Start Verbraucherschutz Viele Kredit- und Leasing­verträge von Auto­banken sind fehlerhaft!

Viele Kredit- und Leasing­verträge von Auto­banken sind fehlerhaft!

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mohamed_hassan (CC0), Pixabay

Noch viel mehr Kredit- und Leasing­verträge von Auto­banken als bisher vermutet sind fehler­haft. Das ist Folge eines Urteils des Europäischen Gerichts­hofs. Käufer, die ihren Wagen von 14. Juni 2010 an mit einem vom Händler vermittelten fehler­haften Kredit- oder Leasing­vertrag finanziert haben, dürfen auch Jahre später noch widerrufen. Sie können dann den Wagen zurück­geben und erhalten Anzahlung und Raten zurück. Oft müssen sie nicht mal für die mit dem Wagen gefahrenen Kilo­meter bezahlen. Neu: Das Ober­landes­gericht Frank­furt am Main hat die Opel-Bank verurteilt, die Anzahlung und alle Raten für einen 2014 erworbenen Wagen zu erstatten.

EuGH urteilt verbraucherfreundlich

Der Europäische Gerichts­hof (EuGH) hat am 26.03.2020, Aktenzeichen: C-66/19 geur­teilt: Die von 14. Juni 2010 an gültigen deutschen Regeln über die Informationen zum Widerrufs­recht bei Verbraucher­krediten sind unzu­reichend. Die Folge: Auto­bank-Kredit­verträge und -Leasing­verträge können damit auch Jahre nach Vertrags­schluss noch widerrufen werden. Er korrigierte damit zuletzt verbraucherunfreundliche Urteile des Bundes­gerichts­hofs.

Der Bundes­gerichts­hof bleibt aber für Fälle, bei denen Banken und Sparkassen das gesetzliche Muster für die Information über das Widerrufs­recht verwendet haben, bei seinem Grund­satz: Der Widerruf ist nur inner­halb der angegebenen Frist möglich.

Tipp: Sie suchen eine gute Finanzierung für Ihren Wagen? Hier hilft Ihnen der laufend aktualisierte Vergleich Autofinanzierung der Stiftung Warentest.

Klagen ohne Risiko

Selbst bei eindeutig fehler­haften Verträgen gilt allerdings bisher: Auto­banken lassen Kunden abblitzen, wenn diese selbst ihre Rechte fordern. Ohne Rechts­anwalt und Gericht geht gar nichts. Mit einer Verkehrsrechtsschutzversicherung können Betroffene selbst einen Rechts­anwalt einschalten, ohne Gerichts­kosten und Anwalts­honorare zahlen zu müssen.

Will­kommene Chance für Fahrer von Diesel­skandal-Autos

Die Folge der Banken-Fehler: Kredit- und Leasingnehmer können ihre Verträge auch heute noch widerrufen. Tun sie das, muss die Bank bisher gezahlte Raten und die Anzahlung erstatten. Die Kunden müssen im Gegen­zug das Auto zurück­geben.

Kein Abzug von Nutzungs­wert­ersatz

Ob sich Kreditnehmer mit ab 13. Juni 2014 geschlossenem Vertrag bei Fehlern der Bank eine Nutzungs­entschädigung anrechnen lassen müssen, war bis zur Verkündung des EuGH-Urteils zu Verbraucher­krediten (siehe oben „EuGH urteilt verbraucherfreundlich“) umstritten. Jetzt gilt: Es ist wegen des Verstoßes der deutschen Regeln über die Informationen von Verbrauchern über das Widerrufs­recht bei Allgemein­krediten so gut wie sicher, dass die Auto­banken nach Widerruf des ab 13. Juni 2014 geschlossenen Auto­kredit­vertrags keine Nutzungs­entschädigung abziehen dürfen.

