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Lob und Detailkritik für Datenstrategie der Bundesregierung

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Bundesregierung | © scholty1970 (CC0), Pixabay

Ausschuss Digitale Agenda/Anhörung – 25.02.2021 (hib 243/2021)

Berlin: (hib/LBR) Der Ausschuss Digitale Agenda hat sich am Mittwoch in einer öffentlichen Anhörung mit der Datenstrategie der Bundesregierung (19/2645019/16075) sowie einem Antrag der FDP-Fraktion zur Datenpolitik (19/26538) befasst. Viel Lob gab es von den sieben Sachverständigen für die Grundrichtung der Strategie, aber auch Detailkritik, vor allem an den konkreten Maßnahmen.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Ulrich Kelber (SPD), sagte, die Vorlage schaffe Orientierungspunkte für Bürger, die Bilanz falle jedoch gemischt aus. Positiv sei das Bekenntnis zu Datenschutz und Selbstbestimmung, andererseits kämen beide Punkte im Maßnahmenkatalog zu kurz. Der Verweis auf das „Unberührtbleiben“ der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) angesichts der Dimension der geplanten Handelbarkeit von Daten erscheine ihm nicht zutreffend, denn die Veränderung erschließe sich erst aus der Zusammenschau mit dem Gesamtpaket an Maßnahmen auf europäischer Ebene, sagte Kelber. Er verwies darauf, dass der gesetzliche regulatorische Rahmen, auch für die vorliegende Datenstrategie, im Wesentlichen aus Brüssel komme.

Die Sachverständige Louisa Specht-Riemenschneider (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn) sagte, dass „die Grundrichtung der Strategie“ stimme und es wichtige Problemidentifikationen gegeben habe. Es mangele jedoch an einer Problemlösungsstrategie. Sie betonte, Datenzugangsansprüche sollten nicht horizontal, sondern grundsätzlich sektorspezifisch und auf Grundlage des tatsächlichen Bedarfs vorgesehen werden. Daneben brauche es auch zweckgebunden intersektorale Datenzugangsansprüche für die Wissenschaft. Datentreuhandlösungen nannte sie „die zentrale Einheit zur Lösung einer Reihe von Problemen in der Datenwirtschaft und -forschung“. So könnten diese eine wesentliche Rolle etwa für das Trainieren Künstlicher Intelligenzen mit geteilten Daten oder bei der Anonymisierung und Pseudonymisierung von Datenbeständen einnehmen.

Ausdrückliches Lob für die Strategie kam von Dirk Heckmann (TUM School of Governance München): „Ich halte die Strategie für sehr gelungen und angemessen konkret“, sagte Heckmann. Zu den Stärken zähle die Ausgewogenheit der strategischen Ziele. Er lobte auch, dass der dringende Forschungsbedarf erkannt wurde. Die Strategie erkenne zudem „auf allen Ebenen“ die Herausforderungen für Sachdaten. So sei die Nutzung personenbezogener Daten zu gemeinwohlorientierten Zwecken wie etwa der Forschung oder der Pandemiebekämpfung nicht ausgeschlossen wenn Datenschutz durch Technikgestaltung gegeben sei.

Auch Aline Blankertz von der Stiftung Neue Verantwortung begrüßte die Strategie, bemängelte aber, dass es sich nicht um eine Strategie handele, die einen Rahmen setze: „Sie listet 234 Maßnahmen auf, von denen 62 Prozent bereits laufen“, sagte Blankertz. Besonders ausgeprägt sei dies in den ersten drei Themenbereichen der Strategie. Für die Zielsetzung einer Dateninfrastruktur bedürfe es jedoch messbarer Ziele. Im Hinblick auf Möglichkeiten für Verbraucher brauche es Werkzeuge, damit Interessen auch durchgesetzt werden könnten. Dies betreffe etwa Datentreuhandmodelle, die noch stärker gefördert werden sollten. Sie begrüßte zudem das Nutzbarmachen von Daten – ohne vertrauliche Elemente preiszugeben – als wichtigen Forschungsbereich.

Frederick Richter von der Stiftung Datenschutz betonte, dass Datennutzung auch Datenverantwortung sei. Vordringlichstes Ziel müsse Klarheit im Bereich der Anonymisierung sein. Er befürwortete, dass die Datenkompetenz weiter ausgebaut werden soll. Dies sei die Grundlage für einen bewussten Umgang durch wirtschaftliche Akteure, aber auch Nutzer. Er begrüße außerdem, dass sich die Bundesregierung gegen die Schaffung eines „Dateneigentums“ ausgesprochen habe. Ein solches Verfügungsrecht an Daten sei nicht kompatibel mit dem europäischen Datenschutzregime. Mit Blick auf die angestrebte neuen Datennutzungskultur sagte Richter: „Aus meiner Sicht ist dies eine Verbindung aus der Datenschutzkultur, die wir schon lange haben und einer Datennutzungskultur, die noch etwas angefeuert werden muss.“

Henriette Litta (Open Knowledge Foundation Deutschland) betonte, dass die Strategie wirtschaftliche Innovationskraft und Datenschutz nicht gegeneinanderstelle. Es gebe jedoch ein Ungleichgewicht zwischen Wirtschaft und Gemeinwohl; so würden wirtschaftliche Aspekte überbetont, der Umgang mit Daten aus nicht-wirtschaftlicher Sicht jedoch wenig beleuchtet. Um die digitale Souveränität zu stärken, brauche es eine nachhaltige Förderung von Open-Source-Infrastruktur, sagte Litta. Dem Open-Source-Ökosystem in Deutschland fehlten gezielt Investitionen, besonders im Bereich der offenen Basistechnologien, etwa bei Protokollen oder Code-Bibliotheken. Die Zivilgesellschaft müsse zudem als kompetenter Partner begriffen werden. Um den Staat wirklich zu einem Vorreiter zu machen, brauche es eine Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsgesetzes zu einem Transparenzgesetz, sagte sie.

Den Blick auf Chancen und Risiken richtete Lina Ehrig (Verbraucherzentrale Bundesverband): „Moderne Formen der Datenverarbeitung können einen großen Gewinn darstellen und Lösungen für gesellschaftliche Probleme bieten“, sagte sie. Die Strategie suche daher nach Wegen, die Chancen der Digitalisierung durch die Förderung der Datennutzung zu realisieren und gleichzeitig die Schutzbedürftigkeit zu sichern. Bedauerlich sei, dass die aufgeführten Maßnahmen aus Verbrauchersicht „eher enttäuschend“ ausfielen, sagte Ehrig. Es seien Vorhaben aufgeführt, die ohnehin praktisch umgesetzt werden müssten, viele Prüfaufträge angekündigt und unverbindliche Absichtserklärungen und Forschungsvorhaben genannt. Der Charakter der Verbindlichkeit fehle. Nötig sei dies etwa bei verpflichtenden Regeln für Nachvollziehbarkeit-by-Design, damit Entscheidungskriterien und -logiken algorithmischer Systeme nachvollziehbar seien.

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