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Soziale Medien – Wie weit geht Meinungsfreiheit?

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geralt (CC0), Pixabay

Ob auf Social Media oder Bewertungs­portalen – wer andere im Netz kritisiert, muss sich an Regeln halten. Unser Knigge für Onlinekritik klärt, wann Kommentare in sozialen Medien den Job kosten können und wo bei Arzt-, Shop- oder Restaurantbe­wertungen das Recht auf freie Meinungs­äußerung endet.

Anonym die eigene Wut loswerden – das ist verlockend

Haben Sie sich auch schon mal über Ihre Chefin aufgeregt und hätten ihr gerne die Meinung gesagt? Bewertungs­portale und Social-Media-Platt­formen im Internet scheinen dafür gerade recht zu kommen. Nicht nur die fiese Vorgesetzte, auch ein unsensibler Arzt oder einfach ein schlechtes Restaurant können dort kritisiert werden – das geht auf Bewertungs­portalen oft sogar anonym.

Das Internet ist kein rechts­freier Raum

Hinter negativen Kommentaren und Bewertungen stecken häufig Emotionen wie Wut, Enttäuschung oder das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein. Einfach rauslassen sollten Kunden, Patienten und Beschäftigte ihren Ärger im Netz dennoch nicht. Das Internet ist kein rechts­freier Raum. Es gelten dieselben Regeln wie im echten Leben – etwa beim Ärger im Straßenverkehr. Wer beim Kritisieren über die Stränge schlägt, Lügen verbreitet oder andere beleidigt, macht sich recht­lich angreif­bar.

Die Meinungs­freiheit hat Grenzen

Das Recht auf freie Meinungs­äußerung ist im Artikel 5 des Grund­gesetzes verankert. Jeder darf seine Meinung vertreten – auch im Internet. Prinzipiell erlaubt sind deshalb auch über­spitzte Äußerungen wie „Die Produkte sind meiner Ansicht nach Billigschrott“ oder „Der Kunden­service ist anscheinend da, um Kunden zu verprellen“. Beleidigungen, Verleumdungen und falsche Tatsachenbe­hauptungen sind aber nicht geschützt.

Im Netz fehlt die soziale Kontrolle

Wissenschaftler beob­achten, dass die Hemm­schwelle für solche grenz­wertigen Äußerungen im Internet nied­riger ist als im echten Leben. Wolfgang Schweiger, Professor für Online­kommunikation an der Universität Hohen­heim in Stutt­gart, sagt: „Durch die Anony­mität fehlt im Internet die soziale Kontrolle. Diese hält Menschen im unmittel­baren Kontakt zueinander meist davon ab, sich beispiels­weise zu beschimpfen oder zu bedrohen.“

Vorsicht bei Tatsachenbe­hauptungen

Doch es sind nicht nur Extremfälle wie Beleidigungen oder Verleumdungen, die juristische Folgen nach sich ziehen können. Auch bei scheinbar harmloser Kritik gibt es Fallen. Insbesondere dann, wenn Kritisierende leicht­füßig Tatsachen behaupten. Angreif­bar sind diese, wenn die Person sie nicht beweisen kann oder der Inhalt schlichtweg falsch ist.

Beispiel: „Mir schmeckte die Pizza etwas fade“ ist eine Meinungs­äußerung und erlaubt. Wird daraus aber „Das Restaurant serviert Tiefkühlpizza“, handelt es sich um eine unwahre Tatsachenbe­hauptung, wenn die Pizza hausgemacht ist.

Die Grenze zwischen Meinung und Behauptung verläuft oft in Grauzonen. Was zulässig ist, hängt deshalb stark vom Einzel­fall ab. Kritisierende sollten daher unbe­dingt auf Nummer sicher gehen und nichts schreiben, was sie nicht beweisen können. Wer Lügen verbreitet, riskiert schnell seine Anony­mität. Bewertungs­portale müssen unter Umständen auch Nutzer­daten heraus­geben.