Hintergrund: An dem Tag traten verbraucherfreundliche Gesetzes­änderungen in Kraft. Danach ist nicht mal mehr eine so genannte Nutzungs­entschädigung fällig, wenn der Kredit­vertrag fehler­haft ist. So hat es jetzt auch das Ober­landes­gericht München bestätigt. Das Ober­landes­gericht Frank­furt am Main verurteilte die Opel Bank ebenso. Eine verbraucherfreundliche Begründung des Urteils verhinderte die Bank, indem sie die Klage anerkannte.

Güns­tiger als Schaden­ersatz wegen des Abgas­skandals

Besitzer von Skandal­autos, die ihren Wagen mit nach 13. Juni 2014 geschlossenem Auto­kredit­vertrag geschlossen haben, sind fein raus. Der Widerruf des Kredit­vertrags bringt ihnen mehr als aktuell bei den allermeisten Gerichten an Schaden­ersatz vom Hersteller zu bekommen ist. Mehr zum Recht auf Entschädigung von Skandal­autobesitzern in den FAQ Abgasskandal.

Tipps und Muster­brief

Betroffene Verträge

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichts­hofs über die deutschen Regeln über die Verbraucher­informationen zu Kredit­verträgen (vom 26. März 2020, Aktenzeichen: C-66/19) steht fest: Diese Verträge können Sie auch heute noch widerrufen, so lange der Vertrag noch nicht voll­ständig abge­wickelt ist. Lohnend ist der Widerruf, wenn Auto­kauf und Kredit- oder Leasing­vertrag aus einer Hand kamen und so wie oft der Auto­händler den Vertrag zur Finanzierung des Wagens vermittelt hat.

Kunden­vorteil

Wenn Sie solche mit einem Auto­kauf verbundenen Kredit- oder Leasing­verträge widerrufen, müssen Sie anschließend Ihr Auto zurück­geben. Im Gegen­zug erhalten Sie sowohl die Anzahlung als auch die Kredit- oder Leasingraten zurück. Nur die – meist nicht sonderlich hohen – Kreditzinsen darf die Bank behalten. Gut und leicht bedien­bare Online-Berechnungen der Folgen des Auto­kredit­widerrufs bieten Hahn Rechtsanwälte, Kraus Ghendler Rechtsanwälte und Rechtsanwälte Aslanidis, Kress & Häcker-Hollmann.

Ältere Kredit­verträge

Bei bis 12. Juni 2014 abge­schlossenen Kredit­verträgen müssen Sie eine Nutzungs­entschädigung für die mit dem Auto gefahrenen Kilo­meter zahlen. Die Berechnungs­formel ist einfach: „Gefahrene Kilo­meter / typische Gesamt­lauf­leistung (meist 250 000 Kilo­meter, bei kleineren Wagen zuweilen 200 000, bei großen 300 000) X Kauf­preis. In der Regel lohnt sich der Widerruf bei Autos, die noch nicht viele Kilo­meter gefahren sind. Hat ein Auto schon einen großen Teil seiner typischen Gesamt­lauf­leistung hinter sich, ist es je nach Alter und Zustand des Wagens zuweilen güns­tiger, ihn zu behalten. Wenn Sie für Ihr Auto als Gebraucht­wagen ebenso viel oder gar mehr Geld als den Kauf­preis abzüglich Nutzungs­entschädigung bekommen, macht der Widerruf keinen Sinn.

Jüngere Kredit­verträge

Bei vom 13. Juni 2014 an abge­schlossenen Kredit­verträgen müssen Sie nach dem Urteil des EuGH (s. o. im Absatz „Betroffene Verträge“) keine Nutzungs­entschädigung zahlen. Die Folge: Besitzer von über den Händler finanzierten Autos stehen sogar besser als solche, die ein Skandal­auto erworben haben und ein Recht haben, sich vom Hersteller entschädigen zu lassen. Die allermeisten Gerichte sind in diesen Fällen der Meinung: Auto­besitzer müssen sich eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilo­meter anrechnen lassen.

