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Derivest und die Kündigung von Nachrangdarlehen

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1. Kündigung von Nachrangdarlehen – Muss man bis 2018 abwarten?

Die im Jahre 2009 gegründete Derivest GmbH aus Marktredwitz verwaltet(e?) eigenes Vermögen mit den über Nachrangdarlehen von Anlegern eingeworbenen Geldern. Tut sie dies immer noch?

Unklar ist nun, wer Vertragspartner der gekündigten Nachrangdarlehen ist, weil die Derivest GmbH als ursprüngliche Vertragspartnerin und kündigende Gesellschaft im Jahre 2016 umgewandelt wurde in die Derivest Verwaltungsgesellschaft.

Wer stellt denn nun die Zahlungen in Aussicht? Bleibt es bei der Derivest GmbH oder erfolgt dies über die neue Gesellschaft? Wo überhaupt und bei welcher der beiden Gesellschaften sind Ende 2018 eventuelle Vermögenswerte?

Diese Fragen beantwortete das Kündigungsschreiben wohl nicht. Die Fragen bleiben offen und werden auch in diesem Artikel nicht beantwortet werden können.

Aber muss man als Anleger so lange warten, wie es wohl zurzeit viele meinen zu müssen? Oder gibt es schon jetzt Handlungsalternativen für die wachen Anleger?

2. Nachrangdarlehen mal anders erklärt!

Bei den Nachrangdarlehen handelt es sich nicht um eigentliche Darlehen, deren Rückzahlung sicher ist. Sonst wären es genehmigungspflichtige Einlagen. Nachrangdarlehen begründen keine unbedingten Rückzahlungsansprüche zugunsten der Darlehensgeber. Man kann die Rechte der Anleger wirtschaftlich eher als Rückzahlungswünsche bezeichnen. Denn rechtlich sind die Rückzahlungsbedingungen zum Nachteil der Anleger so konzipiert, dass sie eher ausgehöhlten Ansprüchen gleichen und im Ergebnis häufig leerlaufen.

Würde man dies in den vertraglichen Bedingungen so fassen, würde kein Anleger mehr Nachrangdarlehen zeichnen. Stattdessen findet man dort Formulierungen, dass durch den Rückzahlungsanspruch keine Insolvenz der Gesellschaft ausgelöst werden darf und in der Insolvenz die Forderung der Nachranggläubiger im Ergebnis an der Insolvenzmasse nicht beteiligt ist.

Was dabei zu dem oben Gesagten noch regelmäßig an Erläuterung für den Anleger fehlt, ist Folgendes:

Die Rückzahlungswünsche der Anleger werden erst berücksichtigt, wenn alle anderen Verbindlichkeiten der Gesellschaft bedient sind. Das kann vielfältige Ursachen haben. Das bedeutet, dass alle prospektierten Kostenpositionen und während der Vertragszeit von der Gesellschaft eingegangene, weitere sinnvolle oder unnütze Verbindlichkeiten vor den Ansprüchen der Anleger bedient werden dürfen und müssen.

Wenn dann noch Gelder übrig sind, werden dann erst daraus Forderungen (Wünsche) der Anleger berücksichtigt. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Rückzahlungsansprüche der Nachranggläubiger oder Anleger nicht nur nachrangig sind, sondern tatsächlich eher letztrangig. Sicherheiten für die Rückzahlung gibt es im Ergebnis keine.

3. Kündigung Nachrangdarlehen – Vermögensgefährdung?

Im April 2017 haben die Verantwortlichen der Derivest GmbH die Nachrangdarlehen gekündigt, allerdings ohne Rückzahlung des Kapitals an die Anleger. Die Derivest GmbH stellte den Anlegern eine Rückzahlung bis Ende 2018 in Aussicht. Ist diese Aussicht noch weniger wert als ein Nachrangdarlehen?

Man könnte dies eventuell unter dem Gesichtspunkt einer Vermögensgefährdung i.S.d. § 263 StGB prüfen.

Regelmäßig liegt ein Eingehungsbetrug in Form der Vermögensgefährdung vor, wenn ein Vergleich der wechselseitigen Pflichten zu einer Schadensfeststellung führt. Das ist der Fall, wenn aus Sicht eines objektiven Betrachters der vom Getäuschten erworbene Anspruch wirtschaftlich hinter den von ihm übernommenen Verpflichtungen zurückbleibt. Das ist der Fall, wenn der Anleger durch eine Vereinbarung mit der Gesellschaft weniger erhält als die Gesellschaft.