Unfaire Behauptungen werden teuer

Hat der Urheber einer unwahren Tatsachenbe­hauptung Glück, löscht das Portal diese einfach. Nicht so glimpf­lich geht die Verbreitung einer Lüge aus, wenn der Betroffene anwalt­lich gegen den Verfasser vorgeht. Alexander Bredereck, Fach­anwalt für Arbeits­recht, sagt: „Der Adressat kann Löschung und Unterlassung verlangen. Die Kosten dafür können die Anwälte beim Verfasser der Behauptung geltend machen. Richtig teuer wird es, wenn es noch zum Prozess kommt.“ Sind dem Bewerteten durch eine unwahre Tatsachenbe­hauptung nach­weislich finanzielle Schäden entstanden, könnte er dafür sogar Schaden­ersatz fordern. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ihm durch eine unwahre Behauptung nach­weislich Kunden ausbleiben und damit der Umsatz sinkt.

Inhalte können sogar strafbar werden

Schlimmer noch als die Behauptung falscher Tatsachen ist die Verbreitung strafbarer Inhalte. Strafbar macht sich beispiels­weise, wer andere beleidigt oder verleumdet.

Beispiel: In Nord­rhein-West­falen hatte ein Auszubildender auf Facebook seinen Arbeit­geber aus der IT-Branche unter anderem als „Menschen­schinder“ und „Ausbeuter“ bezeichnet. Sein Chef kündigte ihm darauf­hin frist­los, wogegen der Azubi klagte. Das Landes­arbeits­gericht Hamm hielt die frist­lose Kündigung nicht nur für gerecht­fertigt, sondern auch den Tatbestand der Beleidigung für erfüllt. Und das, obwohl der Auszubildende seine Firma nicht mal namentlich nannte, sondern lediglich von seinem „Arbeit­geber“ sprach (Az. 3 Sa 644/12).

Wer solche Straftaten begeht, verletzt die Ehre eines anderen. Es handelt sich um sogenannte Antrags­delikte: Nur wenn das Opfer einen Straf­antrag stellt, wird gegen den Beschuldigten strafrecht­lich vorgegangen.

„Hals­abschneider“ ist nicht zulässig

Die grobe Beleidigung des Arbeit­gebers stellt außerdem einen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten dar und recht­fertigt eine außer­ordentliche frist­lose Kündigung. Arbeitnehmer sind zwar berechtigt, Kritik am Arbeit­geber zu äußern, unter Umständen auch über­spitzt. Aber grobe schmähende Angriffe, Beleidigungen oder Lügen muss ein Chef nicht hinnehmen. Der Bundes­gerichts­hof beur­teilte beispiels­weise die Bezeichnung „Hals­abschneider“ für einen Unternehmer in einer Gewerk­schafts­zeitung als Schmähkritik und damit als unzu­lässig (Az. VI ZR 204/74). Von Schmähkritik ist die Rede, wenn es nicht mehr um einen Streit in einer Sache geht, sondern nur noch darum, jemanden lächerlich zu machen oder zu beleidigen. Für zulässig haben die Gerichte dagegen bislang die Bezeichnungen „Dumm­schwätzer“, „Trottel“ und „linke Bazille“ gehalten.

Ärgern im kleinen Kreis geht

Wichtig ist auch, wie viele Leute eine Äußerung hören oder lesen können. Der Azubi aus Bochum hatte beispiels­weise die Angaben über seinen Arbeits­platz in Facebook als öffent­liche Profilangaben für jedermann einsehbar gelassen. Generell gilt, dass die Freiheit der Meinungs­äußerung in einem „geschützten Raum“ – etwa in einem Chat oder einer geschlossenen Facebook-Gruppe – höher bewertet wird als die auf einer Internetpinn­wand oder in öffent­lich gestalteten Profilangaben.

Wie lange war die Kritik zu lesen?

Ausschlag­gebend kann auch sein, über welchen Zeitraum eine beleidigende Äußerung zu lesen ist. Der Auszubildende hatte seine Angaben mehrere Monate öffent­lich einsehbar gelassen. Nach Meinung des Gerichts kann deshalb nicht mehr von einer „augen­blick­lichen, wenn auch heftig über­zogenen Unmuts­äußerung“ die Rede sein.

Aufpassen bei Arbeit­geberbe­wertung

Spezialisierte Bewertungs­portale bieten Beschäftigten die Möglich­keit, anonym ihren Arbeit­geber zu bewerten, etwa Kununu.de. Verbieten dürfen Chefs das nicht.

Arbeitnehmer sollten beim Bewerten aber sehr vorsichtig sein, denn es gelten besondere Regeln. Sie dürfen beispiels­weise keine Betriebs­geheim­nisse verraten oder Loyalitäts­pflichten verletzen. Arbeits­rechtler Bredereck empfiehlt Zurück­haltung: „Das Verständnis von Loyalität geht in Deutsch­land sehr weit, nur wenig Betriebliches darf nach außen getragen werden. Wer seinen Arbeit­geber bewerten will, sollte das nur anonym tun.“ Wer gegen diese Regeln verstößt, kann abge­mahnt werden. Bei besonders drastischen Pflicht­verletzungen droht sogar die frist­lose Kündigung.

Beispiel: Als Betriebs­geheimnis wertetedas Landes­arbeits­gericht Rhein­land-Pfalz unter anderem Lieferanten­daten, die ein Arbeitnehmer an Dritte weiterge­geben hatte. Das hätte er nicht tun dürfen, fand das Gericht und erklärte die frist­lose Kündigung für gerecht­fertigt (Az. 6 Sa 278/11).

Die Devise: Konstruktiv und sachlich

Grund­sätzlich gilt: Niemand muss sich bei gerecht­fertigter Kritik Sorgen machen. Wichtig ist, dass sie fair, sachlich und konstruktiv bleibt. Fair ist beispiels­weise ein Verbesserungs­vorschlag wie „Ich finde, die Deko könnte etwas moderner sein“, aber nicht ein fieser Kommentar wie „Miefiges Restaurant mit altba­ckener Deko“.

Kritik darf grund­sätzlich nicht darauf ausgerichtet sein, dem anderen zu schaden oder sich zu rächen.

Bewertungs­portal muss neutral sein

Recht­liche Auseinander­setzungen gibt es immer wieder um die Rolle der Bewertungs­portale. Das Arzt­bewertungs­portal Jameda konnte vor dem Bundes­gerichts­hof (BGH) durch­setzen, dass Ärzte gegen ihren Willen aufgeführt und bewertet werden dürfen (BGH, Az. VI ZR 358/13). Der Bundes­gerichts­hof weist Bewertungs­portalen die Rolle neutraler Informations­mittler zu. Erst wenn ein Portal diese neutrale Rolle verlässt, kann sich ein Arzt gegen sein Profil wehren. Das tat eine Ärztin, in deren kostenfreies Profil Jameda Werbung für einen anderen Arzt einklinkte, der dafür zahlte (BGH, Az. VI ZR 30/17).

Auch dürfen Portale wie Yelp – wo Kunden etwa Hotels oder Restaurants bewerten – Beiträge auto­matisiert in „empfohlen“ oder „nicht empfohlen“ einstufen. Das entschied im Januar 2020 der BGH. Eine Fitness­studio­betreiberin hatte geklagt, weil sie die Einteilung will­kürlich fand (Az. VI ZR 496/18).

Ärzte bewerten und fair bleiben

Fair bleiben sollten auch Patienten, die ihre Ärzte bewerten. Allerdings dürfen sie einen Arzt namentlich nennen. Das gilt aber nur, wenn es konkret um diese Person geht – und nicht um seine Mitarbeiter.

Erfahrungen dürfen nicht verallgemeinert werden. Wenn eine Ärztin für eine bestimmte Unter­suchung nur wenig Zeit hatte, darf es noch lange nicht heißen: „Doktor Meier nimmt sich keine Zeit für ihre Patienten.“ Das wäre eine Behauptung falscher Tatsachen – und keine faire Kritik.

Quelle und mehr: https://www.test.de/Kommentare-in-sozialen-Medien-Die-Grenzen-der-Meinungsfreiheit-4823680-0/

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