Text Muster­schreiben

Schreiben Sie an die in Ihrem Vertrag angegebene Adresse der Bank:
„Hier­mit widerrufe ich die auf den Abschluss des Kredit­vertrags mit der Nr. ____ gerichtete Willens­erklärung. Dazu bin ich trotz der seit Vertrags­schluss vergangenen Zeit berechtigt, weil Sie mich nicht entsprechend der Vorgaben in den EU-Richt­linien über den Vertrag und mein Widerrufs­recht informiert haben. Ich erwarte, dass Sie mir inner­halb von zwei Wochen ab Zugang dieses Schreibens bei Ihnen den Widerruf und die Rück­abwick­lung des Vertrags und des finanzierten Kauf­vertrags bestätigen. Bleibt die Bestätigung aus oder verweigern Sie den Widerruf, werde ich ohne weitere Ankündigung recht­liche Schritte einleiten. Sollten nach Zugang dieses Schreibens bei Ihnen noch Zahlungen von mir an Sie erfolgen, haben Sie diese als ungerecht­fertigte Bereicherung heraus­zugeben; ich behalte mir vor, die Erstattung zu fordern.“

Verschi­cken Sie das Schreiben per Einschreiben mit Rück­schein. Bewahren Sie den unterzeichneten Rück­schein gut auf.

Mögliche Bankenre­aktion

Zuweilen melden sich Mitarbeiter der Bank nach einem Widerruf telefo­nisch. Sie können sich in so einem Fall etwaige Vorschläge ruhig anhören. Sie sollten sich aber auf keine Diskussion darüber einlassen, ob der Widerruf sinn­voll ist und was er Ihnen konkret bringt. Erklären Sie nicht, warum Sie den Vertrag widerrufen haben. Sie müssen dafür keinen Grund nennen. Der Widerruf ist Ihr gutes Recht. Verweisen Sie auf Ihr Widerruf­schreiben und bekräftigen Sie die Forderung auf Bestätigung des Widerrufs.

Anwalts­prüfung

Bleibt die Bestätigung des Widerrufs aus, sollten Sie Ihren Fall von einem Rechts­anwalt prüfen lassen, der Erfahrungen mit dem Widerruf von Auto­kredit­verträgen der betreffenden Bank hat. Hier eine Liste von Rechts­anwälten, die test.de gegen­über versichert haben, Mandate zu Verträgen der jeweiligen Bank erfolg­reich bearbeitet zu haben:

Rechts­schutz­versicherung

Wenn Sie eine Verkehrs­rechts­schutz­versicherung haben oder recht­zeitig vor dem Widerruf abschließen, muss diese für die Kosten des Rechts­streits zahlen, sofern ein Kredit­widerruf nicht ausdrück­lich ausgeschlossen ist. Bei den meisten klassischen Rechts­schutz­versicherern gibt es solche Ausschlüsse bereits. Beispiel für eine solche Ausschluss­klausel: „Es besteht kein Rechts­schutz, wenn (…) der Versicherungs­nehmer ein Recht (z. B. Widerruf) ausübt (…) und sich als Voraus­setzung dafür auf die Mangelhaftig­keit der (…) Belehrung (…) beruft (…).“ Spezial­anbieter, die – wie etwa der ADAC – nur Verkehrs­rechts­schutz anbieten, müssen die Kosten für Kredit­widerrufs­streitig­keiten oft über­nehmen. Fragen Sie im Zweifel beim Anwalt nach, ob Ihre Versicherung zahlen muss. Beachten Sie: Nach Abschluss von Rechts­schutz­versicherungs­verträgen gilt oft eine dreimonatige Warte­zeit.

Prozess­finanzierung

Auch ohne Rechts­schutz­versicherung können Sie den Auto­kredit­widerruf womöglich ohne Prozess­kosten durch­setzen. Einzelheiten dazu bei der IG Widerruf.

Mehr darüber finden Sie hier: https://www.test.de/VW-Skoda-Seat-Audi-Lukrative-Rueckgabe-Chance-fuer-Autokaeufer-5165777-0/

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