Die Gesellschaft hat demnach eine Rückzahlungspflicht. Diese bleibt beim Anleger bis auf Weiteres unerfüllt. Eine Rückzahlung der eingezahlten Gelder wird nur ungewiss bis Ende 2018 in Aussicht gestellt. Dabei können persönliche Bedürfnisse und individuelle Verhältnisse des Betroffenen in die Beurteilung als persönlicher Schadenseinschlag einbezogen werden. Neben dem beschriebenen Negativsaldo kann in die Prüfung eines Eingehungsbetrugs auch Berücksichtigung finden, ob der Versprechende leistungsunfähig oder/ und leistungsunwillig ist. Es ist fraglich, ob man die Kündigung ohne Rückzahlung schon so verstehen kann. Leistungsfähigkeit könnte dokumentiert werden, wenn seitens der Derivest-Verantwortlichen dargelegt wird, ob und in welchem Umfang denn mit Anlegergeldern Werte angeschafft wurden.

Dazu aber fehlt es an Information zumindest in dem Kündigungsschreiben.

Hinsichtlich der Annahme einer schadensgleichen Vermögensgefährdung wird vielfach auf die Begriffe der hohen Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, das Naheliegen wirtschaftlicher Nachteile oder das ernstliche Damit-rechnen-müssen abgestellt (BGHSt 21,11 2,113; 34,394,395; BGH NS TZ 2004,264,265).

Das Bundesverfassungsgericht hat 2010 (BVerfGer. 12 6,170) und 2011 (BVerfGer. 130, 1,42 ff.) die Verfassungsmäßigkeit der Figur der Vermögensgefährdung bestätigt. Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, kann jeder selbst versuchen zu prüfen oder anwaltlichen Rat einholen.

Im Kapitalmarktrecht gilt eine Redewendung für Anleger besonders: „Die Hoffnung stirbt zum Schluss, wenn man zu lange wartet.“

Der Grund für die Kündigung, so wird in dem entsprechenden Schreiben dargelegt, sei ein erhöhtes Kündigungsaufkommen. Für dessen Erfüllung soll erst dann genügend Liquidität vorhanden sein, wenn breitgestreute Investments aufgelöst werden. Um welche Investments es sich dabei handelt und ob es überhaupt welche gibt, lässt sich dem Schreiben nicht entnehmen. Wie man ebenfalls liest, ermittelt die Staatsanwaltschaft angeblich gegen Verantwortliche.

4. Muss man so lange warten, bis die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen abgeschlossen hat und man erst dann Akteneinsicht bekommt?

Bis hier die Grundlagen geklärt sind und feststeht, ob strafbare Handlungen auch Schadensersatzansprüche auslösen können oder nicht, besteht weiterhin die Möglichkeit, dass die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse von den Verantwortlichen weiterhin gestaltet werden. Ob sich diese möglichen Gestaltungen zu Gunsten oder zum Nachteil der Anleger auswirken, ist zurzeit nicht feststellbar. Betroffene Anleger sollten daher die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zunächst auf Basis der Situation zum Zeitpunkt der Vermittlung der Vermögensanlage prüfen lassen. Dabei ist vielleicht noch nicht unbedingt an die Gefahr der Verjährung zu denken.

Bei anwaltlicher Beratung müsste wohl berücksichtigt werden, dass eine Vermögensgefährdung dann keinen Schaden darstellt, wenn dem Getäuschten noch vor endgültigem Schadenseintritt Verhinderungsmöglichkeiten zustehen, weil es noch die Möglichkeit auf eine Zug-um-Zug-Einrede nach § 320 BGB und Widerrufsrechte nach den §§ 312, 355 ff BGB gibt, oder der Anleger sich noch anders vom Vertrag lösen kann (BGH NStZ 2009, 150, 151).

Nach Auffassung der Kanzlei Hogrefe gibt es bereits hier Anhaltspunkte zur möglichen Schadensvermeidung sowie Rückabwicklungs- und Schadensersatzansprüche. Betroffene Anleger sollten sich deshalb mit einem für Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Anwalt in Verbindung setzen, um sich zu informieren.

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