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ADHS in Schweden: Medikamentenzahl bei Kindern auf Rekordhoch

johnhain (CC0), Pixabay

Die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Schweden, die Medikamente gegen Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) einnehmen, ist erneut gestiegen. Wie aus aktuellen Statistiken der schwedischen Behörde für Gesundheit und Soziales hervorgeht, wurden im vergangenen Jahr mehr als 96.000 junge Menschen medikamentös behandelt – ein Anstieg von rund 10.000 Fällen im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahlen markieren einen neuen Höchststand und werfen Fragen nach Ursachen, gesellschaftlichem Umgang und möglichen Alternativen zur Medikation auf.

Zunahme über Jahre hinweg

Der langfristige Trend zeigt eine stetige Zunahme der medikamentösen Behandlung bei ADHS in Schweden. Während vor gut einem Jahrzehnt die Verordnung von ADHS-Medikamenten noch vergleichsweise selten war, hat sich die Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen seitdem mehr als verdoppelt. Besonders auffällig ist der Anstieg bei Jungen im Schulalter, aber auch bei Mädchen wurden in den letzten Jahren vermehrt Diagnosen gestellt und Medikamente verschrieben.

Frühzeitige Unterstützung statt vorschneller Medikation?

Anne-Katrin Kantzer, Expertin beim Nationalen Amt für Gesundheit und Soziales, weist darauf hin, dass der zunehmende Einsatz von Medikamenten nicht zwangsläufig die einzige oder beste Lösung darstellt. Sie betont, dass insbesondere frühe Maßnahmen im Bildungssystem – etwa pädagogische Anpassungen, individuelle Förderung oder veränderte Unterrichtsformen – dazu beitragen könnten, den Bedarf an Diagnosen und Medikamenten zu reduzieren. „Nicht jedes unruhige oder unkonzentrierte Kind leidet gleich an ADHS“, so Kantzer. Oft könnten Umweltfaktoren, schulische Anforderungen oder familiäre Belastungen das Verhalten beeinflussen.

Medikamente als Hilfe – aber mit Bedacht

In der medizinischen Fachwelt gelten ADHS-Medikamente – insbesondere solche mit dem Wirkstoff Methylphenidat – als wirksam bei der Reduzierung von Kernsymptomen wie Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität. Gleichzeitig mahnen Experten jedoch zu einem sorgfältigen Umgang mit Diagnosen und einer kritischen Prüfung alternativer Hilfsangebote, bevor eine medikamentöse Behandlung begonnen wird. Denn auch wenn Medikamente den Alltag vieler Betroffener spürbar erleichtern können, sind Nebenwirkungen wie Schlafprobleme, Appetitlosigkeit oder emotionale Veränderungen nicht auszuschließen.

Ursachen des Anstiegs: Gesellschaftlicher Wandel?

Die Ursachen für den deutlichen Anstieg sind vielschichtig. Neben einer verbesserten Diagnostik und zunehmender gesellschaftlicher Akzeptanz für psychische Erkrankungen nennen Experten auch veränderte Leistungsanforderungen in Schulen, gestiegenen Druck auf Kinder sowie eine höhere Sensibilität von Eltern und Lehrkräften für auffälliges Verhalten. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass die Toleranzgrenze für impulsives oder unruhiges Verhalten bei Kindern teilweise sinkt – was in manchen Fällen zu vorschnellen Diagnosen führen kann.

Ausblick und Debatte

Die aktuellen Zahlen rufen nicht nur Mediziner und Pädagogen auf den Plan, sondern auch die schwedische Öffentlichkeit. In Talkshows, Zeitungen und sozialen Netzwerken wird zunehmend über die Frage diskutiert, wie Kinder mit besonderen Bedürfnissen besser unterstützt werden können – ohne vorschnell zur Tablette zu greifen.

Anne-Katrin Kantzer fasst zusammen: „Es geht nicht darum, ADHS kleinzureden oder Medikamente grundsätzlich abzulehnen – aber wir müssen als Gesellschaft genau hinschauen, warum so viele Kinder auf Medikamente angewiesen sind und wie wir sie besser begleiten können.“

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