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BaFin – Konferenz zu digitalen Finanztechnologien

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Auf der Konferenz BaFin-Tech im World Conference Center in Bonn haben sich über 400 Besucher mit der Zukunft des Finanzbereiches auseinandergesetzt. Die BaFin hat dazu folgenden Bericht veröffentlicht:

Ob Big Data, künstliche Intelligenz oder Kryptoassets: Digitale Finanztechnologien werden über die Zukunft der Finanzbranche bestimmen. Doch was passiert, wenn Finanzroboter Fehler produzieren?

Der Ort, an dem Felix Hufeld von der Zukunft erzählt, ist voller Erinnerungen an die Vergangenheit. In dem ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages wacht ein übergroßer Bundesadler in Silber an der Stirnwand. Staatstragend präsentiert daneben eine Stafette die Deutschlandflagge. Am 1. Juli 1999, noch zur Zeit der Bonner Republik, trat das Parlament hier am Rhein das letzte Mal zusammen, bevor es nach Berlin zog. Eine politische Zeitenwende.

Nun wird an diesem Ort über eine weitere Zeitenwende diskutiert. Diesmal eine technologische. Felix Hufeld, Präsident der deutschen Finanzaufsicht BaFin, tritt an diesem Morgen an das Rednerpult, um die dritte Auflage der BaFin-Tech im World Conference Center (WCC) zu eröffnen. „Der digitale Wandel in der Finanzbranche ist kräftig genug, um Geschäftsmodelle, Unternehmen und sogar ganze Märkte aus den Angeln zu heben“, sagt Deutschlands oberster Finanzaufseher. Seine Devise: „Nur ein wohlinformierter Aufseher ist ein besserer Aufseher.“

Die BaFin hat an diesem Tag im September geladen, um Chancen und Risiken der Digitalisierung zu beleuchten – und das zum wiederholten Mal. 400 Gäste haben die Gelegenheit genutzt, sich vor allem über die Themen Kryptoassets und künstliche Intelligenz (KI) auszutauschen. Gekommen sind Techvisionäre, Fintech-Gründer, Gesetzgeber, Wissenschaftler ebenso wie Vertreter etablierter Banken, Versicherer und Finanzdienstleister.

Ein Großteil von ihnen gehört der Kryptoszene seit der ersten Stunde an. „Von der philosophisch-anarchistischen Staatsferne, mit der die Anhänger die Notwendigkeit von Kryptowährungen einst begründeten, ist nicht mehr viel zu spüren“, stellt Hufeld fest. Mittlerweile bestimmen regulatorische und technische Detailfragen die Diskussion.

Künstliche Intelligenz: allmächtiger Algorithmus

Die digitale Revolution verspricht Gewaltiges: Allein durch den flächendeckenden Einsatz von künstlicher Intelligenz und Algorithmen, die unaufhörlich dazulernen und selber Probleme lösen, könnte die Finanzbranche nach Prognosen der Unternehmensberatung PwC zwei Billionen US-Dollar zusätzlich zur weltweiten Wirtschaftsleistung beitragen. Dabei rechnet KI schon heute nicht nur Versicherungsbeiträge aus. Mit Algorithmen prüfen Banken und Finanzdienstleister die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden, decken Betrug auf und automatisieren von der Kontoeröffnung bis zur Vermögensverwaltung zahlreiche Geschäftsbereiche.

„Die zunehmende Verdrängung menschlicher Entscheider durch Algorithmen oder andere Ausprägungen künstlicher Intelligenz stellt uns aber auch vor Probleme“, sagt BaFin-Präsident Hufeld. Zum Beispiel seien Versicherer heute schon in der Lage, Vorgänge der Risikobewertung beim Neugeschäft und bei der Schadenbearbeitung ohne menschliche Eingriffe abzuwickeln. Künftig könnten daher noch mehr Prozesse auf den Kollegen Computer übertragen werden. „Was passiert aber, wenn dann etwas schiefläuft und Fehler auftreten? Darf ein Unternehmensvorstand dann sagen: Ich war es nicht, der Algorithmus war es? Ich meine: Nein! Die Letztverantwortung muss beim Management, sprich beim Menschen, bleiben“, mahnt Hufeld. Am Ende entscheide immer noch der Mensch.

Maschinen ersetzen keine Menschen

„Künstliche Intelligenz soll den Menschen nicht ersetzen“, pflichtet Dr. Stefan Rüping bei. Der Leiter des Geschäftsfeldes Big Data Analytics beim Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) weiß: „Probleme zu lösen und Entscheidungen zu treffen bleiben menschliche Kompetenzen.“ Vielmehr gehe es darum, dass Computer Menschen lästige Routinearbeit abnähmen, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Doch den IT-Experten lässt ein Gedanke nicht los. Er hat Algorithmen programmiert, mit dem Ärzte heute Patienten behandeln, oder mit denen autonome Autos auf der Straße unterwegs sind – und fragt sich: „Was ist, wenn Fehler passieren? Wer ist dann schuld?“

Speist man Maschinen mit großen Datenmengen, lernen sie weitere Standardprozesse dazu. Sie werden intelligenter – aber für Dr. Christian Grobe reicht das noch nicht. Für den Co-Gründer von Billie, einem Start-up, das Geschäftskonten für Unternehmen führt und Rechnungen begleicht, fehlt es in Deutschland nicht an KI-Experten mit Methodenkompetenz, sondern an digitaler Infrastruktur: zum Beispiel am Zugang zu Daten aus dem Handelsregister, dem Bundesanzeiger und möglicherweise auch zu Bonitätsauskünften wie Creditreform. Denn nur mit diesen Grundlagendaten sei er in der Lage, Modelle noch besser und Computer noch cleverer zu machen.

