Start Allgemein Immobilienkredite

Immobilienkredite

125

Neun von zehn Immobilienkreditverträgen enthalten Widerrufsbelehrungen, die den gesetzlichen Anforderungen nicht standhalten. Fehlerhafte Widerrufsbelehrungen haben zumeist zur Folge, dass die Verträge auch Jahre nach Abschluss noch widerrufen werden können. Diese Möglichkeit eröffnet dem Verbraucher eine gute Verhandlungsposition für eine Senkung der Vorfälligkeitsentschädigung oder gar Rückabwicklung des Vertrages. Der Zinsvorteil beläuft sich dann für den Verbraucher auf mehrere Prozentpunkte pro Jahr, was mehrere Zigtausend Euro ausmachen kann.
Potentiell betroffen sind mehrere Millionen Kreditverträge. Bei den Verbraucherzentralen und bei Anwaltskanzleien sind aber bisher erst schätzungsweise 100.000 bis 200.000 Verträge geprüft worden. Es schlummern also noch viele Verträge in Ordnern und Schubladen der Verbraucher.

Was bewirken fehlerhafte Widerrufsbelehrungen?

Fehlerhafte Widerrufsbelehrungen in Immobiliendarlehen geben vielen Verbrauchern die Möglichkeit, noch viele Jahre nach Vertragsschluss einen Kredit vorzeitig aufzulösen. Denn: Ist die Widerrufsbelehrung falsch, startet die Widerrufsfrist nicht. Der Widerruf des Kreditvertrags kann also jederzeit erklärt werden.

Davon profitieren all jene, die nach der Kündigung ihres Immobilien­darlehens eine Vorfälligkeits­entschädigung zahlen mussten oder noch sollen. Sie müssen nicht kündigen, sondern können den Kreditvertrag einfach widerrufen und sparen so die Vorfälligkeitsentschädigung, die im europäischen Vergleich in Deutschland überdurch­schnittlich hoch ist. Erfreulich könnte es auch für Kunden sein, die 2002 und später einen Immobilienkredit abgeschlossen haben und angesichts der niedrigen Zinsen gern in einen günstigeren Kredit umschulden möchten. Damit schlägt das Pendel bei der Ausgestaltung und Abwicklung von Immobiliendarlehen endlich auch einmal in Richtung Verbraucher aus. Allerdings werden die Finanzinstitute − gerade im Falle einer Umschuldung − den Kundenforderungen nicht ohne weiteres nachkommen. Betroffene werden oft einen Anwalt brauchen, um ihre Ansprüche durchzusetzen.

Was ist bei den Widerrufsbelehrungen zu beanstanden?

Oft informieren Banken und Sparkassen in den Belehrungen nicht richtig über den Beginn der Widerrufsfrist, oder es fehlen entscheidende Hinweise, insbesondere zu den Rechtsfolgen eines Widerrufs. Teilweise finden sich auch ergänzende Formulierungen, die für Sie als Kreditnehmer verwirrend und unverständlich sind. Darüber hinaus werden oft keine Anschriften genannt, obwohl ein Telefonanruf für einen wirksamen Widerruf in Textform nicht ausreichend ist.

Neun von zehn Immobilienkreditverträgen enthalten fehlerhafte Widerrufsbelehrungen. Das ist das Ergebnis unserer aktuellen Auswertung von 1.509 Darlehensverträgen. Bei 159 Verträgen, also 10,5 Prozent, war die Belehrung in Ordnung, in 1.350 Fällen, also 89,5 Prozent, fanden wir Mängel, etwa fehlende Informationen über den Beginn der Widerrufsfrist oder die Folgen des Widerrufs. Erst bei Darlehen ab 2010 waren die Widerrrufsbelehrungen nach dem Ergebnis unserer Prüfung weitgehend fehlerfrei.

Bei unserer Erhebung vom Juni 2014 hatten wir fast 80 Prozent der uns vorliegenden Immobiliendarlehensverträge wegen falscher Widerrufsbelehrungen beanstandet. Fast die Hälfte der Belehrungen war so fehlerhaft, dass Verbraucher sehr gute Aussichten hatten, ihre Forderungen erfolgreich vor Gericht durchzusetzen.

Worüber lässt sich mit Kreditinstituten verhandeln?

Allein mit der Feststellung der rechtlichen Angreifbarkeit ist der Anspruch des Kunden keineswegs durchgesetzt. Die Kreditinstitute reagieren sehr unterschiedlich. Von Schweigen über Widerstand bis zu Kulanz ist alles dabei. Oft einigen sich Kreditnehmer und Kreditgeber ohne Prozess, indem Immobiliendarlehen vorzeitig aufgelöst, Vorfälligkeitsentschädigungen reduziert oder neue Kreditverträge mit günstigerem Zinssatz geschlossen werden. Auch bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigungen können im Falle fehlerhafter Belehrung durch einen nachträglichen Wiederruf herausgefordert werden.

