Start Justiz Musterverfahren gegen DB AG u.a. – Beschluss des Kammergerichts Berlin

Musterverfahren gegen DB AG u.a. – Beschluss des Kammergerichts Berlin

429

Kammergericht Berlin

Beschluss

Geschäftsnummer:
4 Kap 1/16
4 OH 2/15 KapMuG Landgericht Berlin

In dem Musterverfahren

Stinner ./. DB Privat- und Firmenkundenbank AG u.a.

hat der 4. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Eißholzstraße 30-33, 10781 Berlin, am. 17. September 2019 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Sprockhoff, die Richterin am Kammergericht Rosseck und die Richterin am Kammergericht Jorcke-Kaßner beschlossen:

Dem Musterklägervertreter wird für das erstinstanzliche Musterverfahren auf seinen Antrag ‚hin nach § 41 a RVG eine besondere Gebühr in Höhe von 0,2 bei einem Gegenstandswert von bis zu 5.900.000,00 EUR nach § 13 Abs. 1 RVG bewilligt.

Gründe:

Dem Musterklägervertreter war auf seinen Antrag vom 22. August 2019 und nach Anhörung der Musterbeklagten und der Beigeladenen eine besondere Gebühr für das Musterverfahren nach einem Gebührensatz von 0,2 gemäß § 13 Abs. 1 RVG zu bewilligen. Die Voraussetzungen für die beantragte Bewilligung einer besonderen Gebühr für das Musterverfahren liegen vor. Der Höhe nach war der Ansatz einer 0,2-Gebühr nach § 13 Abs. 1 RVG angemessen.

1. Nach § 41 a Abs. 1 RVG kann das Oberlandesgericht für das erstinstanzliche Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz dem Rechtsanwalt, der den Musterkläger vertritt, auf Antrag eine besondere Gebühr bewilligen, wenn sein Aufwand im Vergleich zu dem Aufwand der Vertreter der beigeladenen Kläger höher ist. Diese Voraussetzung liegt hier vor.

Bis zur Einführung des § 41 a RVG erhielt der Musterklägervertreter keine gesonderte Gebühr für das Musterverfahren, da das erstinstanzliche Verfahren und der erste Rechtszug des Musterverfahrens nach § 16 Nr. 13 RVG dieselbe Angelegenheit bilden. Der Musterklägervertreter wird für den zusätzlichen Arbeitsaufwand, der mit dem Musterverfahren verbunden ist, daher grundsätzlich nicht gesondert vergütet, und zwar auch dann nicht, wenn sich die übrigen Kläger der ausgesetzten Ausgangsverfahren (die Beigeladenen) selbst kaum aktiv an dem Musterverfahren beteiligen und die Prozessführung dem Musterklägervertreter überlassen. Dem Gesetzgeber erschien es daher angemessen, dem Musterklägervertreter eine zusätzliche Vergütung zukommen zu lassen, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Tätigkeit des Musterklägervertreters grundsätzlich allen Beigeladenen zugutekommt (Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl. 2017, § 41a Rn. 1 f.; Kroiß in Maier/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, § 41a Rn. 1 f.).

Die Bewilligung der besonderen Gebühr setzt nach § 41 a Abs. 1 Satz 1 RVG nur voraus, dass der Aufwand, der dem Musterklägervertreter für das Betreiben des Musterverfahrens entsteht, im Vergleich zu dem Aufwand der Vertretung der beigeladenen Kläger höher ist. Dabei ist für die Bewilligung der Gebühr (dem Grunde nach) unerheblich, ob und inwieweit die Tätigkeit des Musterklägervertreters im erstinstanzlichen Musterverfahren objektiv aufwändig ist oder nicht. Für die Bewilligung der besonderen Gebühr ist vielmehr allein darauf abzustellen, ob der tatsächliche Aufwand unabhängig von seinem abstrakten Umfang höher (als derjenige der Beigeladenen-Vertreter) ist (Klos in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2.‘ Aufl. § 41 a Rn. 6; Pankatz in Riedel/Sußbauer, RVG, 10: Aufl. 2015, § 41 a Rn. 8; Hartmann, Kostengesetze, 48. Aufl. 2018, § 41 a RVG Rn. 8; vgl. ferner Kruis in Kölner Kommentar zum KapMuG, RVG Rn. 9).

