Interviewer: Frau Bontschev, vielen Dank, dass Sie heute hier sind. Im vorgestellten Video gibt der Moderator Tipps zu Dividendenwachstumsaktien und analysiert verschiedene Sektoren. Was sind die rechtlichen Fallstricke bei der Veröffentlichung solcher Finanzvideos auf Plattformen wie YouTube?
Rechtsanwältin Bontschev: Vielen Dank für die Einladung. Finanzvideos auf Plattformen wie YouTube unterliegen bestimmten rechtlichen Anforderungen, insbesondere wenn es um die Empfehlung von Aktien oder anderen Finanzprodukten geht. Grundsätzlich muss deutlich gemacht werden, dass die Inhalte keine Anlageberatung darstellen, da dies sonst unter das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) fallen kann. Der Hinweis im Video, dass es sich um persönliche Meinungen und nicht um Empfehlungen handelt, ist wichtig. Allerdings reicht dieser Hinweis nicht immer aus, wenn die Inhalte stark als Handlungsaufforderung interpretiert werden können.
Interviewer: Der Moderator betont, dass es keine falschen Strategien gibt und er unterschiedliche Optionen präsentiert. Welche rechtlichen Verpflichtungen hat er, um sicherzustellen, dass Zuschauer seine Aussagen nicht als verbindliche Empfehlungen verstehen?
Rechtsanwältin Bontschev: Es ist unerlässlich, dass der Moderator klar zwischen allgemeiner Information und persönlicher Meinung unterscheidet. Wenn er konkrete Unternehmen oder Sektoren hervorhebt, sollte er transparent darlegen, dass diese Beispiele rein zu Informationszwecken dienen. Zudem müssen alle Aussagen faktisch korrekt und nachprüfbar sein. Sollte eine Empfehlung in die Richtung gehen, dass bestimmte Aktien als „sicher“ oder „gewinnbringend“ dargestellt werden, kann dies zu rechtlichen Konsequenzen führen, insbesondere wenn Zuschauer Verluste erleiden und behaupten, sie hätten auf Grundlage dieser Aussagen gehandelt.
Interviewer: Im Video wird Dividendenwachstum über die letzten zehn Jahre verglichen und potenzielle Gewinnersektoren genannt. Welche Haftungsrisiken entstehen für den Moderator, wenn Zuschauer auf Basis dieser Analysen investieren und Verluste erleiden?
Rechtsanwältin Bontschev: Der Moderator muss sicherstellen, dass er keine irreführenden oder übermäßig optimistischen Prognosen aufstellt. Wenn er konkrete Daten über Dividendenwachstum verwendet, sollten diese von zuverlässigen Quellen stammen und entsprechend gekennzeichnet sein. Das Risiko besteht darin, dass Zuschauer sich allein auf diese Informationen verlassen und ohne eigene Recherche investieren. Falls dabei finanzielle Verluste entstehen, könnten sie versuchen, den Moderator haftbar zu machen, insbesondere wenn dieser den Eindruck vermittelt, dass bestimmte Aktien oder Sektoren besonders empfehlenswert seien.
Interviewer: Das Video ist stark auf die Interaktion mit den Zuschauern ausgerichtet. Gibt es besondere rechtliche Anforderungen, wenn der Moderator Zuschauer dazu auffordert, ihre Meinungen oder Aktienvorschläge in die Kommentare zu schreiben?
Rechtsanwältin Bontschev: Die Interaktion mit der Community ist grundsätzlich unproblematisch, solange der Moderator deutlich macht, dass er keine Haftung für Aussagen oder Empfehlungen von Dritten übernimmt. Bei Userkommentaren muss der Moderator sicherstellen, dass diese nicht gegen Gesetze verstoßen, beispielsweise indem irreführende Informationen oder unzulässige Finanzempfehlungen verbreitet werden. Plattformen wie YouTube haben klare Richtlinien zur Moderation von Inhalten, und der Kanalinhaber trägt eine gewisse Verantwortung, Kommentare zu überprüfen.
Interviewer: Wie würden Sie insgesamt die rechtlichen Risiken für Finanzkanäle auf YouTube bewerten, und welche präventiven Maßnahmen empfehlen Sie?
Rechtsanwältin Bontschev: Die rechtlichen Risiken sind durchaus erheblich, vor allem wenn Zuschauer diese Videos als professionelle Anlageberatung missverstehen könnten. Ich empfehle, in jedem Video und in der Videobeschreibung einen Haftungsausschluss anzuführen, der klarstellt, dass es sich um persönliche Meinungen handelt und dass jeder Zuschauer seine eigene Recherche betreiben sollte. Es ist auch ratsam, die Quellen der genannten Daten offenzulegen und keine Versprechungen über zukünftige Kursentwicklungen zu machen. Zudem sollten Moderatoren vorsichtig mit Formulierungen sein, die als Handlungsaufforderung interpretiert werden könnten.
Interviewer: Vielen Dank für Ihre wertvollen Einblicke, Frau Bontschev.
Rechtsanwältin Bontschev: Sehr gerne! Es war mir eine Freude, diese wichtigen rechtlichen Aspekte näher zu beleuchten.