In einer Zeit rasanter technologischer Umbrüche und wirtschaftlicher Unsicherheiten stehen auch Versicherer unter wachsendem Aufsichts- und Anpassungsdruck. Julia Wiens, Exekutivdirektorin der Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht bei der BaFin, zeichnete in einem Vortrag am Institut für Versicherungsrecht der Universität Düsseldorf ein vielschichtiges Bild aktueller Regulierungsprioritäten.
Im Zentrum ihrer Ausführungen standen vier große Themen: alternative Kapitalanlagen, Künstliche Intelligenz, Wohlverhaltensaufsicht und Bürokratieabbau. Gemeinsam spiegeln sie den tiefgreifenden Wandel wider, den die Versicherungswirtschaft derzeit erlebt – und mit ihm die Aufgaben der Aufsicht.
1. Alternative Kapitalanlagen: Chancen ja, aber nur mit stabilem Risikomanagement
Der Trend zu Private Debt und anderen alternativen Investments hat längst die Bilanzen vieler Versicherer erreicht – doch nicht ohne Risiken. „Diese Anlageformen unterscheiden sich deutlich von traditionellen Anleihen und Aktien“, betonte Wiens. Gerade angesichts einer unsicheren Konjunkturentwicklung und wachsender Ausfallrisiken seien fundierte Risikoanalysen und personelle Expertise unverzichtbar.
Die klare Erwartung der BaFin: Versicherungsunternehmen mit hohem Anteil an alternativen Anlagen müssen über ein leistungsstarkes Risikomanagement und qualifiziertes Fachpersonal verfügen. „Darauf achten wir besonders“, so Wiens.
2. Künstliche Intelligenz: Nutzen ja – aber fair, verantwortungsvoll und kontrolliert
Ob im Schadensmanagement, in der Vertragsprüfung oder bei der Betrugserkennung: Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) ist im Versicherungssektor mittlerweile Standard. Doch Wiens warnte vor den Schattenseiten: automatisierte Entscheidungen ohne ausreichende Kontrolle, Diskriminierung durch algorithmische Verzerrungen und Halluzinationen durch generative KI seien reale Risiken.
„Die Verantwortung für den fairen Einsatz von KI liegt bei den Unternehmen selbst“, stellte Wiens klar. Es brauche klare Governance-Strukturen, um Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Fairness bei KI-gestützten Entscheidungen zu gewährleisten.
3. Wohlverhaltensaufsicht: Stornos im Visier – Fokus soll auf weitere Sparten ausgeweitet werden
Auch 2025 bleibe die Kundenzentrierung ein zentrales Anliegen der Aufsicht, so Wiens. Insbesondere kapitalbildende Lebensversicherungen stünden unter Beobachtung – vor allem Anbieter mit hohen Stornoquoten.
Langfristig plant die BaFin, die Wohlverhaltensaufsicht auf weitere Versicherungssparten auszuweiten, etwa auf die Schaden- und Unfallversicherung. Ein entsprechendes Konzept sei in Arbeit. Ziel sei es, Verbraucherschutz nicht punktuell, sondern sektorenübergreifend zu stärken.
4. Bürokratieabbau: Entlastung ja – ohne Abstriche bei der Sicherheit
Die Balance zwischen Regulierung und Effizienz ist ein Dauerbrenner – auch in der Versicherungsaufsicht. Julia Wiens räumte ein, dass Bürokratieabbau „schnell gefordert, aber in der Umsetzung oft komplex“ sei. Gerade im Rahmen der Überarbeitung der Solvency-II-Richtlinie bringe die BaFin konkrete Vorschläge ein, um Berichtspflichten zu verschlanken – ohne das Sicherheitsniveau zu senken.
„Unser Ziel ist es, unnötige bürokratische Belastungen abzubauen, ohne die Stabilität und Transparenz der Branche zu gefährden“, erklärte Wiens. Bürokratieabbau sei daher keine einmalige Aktion, sondern ein dauerhaftes strategisches Ziel der Aufsicht.
Fazit:
Die Versicherungsaufsicht sieht sich mit tiefgreifenden Veränderungen konfrontiert – von digitalen Technologien über neue Kapitalmarktinstrumente bis hin zu gestiegenen Erwartungen an Kundenfairness. Julia Wiens machte in Düsseldorf deutlich: Die BaFin will dieser Verantwortung gerecht werden – mit klaren Leitlinien, technologischem Verständnis und regulatorischem Augenmaß.