Danach scheidet die Bewilligung einer besonderen Gebühr aus, wenn sich die Vertreter der Beigeladenen in gleicher Weise an dem Musterverfahren beteiligen, wie der Musterklägervertreter (Klos in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. § 41 a Rn. 6; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., 2017, § 41a Rn. 4). Hat der Musterklägervertreter hingegen im Vergleich zu den Vertretern der Beigeladenen einen objektiv höheren Aufwand, entspricht es grundsätzlich billigem Ermessen, dem Musterkläger eine besondere Gebühr nach § 41 a Abs. 1 RVG zu bewilligen (Kroiß in Maier/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, § 41a Rn. 6; Hartmann. Kostengesetze, 48. Aufl. 2018, RVG § 41a Rn. 16). So liegt es hier, so dass der Zusatzaufwand des Musterklägervertreters gesondert zu vergüten ist.

2. Der Höhe nach ist die besondere Gebühr nach § 41 a RVG gemäß § 41 a Abs. 1 Satz 3 RVG auf einen Gebührensatz von 0,3 begrenzt. Innerhalb dieses Rahmens ist ein angemessener Gebührensatz zu bestimmen, wobei die Gebühr auch geringer als der im Gesetz vorgesehene Höchstsatz ausfallen kann (Kruis in Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl. RVG Rn. 11). Bemessungskriterien für die Höhe des Gebührensatzes sind nach § 41 Abs. 1 Satz 2 RVG der tatsächliche Mehraufwand sowie der Vorteil und die Bedeutung der Tätigkeit des Musterklägervertreters für die beigeladenen Kläger.

a) Vorliegend waren im Rahmen des Musterverfahrens teils Rechtsfragen zu beantworten, die eine besondere Sachkunde des Musterklägervertreters erforderten und zeichnete sich die bei der Bearbeitung des Musterverfahrens zu entfaltende Tätigkeit durch einen nicht zu vernachlässigenden Umfang aus, auch wenn dieser durch eine stringentere Darstellung der für die Begründung der einzelnen Feststellungsziele maßgeblichen Tatsachen und Rechtsfragen durchaus geringer hätte ausfallen können (vgl. hierzu Kruis in Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl., RVG Rn. 10).

b) Die Tätigkeit des Musterklagervertreters ist für die beigeladenen Kläger ferner unabhängig vom Verfahrensausgang (vgl. hierzu Kruis in Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl., RVG Rn. 15) schon deshalb vorteilhaft, weil dem Musterkläger verfahrensrechtlich gegenüber den Beigeladenen abweichende Pflichten auferlegt werden, deren Erfüllung die Beigeladenen entlastet (Klos in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl., § 41a Rn. 10).

c) Schließlich machte die Forderung der Musterklägerin, die im Ausgangsverfahren einen Betrag in Höhe von 14.537,05 EUR geltend gemacht hat, im Verhältnis zu den insgesamt auf die beigeladenen Kläger entfallenden Forderungen einen untergeordneten Anteil aus. Ist der Anteil des Musterklägers gemessen am Gesamtgegenstandswert – wie hier – eher gering, so kommt seinem Beitrag zum Musterverfahren für die beigeladenen Kläger eine besondere Bedeutung zu (Klos in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl., § 41a Rn. 10; a.A. Kruis in Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl., RVG Rn. 13).

In der gebotenen Gesamtschau der genannten Abwägungskriterien ist es angemessen, dem Musterklägervertreter eine besondere Gebühr nach einem Gebührensatz von 0,2 zu bewilligen, wobei sich der zugleich festgesetzte Verfahrenswert für die Rechtsanwaltsgebühr (vgl. hierzu Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., § 41a Rn. 21; Kruis in Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl., RVG Rn. 21) aus der Summe der Einzelforderungen der Beigeladenen zusammensetzt, die an dem Musterverfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung beteiligt gewesen sind.

 

Dr. Sprockhoff Rosseck Jorcke-Kaßner

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