vgl. Sikka – auf dem Weg zu innovativer Kultur). Stattdessen leben wir in einer Zeit, in der Anstellung durch Fremde oder den Staat von der Mehrheit der deutschen Studierenden als Zielsetzung angesehen und Unternehmertum als das gesehen wird, was wenige tun.

Sikka lässt die einfache Erklärung nicht gelten, dass indische Unternehmen, die für die Auslagerung von Software bekannt sind, vor allem Inder beschäftigen und nun doch auf US-Amerikaner setzen. Diese stehen wie Infosys in den Vereinigten Staaten unter Druck von Präsident Trump, der die Regelungen für H-1B-Visa überarbeiten lassen will. Mit diesen Papieren dürfen ausländische Arbeiter wie die 34.000 ausländischen Mitarbeiter in den USA arbeiten. Bisher wurden Mindestqualifikation und Mindesteinkommen vorausgesetzt. Letzteres soll in der Zukunft bei 130.000 Dollar pro Jahr liegen, was die derzeit 60.000 Dollar mehr als verdoppelt. Sikka will sich an alle Visa-Vorgaben halten, die aber kein Treiber für das sind, was gerade realisiert wird.

Als Entwicklungsvorstand von SAP hat er Teile der Hana genannten Entwicklungsplattform ausgetüftelt, die noch heute für SAP wichtig sind. Sikka wechselte 2014 zu Infosys. Zu SAP mit Snabe und SAP-Gründer Hasso Plattner verbindet ihn ein freundschaftliches Verhältnis. Wenn Sikka in Deutschland ist, trifft er sich mit den früheren Kollegen.

Die Aufregung um KI sieht Sikka locker, da er in dem Thema promoviert hat. Heute sitzt der Infosys-Chef als Beirat im KI-Kreis des Weltwirtschaftsforums. Die technologischen Durchbrüche der KI sind noch primitiv. Computer können Katzen auf Bildern erkennen oder Gesichter aus einer Menge identifizieren. KI kann ein autonomes Auto austricksen, wenn das Foto eines Kindes in der Heckscheibe des voranfahrenden Autos klebt. Ein langer, hoffnungsvoller Weg zu KI (vgl. Sikka)!

Derweil investiert Bosch Hunderte Millionen Euro, um mit der Entwicklung eigener Erwartungen zur KI Schritt halten zu können. In deren Forschungszentrum laufen die Roboter auf und ab, die als „geborene“ Europäer anzusehen sind. „Spencer“ ist einer von ihnen und hat Geduld. Forscher von sechs Universitäten in fünf Ländern haben dem 1,93 Meter großen „Spencer“ die nötige Intelligenz verpasst, um auf Flughäfen Passagieren helfen zu können, ihr Abfluggate zu finden. Dieses Projekt ist abgeschlossen. „Spencer“ ist nach Renningen „umgezogen“, wo der Bosch-Konzern seine Forschung konzentriert und das Bosch Center for Artificial Intelligence (BCAI), angesiedelt hat.

Wenn „Spencer“ Besucher zum Nachbarlabor führen soll, geht er um die Gruppe herum, die über ihn spricht. Dann setzt er seinen Weg fort. Das ist höflich und macht Kai Arras zufrieden. Das Verhalten von „Spencer“ zu planen und zu trainieren war die Aufgabe von Arras als Juniorprofessor an der Universität Freiburg, bevor er zu Bosch gewechselt ist. Auf Flughäfen sollen Roboter nicht höflich sein, sondern ohne Höflichkeitsregeln Menschenmengen durchqueren. Menschen tun das, wenn sie es eilig haben (vgl. Arras). Dennoch werden solche Flughafenhelfer nicht zum Kerngeschäft des Bosch-Konzerns gehören. Das Projekt „Spencer“ passt in die Strategie von Bosch:

KI wird eine Kernkompetenz von Bosch. Deren Maschinen sollen laut Mission lernen, intelligent zu handeln (vgl. Volkmar Denner, Vorsitzender der Bosch-GF). Der Traditionskonzern stellt Autoteile, Hausgeräte und Elektrowerkzeuge u. a. her. In zehn Jahren will er Dinge anbieten, die über KI verfügen oder nach deren Methoden hergestellt wurden. Dazu dürfen keine Kompromisse bei der Mitarbeiterkompetenz gemacht werden (vgl. Christoph Peylo, Leiter des BCAI). Ende 2017 soll das Zentrum für KI hundert Mitarbeiter haben. Standorte sind Renningen mit vier Forschungsgruppen Palo Alto und Bangalore. Gute Leute sollen mit guten Leuten arbeiten. Nach Überschreiten der kritischen Masse ist es einfacher Bewerber zu finden (vgl. Peylo).

Arras hat „Spencer“ und zwei seiner Mitarbeiter aus Freiburg zum Forschungscampus in Renningen mitgebracht. Die Mittel der Universität können hier mit Geld und Technik in Wirkung verwandelt werden – der Chance die Welt zu verändern! Start-ups können die Wirkung der eigenen Arbeit unmittelbarer zeigen. Mit der Breite von Bosch kann die Robotik an bestehendes Knowhow anknüpfen (vgl. Arras).

Autonome Systeme und Robotik sind Anwendungsfelder aller Bosch-Sparten. Die Wahrnehmung des Menschen durch den Roboter, die Sozialkompetenz, die dieser entwickeln muss, aber auch die Lokalisierung des Roboters und seine Bewegungsplanung bei der Begegnung mit Menschen bedeuten das Gefüge der Zukunft. Manches verändert sich – für einige Momente, vorübergehend oder dauerhaft. Wenn das Dauerhafte gewollt ist oder nach Verständnis im Vertrauen tätig bleiben darf, bleibt die Kontrolle beim Menschen und – nicht wie bei dem Beispiel von Zuckerberg – reversibel.

Der Flughafen-Roboter trifft auf eilige Menschen, der Rasenmäher-Roboter auf einen Liegestuhl, das autonome Auto auf eine Baustelle. Wie soll der Roboter erkennen, ob das Sofa nur für das Spiel der Champions League anders hingestellt oder ob das Zimmer neu eingerichtet wurde? Erkennt das autonome System des Autos, ob an der Ecke eine Mülltonne oder ein Kind steht? Ein Forschungsergebnis von KI zur deutschen Fußball-Bundesliga wurde im Juli präsentiert – mit der dezidierten Vorhersage der beiden Absteiger in 2018. Leipzig und München waren nicht dabei. Probleme für lernende Systeme!

Zentren für KI haben sollen nicht nur grundsätzliche Lösungsansätze erforschen, sondern Unternehmen mit passenden Kompetenzen und Werkzeugen nach und nach ausstatten. Die Forschung muss an den richtigen Themen dran sein, um Unternehmen wie Bosch, SAP u. a. zur Weltspitze zu führen. Einige Bosch-Forscher haben in Computerlinguistik promoviert und waren zum Teil in der Telekom-Forschung tätig. Arbeit erfüllt keinen Selbstzweck. Unternehmen sollen mit KI die Forschung für KI erweitern. Forschung soll die Entwicklung von Produkten einbringen, von denen Menschen begeistert sind – ohne dass sie wissen müssen, wie die von ihnen genutzte KI funktioniert und wie sie Menschen zu weiteren Erkenntnissen führt, die sie wirklich wollen.

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