Wer sich in der Adventszeit die Lichterkette um die Fenster hängt, einen glitzernden Plastikstern auf den Baum setzt oder mit kitschig-schönen Weihnachtsmützen durch den Dezember spaziert, hat mit großer Wahrscheinlichkeit ein Stück Yiwu zu Hause – ohne es zu wissen. Die ostchinesische Stadt, liebevoll „Christmas Town“ genannt, liefert laut chinesischen Staatsmedien bis zu 90 Prozent aller in den USA verwendeten Weihnachtdekorationen.
Doch in diesem Jahr könnte es in der Weihnachtsstadt dunkler werden. Grund sind die jüngsten Zollmaßnahmen von US-Präsident Donald Trump, der im Rahmen seines eskalierenden Handelskonflikts mit China massive Importzölle auf chinesische Waren verhängt hat – darunter auch Dekoartikel, Kunstblumen, Halloweenmasken und ja: Weihnachtssterne.
Ein Handelskrieg im Rentiermantel
Die Gesamtsumme der US-Zölle auf chinesische Produkte hat inzwischen historische 145 Prozent erreicht – die höchsten Strafzölle der letzten hundert Jahre. Besonders betroffen: Kleinhändler und Exporteure in Yiwu, deren Geschäfte vom US-Markt abhängig sind. Manche von ihnen haben über Nacht bis zu 80 Prozent ihrer Aufträge verloren.
„Ich habe versucht, Rabatte anzubieten, um unsere Kunden zu halten“, erzählt Ran Hongyan, die seit 15 Jahren Weihnachtsdeko vertreibt. „Aber acht von zehn Amerikanern haben abgesagt.“ Über 135.000 Dollar Umsatz sind ihr dadurch dieses Jahr entgangen. „Das waren nicht nur Kunden, das waren Partner“, sagt sie – und blickt traurig auf ihre Plüsch-Rentiere und singenden Santas.
Die größte Wichtelwerkstatt der Welt
Der Großmarkt von Yiwu ist ein Gigant unter den Handelsplätzen: Rund 1.000 Hektar Verkaufsfläche, 70.000 Verkaufsstände, Millionen Produkte – vom blinkenden Elch bis zur Fake-Fensterbeleuchtung. Und doch: Bei CNNs Besuch war kein einziger amerikanischer Käufer zu sehen. Stattdessen herrscht Anspannung. Einige Verkäufer verweigern das Gespräch aus Sorge vor Überwachung durch örtliche Behörden.
Auch Li Xinyao, deren Familie seit 1993 künstliche Blumen produziert, ist betroffen – obwohl sie aktuell gar nicht in die USA verkauft. „Wenn die Amerikaner in den Handelskrieg ziehen, hält die ganze Welt den Atem an“, sagt sie. Denn ihre Kunden in Europa oder Asien beobachten genau, wie sich der Markt entwickelt. „Wenn Menschen sparen müssen, kaufen sie keine Deko.“
Trumps Weihnachtsmission: Jobs in den USA – aber zu welchem Preis?
Donald Trump begründet seine Zölle mit dem Ziel, amerikanische Industriearbeitsplätze zurückzuholen – insbesondere in der Konsumgüterbranche. Doch Experten zweifeln: Die meisten Produkte aus Yiwu – wie Plastikschmuck oder leuchtende Deko-Elche – wären in den USA nur zu viel höheren Preisen herstellbar. Und ob der durchschnittliche US-Bürger 20 Dollar für einen Plastik-Tannenbaum aus Kansas zahlen möchte, bleibt fraglich.
Die Idee des „Decoupling“, also der wirtschaftlichen Entflechtung der beiden Großmächte, wird zunehmend Realität. Der Anteil der US-Exporte am chinesischen Außenhandel ist seit 2018 von 19,2 auf 14,7 Prozent gesunken. Auch in Yiwu versuchen viele Verkäufer jetzt, auf Europa, Afrika oder den heimischen Markt auszuweichen. Manche investieren in E-Commerce, andere suchen neue Zielgruppen in der EU.
„Ich verstehe nicht, warum man das macht.“
Der persönliche Schaden bleibt – ökonomisch wie emotional. „Ich denke jeden Tag darüber nach, was das für meine sechsjährige Tochter bedeutet“, sagt Li. Auch Ran ist enttäuscht: „Wir haben viele Jahre vertrauensvoll mit amerikanischen Partnern zusammengearbeitet. Und jetzt – einfach vorbei.“
Die Hoffnung auf eine politische Einigung bleibt. Doch der Vertrauensverlust sitzt tief. Und manche Konsequenzen lassen sich nicht mehr rückgängig machen. „Wenn ich jetzt einkaufe und sehe, dass ein Produkt aus den USA kommt“, sagt Ran, „dann entscheide ich mich bewusst dagegen.“
Was als Zollpolitik begann, ist längst zu einem emotionalen und kulturellen Bruch geworden. Yiwu – einst Chinas exportorientiertes Weihnachtswunderland – erlebt gerade, wie sehr Politik den Zauber der Weihnacht trüben kann.