Vor allem kleinere Kreditinstitute suchen das persönliche Gespräch und zeigen sich vergleichsbereit. Das ist nicht verwunderlich, denn die Widerrufsbelehrungen in Verträgen von Volksbanken und Sparkassen weisen häufig eklatante Fehler auf. Bei diesen Kreditinstituten sind die Verhandlungschancen für Verbraucher besonders gut. Das zeigen auch unsere Beispiele:

  • Herr van W. informierte uns Anfang März 2015 nach unserer Beurteilung über den Fortgang seiner Angelegenheiten: Nachdem wir die VOBA_Mittelhessen im November 2014 angeschrieben haben, haben sie uns Anfang Dez. 2014 ein Vergleichsangebot von 2,27%  (eff.) gemacht bei einer Laufzeit von 10 Jahren (alt 4,3%). Dieses Angebot haben wir nicht angenommen und einen Anwalt eingeschaltet. Nach einem kurzen Schriftverkehr haben wir uns dann auf 1,95% eff. geeinigt. Damit sind wir sehr zufrieden.“
  • Frau R. und Herr L. schreiben uns Ende Januar 2015, dass sie sich „Anfang Januar 2015 mit der Bank in Verbindung gesetzt und sehr schnell – ohne tatsächlichen Widerruf des bestehenden Vertrages – neue Konditionen angeboten bekommenhaben.
  • Frau L. hat sich bei uns zu ihrem Darlehen bei der Volksbank beraten lassen. Im Januar 2015 schreibt sie uns per E-Mail: „Es hat geklappt! Der zuständige Bänker hat uns nach einwöchiger Pause auf einmal angerufen und uns aus dem Darlehen mitsofortiger Wirkung rausgelassen! (…) Ganz herzlichen Dank für Ihre Bemühungen!“
  • Herr L. schreibt uns Ende September 2014: „Eigentlich wäre unsere Zinsbindung (Anm. d. Red. ca. 200.000 Euro mit 4,4 %) erst im April 2019 ausgelaufen. Uns wurde (wegen der fehlerhaften Widerrufs­klausel) ein neues Angebot über 2,24 % für 10 Jahre angeboten. Der Vertrag ist unterschrieben und die neue Finanzierung beginnt Mitte Oktober. (…) Sie sehen, bei uns hat sich das so richtig gelohnt und wir möchten uns auch bei Ihnen noch einmal herzlich bedanken.
  • Herr und Frau H. teilen uns mit, dass sie nach mehreren Gesprächen mit ihrem zuständigen Bankberater und einer schriftlichen Stellungnahme bei ihrer Bank endlich etwas bewirken können. Das Kreditinstitut zahlt über 10.000 Euro für bereits einbehaltene Vorfälligkeitsentschädigungen zweier Immobilienkredite zurück.„Vielen Dank für Ihren Topservice! Es ist gut, dass es die Verbraucherzentralen gibt und hier jedem „Unwissenden” geholfen wird.“
  • Herr P. vereinbarte im September 2014 mit seinem Baufinanzierer, dass er nur noch 2,7 statt 4,49 Prozent effektiven Jahreszins für sein Immobiliendarlehen berappen muss. Damit spart er – Sonder­tilgungen ausgenommen – knapp 70.000 Euro und hat eine reele Chance, sein Eigenheim innerhalb der Zinsbindungsfrist von 15 Jahren abzuzahlen.
  • Herr F. muss im Mai 2014 für sein vorzeitig gekündigtes Immobiliendarlehen nur noch 2.223 Euro statt 5.262 Euro an die Sparda-Bank zahlen.
  • Herr S. erhielt im März 2014 ein Angebot von der BHW Bausparkasse, in dem stand, dass sein aktueller Immobilienkredit aufgelöst würde, ohne dass er die hierfür ursprünglich geforderte Vorfälligkeitsentschädigung von 57.000 Euro zahlen müsse, und dass er einen neuen Vertrag mit einem Zinssatz von 2,55 Prozent abschließen könnte.
  • Herr P. konnte im März 2014 seinen teuren Immobilienkredit ohne jegliche Kosten vier Jahre früher ablösen.
  • Im Februar 2014 erstattete die ING-Diba Frau S. mit 3.974 Euro die Hälfte der von ihr geleisteten Vorfälligkeitsentschädigung.
  • Die Eheleute R. schuldeten im Dezember 2013 ein altes Immobiliendarlehen in einen neuen Vertrag um und sparen so in den kommenden sieben Jahren monatlich 362,50 Euro.
  • Frau A. konnte ihren alten Vertrag im Oktober 2013 ohne irgendwelche Kosten aufheben und die Restsumme des Immobiliendarlehens ganz unbürokratisch mit dem aktuellen Zinssatz verzinsen.

Quelle:VZ Hamburg

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein