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Internet, Coronapandemie und Kaufsucht (Oniomanie)

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Schon in Wikipedia wird darauf hingewiesen, dass der Begriff „Oniomanie“ im 19. Jahrhundert geprägt wurde. Sie wird als ein Symptom der Entartung beschrieben. Dabei wird …bei den Degenerirten ein unwiderstehlichen Drang zum Erwerben unnützen Krams festgestellt… Der Oniomane kauft weder bedeutende Mengen eines und desselben Gegenstandes wie der Paralytiker, noch ist ihm der Preis gleichgültig wie diesem. Er kann nur an keinem Gerümpel vorübergehen, ohne den Antrieb zu empfinden, es zu erwerben (Max Nordau 1892).

Als Ursachen werden heute Persönlichkeitsstörungen, vermindertes Selbstwertgefühl, negative Gefühle oder Frustrationen angeführt. Nach der ICD-10 (F63.9) kann pathologisches Kaufen als „nicht näher bezeichnete abnorme Gewohnheit und Störung der Impulskontrolle“ bezeichnet werden. Die diagnostischen Kriterien, etwa von McElroy et al.  (1994), rechnen pathologisches Kaufen „der nicht näher bezeichneten Störungen der Impulskontrolle“, zu. Die Kriterien umfassen:

Fehlangepasste starke Beschäftigung mit Erwerben bzw. Kaufen oder fehlangepasste Erwerbs- bzw. Kaufimpulse bzw. Kaufverhaltensweisen, auf die mindestens eine der folgenden Beschreibungen zutrifft:

A häufige starke Beschäftigung mit Kaufen oder Kaufimpulsen, welche als unwiderstehlich, sich aufdrängend, intrusiv und/oder sinnlos wahrgenommen wird, häufiges Kaufen von mehr als man sich leisten kann/häufiges Kaufen von Dingen, die nicht benötigt werden/Kaufen über längere Zeitperioden als geplant.

B Der Kaufdrang, die Kaufimpulse oder Kaufverhaltensweisen verursachen erhebliches Leiden. Sie sind zeitaufwändig, beeinträchtigen deutlich die sozialen und beruflichen Funktionen oder haben finanzielle Probleme zur Folge (Verschuldung oder Konkurs).

C Die exzessiven Erwerbs- oder Kaufverhaltensweisen treten nicht ausschließlich in Phasen einer Manie oder Hypomanie auf.

Pathologisches Kaufen wird mitunter dem Spektrum der Zwangserkrankungen zugeordnet. Pathologisches Kaufen scheint ebenso der Affektsteuerung zu dienen. Es tritt aber häufig auch ohne begleitende affektive Störung auf.

Die Coronapandemie der beinahe letzten beiden Jahre führte auch zu einer großen Vereinsamung verschiedener Gesellschaftsschichten. Das Internet und dessen Kommunikationsmöglichkeiten erhielten daraus einen erhöhten Stellenwert in vielerlei Hinsicht. Das Internet ersetzte und ersetzt mehr und mehr den direkten Kontakt mit dem Verkäufer. Entsprechende Plattformen erhielten in der Corona Zeit einen ungeheuren Aufschwung und die Pandemie bescherte den Unternehmen enorme Zuwachsraten von bis zu ca. 30%.

Die Internetplattformen machen es den Kunden einfach zu bestellen. Mit „einem Klick“ kann das begehrte Objekt bereits versandfertig sein. Die Schwelle zum Kaufen ist extrem nieder konzipiert. Dies ist nicht nur extrem praktisch, sondern auch gefährlich für kaufsüchtige Menschen. Vermehrte Einsamkeit, Frustration, Depressionen etc. können kurzfristig durch eine „Kauferlebnis“ gelindert, aber nicht geheilt werden. Diese „schnelle, aber kurz andauernde Linderung“ kostet in Summe mehr als jeder Therapeut oder Arzt. Epidemiologische Studien zu dieser Problematik stehen noch aus. Regelwerke für Betroffene sind bis dato nur rudimentär vorhanden. Weitere Untersuchungen zu diesem Problemfeld wären wünschenswert und dringlich angezeigt.

Salvatore Giacomuzzi: Wien

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