Für viele Jugendliche in Deutschland sind Influencer, YouTuber und Creator auf Social Media inzwischen die bevorzugten Lernbegleiter. Das klassische Bild des Lehrers als alleinige Wissensautorität gerät zunehmend ins Wanken – zumindest, wenn es nach den Schülerinnen und Schülern selbst geht. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Digitalverbands Bitkom, bei der rund 500 Jugendliche zwischen 14 und 19 Jahren aus weiterführenden Schulen in Deutschland befragt wurden.
Das zentrale Ergebnis: Fast zwei Drittel der befragten Jugendlichen sind überzeugt, dass Influencer und YouTuber schulische Inhalte besser erklären als ihre eigenen Lehrkräfte. Besonders bei schwierigen oder abstrakten Themen greifen sie lieber zu Lernvideos auf YouTube, TikTok oder Instagram – in der Hoffnung auf eine alltagsnahe, visuell aufbereitete und verständliche Erklärung.
Ein weiteres Ergebnis der Studie unterstreicht diesen Trend: Vier von zehn Schülerinnen und Schülern ab 14 Jahren geben an, gezielt in sozialen Netzwerken nach Antworten auf schulische Fragen zu suchen, wenn sie im Unterricht etwas nicht verstanden haben. Dort stoßen sie auf eine Vielzahl von Erklärvideos, interaktiven Tutorials oder Erfahrungsberichten von Gleichaltrigen – meist konsumierbar auf dem Smartphone und jederzeit verfügbar.
Warum Influencer bei Schülern so gut ankommen
Die Beliebtheit von Influencern als Lernquelle ist kein Zufall. Viele Creator präsentieren schulische Inhalte auf unterhaltsame, niedrigschwellige und visuell ansprechende Weise, nutzen Memes, Humor, Storytelling und Alltagssprache. Das unterscheidet sie deutlich vom klassischen Frontalunterricht. Außerdem können Jugendliche selbst entscheiden, wann, wie oft und in welchem Tempo sie sich Inhalte anschauen – das kommt ihrem Medienverhalten und Lernstil entgegen.
Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer von Bitkom, sieht in diesem Wandel sowohl Potenzial als auch Handlungsbedarf für das Bildungssystem:
„Lehrerinnen und Lehrer bleiben unverzichtbar. Aber die Schule muss sich stärker öffnen für neue digitale Lernwelten. Es reicht nicht mehr, nur Arbeitsblätter zu verteilen oder eine PowerPoint zu zeigen – Schüler erwarten heute eine Vermittlung auf Augenhöhe, die sie anspricht und motiviert.“
Digitaler Nachhilfe-Markt boomt
Die Ergebnisse spiegeln auch den wachsenden Markt für digitale Lernangebote wider: Von kostenlosen Erklärvideos auf YouTube bis hin zu kostenpflichtigen Nachhilfeplattformen oder Lern-Apps. Der Erfolg von Influencern wie SimpleClub, Dinge Erklärt – Kurzgesagt oder Lehrerschmidt zeigt, wie groß der Bedarf nach alternativen Lernformaten ist. Viele dieser Inhalte werden professionell produziert, orientieren sich an Lehrplänen – und erreichen oft ein Millionenpublikum.
Was bedeutet das für die Schule der Zukunft?
Die Umfrage stellt das traditionelle Rollenverständnis in Frage: Lehrer als alleinige Wissensvermittler versus Schüler als passive Zuhörer. Stattdessen etabliert sich eine neue Realität, in der Lernen zunehmend hybrid, digital und selbstgesteuert stattfindet. Lehrkräfte, die Social Media in ihren Unterricht integrieren oder auf digitale Formate setzen, könnten das Vertrauen und die Aufmerksamkeit ihrer Schüler zurückgewinnen.
Gleichzeitig mahnen Bildungsexperten: Die Qualität und Verlässlichkeit der Inhalte auf Social Media sind nicht immer gewährleistet. Schüler könnten durch unvollständige oder fehlerhafte Informationen in die Irre geführt werden – eine pädagogische Begleitung bleibt daher entscheidend.
Fazit: Die Schule wird nicht überflüssig – aber sie muss sich verändern. Die digitale Lebenswelt der Jugendlichen ist längst Teil ihres Lernalltags. Die Kunst wird sein, diese Realität sinnvoll mit dem Unterricht zu verzahnen, statt sie zu ignorieren.