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Trügerische Sicherheit: Was die Abwertung offener Immobilienfonds für Anleger bedeutet

geralt (CC0), Pixabay

Ein Blick hinter die Kulissen eines wankenden Marktes – Chancen, Risiken und was Anleger jetzt wissen müssen.

Lange Zeit galten offene Immobilienfonds als Inbegriff solider Geldanlage: verlässlich, wertstabil und mit einem stetigen Ertrag durch Mieteinnahmen untermauert. Doch in jüngster Zeit ist das Fundament dieser Hoffnung ins Wanken geraten. Die angespannte Lage am Immobilienmarkt zwingt viele Fondsgesellschaften zur Neubewertung ihrer Portfolios – und das mit teils drastischen Folgen für Anleger:innen.

Besonders deutlich wurde dies im Sommer 2024: Die Fondsgesellschaft Union Investment setzte den Anteilspreis ihres bekannten Fonds „UniImmo: Wohnen ZBI“ um satte 17 Prozent herab. Ein Schock für viele Anleger:innen, die auf ein beständiges Wachstum ihrer Einlage vertraut hatten. Doch Union Investment ist kein Einzelfall. Auch der Fonds „Leading Cities Invest“ von Kanam Grund und andere Gesellschaften mussten nachziehen. Die Unsicherheit greift um sich, und mit ihr wächst die Sorge vieler Depotinhaber.

Was tun mit den eigenen Fondsanteilen?

Wer jetzt Anteile offener Immobilienfonds hält, steht vor einer komplexen Entscheidung: Abstoßen oder halten? Ein Verkauf an der Börse ist jederzeit möglich, bringt jedoch häufig erhebliche Abschläge mit sich. Denn Börsenpreise liegen oft deutlich unter dem offiziellen Rücknahmepreis – mitunter bis zu 20 Prozent darunter.

Wer hingegen kündigt und die Anteile über die Fondsgesellschaft zurückgibt, muss sich auf eine Wartezeit einstellen: Die übliche Mindesthaltefrist beträgt zwei Jahre, die Rückgabefrist zwölf Monate. Bis zur endgültigen Abrechnung können sich Marktwerte weiter verändern – zum Guten wie zum Schlechten.

Wurde ich falsch beraten? – Mögliche Ansprüche auf Schadensersatz

Viele Anleger:innen fühlen sich im Nachhinein schlecht beraten. Ihnen wurde die Anlage als „sicher“ oder jederzeit verfügbar dargestellt – zwei Versprechen, die unter den aktuellen Umständen stark ins Wanken geraten. Tatsächlich könnten in solchen Fällen Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung bestehen. Voraussetzung: Die fehlerhafte Beratung lässt sich nachweisen, etwa durch Gesprächsprotokolle, Basisinformationsblätter oder Zeug:innen.

Ein bemerkenswertes Urteil des Landgerichts Stuttgart vom Mai 2025 zeigt, dass Betroffene durchaus erfolgreich gegen fehlerhafte Beratung vorgehen können. Eine Rückabwicklung der Anlage oder Schadensersatz sind möglich – allerdings ist juristischer Beistand in der Regel unverzichtbar.

Fehlende Risikotransparenz: Kritik an Fondsgesellschaften wächst

Auch die Fondsgesellschaften selbst geraten zunehmend in die Kritik. So wies beispielsweise das Basisinformationsblatt des „Wohnen ZBI“-Fonds Ende 2023 einen Risikoindikator von nur 2 aus – ein Wert, der eine geringe Verlustrisiko suggeriert. Doch nach Ansicht der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hätte ein realistischer Wert bei 6 liegen müssen.

Die Verbraucherschützer:innen haben Klage gegen die ZBI Fondsmanagement GmbH eingereicht – mit vorläufigem Erfolg. Das Landgericht Nürnberg-Fürth schloss sich der Argumentation an. Die Fondsgesellschaft hat jedoch Berufung eingelegt, weshalb der Fall nun vor dem Oberlandesgericht Nürnberg weiterverhandelt wird. Eine abschließende Entscheidung könnte erst in einigen Jahren vor dem Bundesgerichtshof fallen.

Wenn die Post kommt – Vorsicht vor unseriösen Abfindungsangeboten

Verunsicherte Anleger:innen erhalten zunehmend Briefe mit Abfindungsangeboten, etwa von der dubiosen Firma SCP INVESTMENTS LIMITED mit Sitz auf den Marshallinseln. In diesen Schreiben werden pauschale Abfindungssummen angeboten – oft weit unter dem tatsächlichen Börsenwert.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) warnt: Banken müssen solche Schreiben zwar weiterleiten, übernehmen aber keine Verantwortung für deren Inhalt. Anleger:innen sind nicht verpflichtet, auf solche Angebote zu reagieren – im Gegenteil: Seriöse Finanzexpert:innen raten dazu, solche Schreiben kritisch zu prüfen oder direkt zu ignorieren.

Blick in die Zukunft: Drohen weitere Abwertungen?

Die zentrale Herausforderung bei offenen Immobilienfonds: Niemand kann derzeit mit Sicherheit sagen, was die Immobilien im Portfolio tatsächlich wert sind. Solange die Objekte nicht verkauft werden, bleibt ihr Marktwert eine Schätzung – und diese kann sich schnell ändern.

Sinkende Nachfrage, steigende Zinsen und wirtschaftliche Unsicherheiten könnten weitere Abwertungen nach sich ziehen. Gleichzeitig droht ein gefährlicher Kreislauf: Wenn immer mehr Anleger:innen Anteile verkaufen wollen, müssen Fondsobjekte kurzfristig veräußert werden – oft unter Wert. Diese Notverkäufe wiederum drücken die Fondsbewertung weiter.

Sind offene Immobilienfonds noch sinnvoll?

Offene Immobilienfonds können bei guter Entwicklung und geschicktem Fondsmanagement attraktive Erträge liefern – vor allem im langfristigen Anlagehorizont. Doch klar ist: Sie sind kein Ersatz für Tagesgeld oder Festgeld, sondern bergen reale Risiken, die bislang oft unterschätzt wurden.

Wer dennoch in Immobilienfonds investieren möchte, sollte nicht alles auf eine Karte setzen. Eine breite Streuung über verschiedene Fonds hinweg ist das Gebot der Stunde. Und: Die investierte Summe sollte immer nur einen kleinen Teil des Gesamtvermögens ausmachen.

Fazit: Ruhe bewahren – aber handeln

Die jüngsten Abwertungen offener Immobilienfonds sind ein Weckruf für alle, die auf vermeintlich sichere Anlagen setzen. Jetzt gilt es, genau hinzusehen, Verträge zu prüfen, mögliche Rechtsansprüche auszuloten und sich nicht von fragwürdigen Angeboten unter Druck setzen zu lassen. Wer unsicher ist, sollte sich rechtlich beraten lassen – und bei künftigen Investments stets auf eine realistische Risikobewertung achten.

Denn eine gute Geldanlage ist nicht nur eine Frage des Marktes – sondern auch eine Frage der Information.

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