„Der Wert von Währungen beruht auf Vertrauen“

Und die Digitalwirtschaft offenbart noch weitere Konfliktfelder. Zuletzt hatten die Pläne des Facebook-Konzerns, die erste stabile Kryptowährung der Welt namens Libra auf den Markt zu bringen, in der gesamten Finanzszene für Aufsehen gesorgt. Anders als bei etablierten Kryptowährungen wie Bitcoin, die auf der Distributed-Ledger-Technologie basieren, handelt es sich bei Libra um einen Stable Coin, deren Wert an einen Korb verschiedener Währungen wie Dollar und Euro gekoppelt werden soll.

Wie sollen Regierungen, Zentralbanker und Finanzaufseher mit dieser Art von Finanzinnovationen künftig umgehen? Dr. Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, pocht auf die Souveränität des Staates. „Währungen gehören in die Hände demokratisch legitimierter Regierungen und Zentralbanken.“ BaFin-Präsident Hufeld hält „die öffentliche Kontrolle über Währungen, deren Wert letzten Endes auf Vertrauen“ beruhe, heute wie in der Zukunft für notwendig. Nur so ließen sich „die Grundlagen aller Finanztransaktionen“ schützen. Vielen Beobachtern stellt sich dabei die Frage: Vielleicht entwickeln Zentralbanken irgendwann ein eigenes digitales Zahlungsmittel, um im weltweiten Machtspiel mitzuhalten?

Die Finanzaufseher der BaFin beobachten die Entwicklung von Kryptoassets schon jetzt genau und reagieren, wo immer es notwendig scheint. Doch gerade im Fall von kryptobasierten Geschäftsmodellen zeigt sich dem BaFin-Präsident zufolge eine „gewisse Ungleichzeitigkeit“. Auf der einen Seite diskutierten Akteure Regulierungsfragen schon sehr im Detail wie im Wertpapierbereich; auf der anderen Seite noch abstrakt, wie das Beispiel Libra deutlich mache.

Miye Kohlhase vom Bundesverband deutscher Banken (BdB) fordert, dass für Wertpapiere in Distributed-Ledger-Technologie-Systemen ein sicherer Rechtsrahmen geschaffen wird, der eine Übertragung dieser Papiere nach klaren Grundsätzen gewährleistet. „Für das Wertpapiergeschäft von morgen muss die Regulierung angepasst werden“, sagt Kohlhase.

BaFin mit weltweitem Vordenkerstatus

Dass die Digitalisierung für die Bundesregierung Priorität habe, erklärt Finanzstaatssekretär Kukies. Seine Maßgabe: „Digital denken und handeln.“ Auch verweist Kukies auf die BaFin-Studie „Big Data trifft auf künstliche Intelligenz“ („Ich habe jede der gut 200 Seiten aufmerksam gelesen.“), mit der die deutsche Finanzaufsicht weltweit ihren Status als Vordenkerin ausgebaut habe.

„Digitale Technologien sind essenziell für einen international wettbewerbsfähigen europäischen Finanzmarkt“, sagt Kukies. Deutschland bleibe seiner Ansicht nach global nur dann wettbewerbsfähig, wenn die Wachstumsfinanzierung hierzulande nach dem Vorbild der USA und Asien vereinfacht werde. Mit Blick auf die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands im kommenden Jahr mache sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für das Projekt der Finanzmarktunion (Kapitalmarkt- und Bankenunion) stark.

Auch die deutsche Finanzaufsicht wird immer digitaler. Wie die BaFin künstliche Intelligenz und Big Data etwa bei internen Prozessen, der Datenauswertung und dem Meldewesen noch stärker nutzen kann, sind Fragen, mit denen sich Silke Deppmeyer beschäftigt, seit Kurzem Chief Digital Officer (CDO) bei der BaFin.

Im laufenden Aufsichtsgeschäft wendet die BaFin schon jetzt zum Teil künstliche Intelligenz an, etwa in der Wertpapieraufsicht, wenn es darum geht, Spekulanten Marktmissbrauch wie Insiderhandel nachzuweisen. Auch bei der Bekämpfung von Finanzkriminalität ist nach Ansicht von Dr. Thorsten Pötzsch der Einsatz von Big Data und Künstlicher Intelligenz ein Muss. Der Exekutivdirektor für Abwicklung und Geldwäscheprävention bei der BaFin warnt: „Versuchen Sie nicht, mit IT Schmu zu machen“, und versichert: „Wir kriegen Euch.“ Denn am Ende entscheidet immer der Mensch.

Quelle: https://www.bafin.de/dok/13003538

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