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Warum kündigen Finanzinstitute laufende Alt-Spar-Verträge?

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Wenn der Kunde lästig wird: In Zeiten aktueller Niedrigzinsen versuchen einige Finanzinstitute Kunden aus langfristigen, gut verzinsten Sparverträgen zu drängen – oder diese Verträge vor Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit zu kündigen. Das zeigt eine Untersuchung bundesweit erhobener Verbraucherbeschwerden durch das Marktwächterteam der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Und dabei werden die Finanzinstitute vielfach kreativ:

Damit Kunden ihre Verträge selbst beenden, heben einige Finanzinstitute beispielsweise einseitig die Nachteile der Verträge hervor, andere appellieren an die Verantwortung für das Bausparkollektiv oder drohen die Kündigung an, wenn man nicht den Tarif wechselt. In anderen Fällen legen Finanzinstitute Verträge zu Lasten der Kunden eng aus und nutzen beispielsweise eine nicht geleistete Nachzahlung der Sparbeiträge oder Anpassung der Tarife für eine Kündigung. Schließlich berufen sich einige auch auf gesetzliche Regeln für Darlehen, um Sparverträge zu kündigen.

Wer ist betroffen?

Betroffen sind neben zahlreichen Bausparverträgen in erster Linie Prämiensparverträge verschiedener Sparkassen. Diese wurden häufig schon in den 1990iger Jahren abgeschlossen und zeichnen sich durch vergleichsweise geringe variable Sparzinsen aus, die mit zunehmender Laufzeit durch fest vereinbarte, steigende Prämien ausgeglichen werden sollen.

Nun, da vielfach die höchste Prämienstufe erreicht ist, versuchen einige Sparkassen, diese Verträge zu beenden.

Dürfen Finanzinstitute gut verzinste Alt-Verträge kündigen?

Einige Kreissparkassen begründen die Kündigungen von Prämiensparverträgen beispielsweise damit, als Unternehmen dem „Gebot der Wirtschaftlichkeit“ zu unterliegen. Wir meinen dagegen: Auch Kunden müssen wirtschaftlich denken und sind darauf angewiesen, rentable Verträge abzuschließen und zu behalten. Das berücksichtigen nur wenige Finanzinstitute, etwa indem sie bei Beendigungen alle vereinbarten Zinsen vorab bezahlen oder Verbrauchern zumindest einen finanziellen Ausgleich anbieten.

In den betroffenen langfristigen Spar- und Bausparverträgen ist ein Kündigungsrecht des Anbieters häufig nicht vereinbart. Um dennoch kündigen zu können, nutzen einige Anbieter die Regelungen des BGB, u. a. des Darlehensvertragsrechts. Diese Kündigungsrechte sind umstritten: Verbraucherzentralen und unser Bundesverband (vzbv) gehen im Wege der Verbandsklage gegen verschiedene Anbieter vor.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 14.5.2019 entschieden, dass Sparkassen langfristige Verträge unter Umständen kündigen dürfen, wenn die versprochenen Prämien gezahlt worden sind (Az. XI ZR 345/18). In dem Fall hatten Sparer gegen die Kündigungen ihrer „S-Prämiensparen flexibel“-Sparverträge der Kreissparkasse Stendal in Sachsen-Anhalt geklagt. Vertraglich vereinbart waren steigende Prämien nur bis zum Ablauf des 15. Sparjahrs – die sollten schrittweise bis auf 50 Prozent auf die geleisteten Sparbeiträge ansteigen. Eine feste Laufzeit oder eine Mindestlaufzeit war aber in den Sparverträgen nicht vereinbart.

Nach Meinung des BGH, können betroffene Kunden sich nicht gegen eine Kündigung wehren, wenn die Prämien aus der vereinbarten Prämienstaffel erreicht worden sind und in den Verträgen sonst nichts anderes vereinbart wurde. Im verhandelten Fall war eine Prämienstaffel vereinbart, die nach 15 Jahren endet und nach dem 15. Jahr die höchste Prämie in Aussicht stellte. Diese Prämie muss dann auch gezahlt werden, bevor die Sparkasse kündigen darf.

Das muss aber nicht automatisch heißen, dass eine Kündigung der Sparkasse auch in Ihrem Fall rechtens ist: Falls in Ihrem Vertrag – anders als in den vom BGH verhandelten Fällen – eine Laufzeit vereinbart ist, darf die Sparkasse also grundsätzlich nicht vor Ablauf der Laufzeit kündigen. Einige Sparkassen haben außerdem Verträge mit vereinbarten, längeren Prämienstaffeln, z.B. über 25 Jahre, verkauft. In dem Fall darf die Sparkasse natürlich auch nicht vor Ablauf von 25 Jahren kündigen.

Ist in Ihrem Vertrag etwa fixiert, dass die Prämie vom 15. Laufzeitjahr bis zum 25. Laufzeitjahr 50 Prozent beträgt, dann erreicht die Prämie erstmals mit dem Ablauf des 15. Laufzeitjahres ihren Höchstwert und soll vertragsgemäß für zumindest weitere 10 Jahre gezahlt werden. Unser Standpunkt ist, dass ein solcher Vertrag nicht einfach nach 15 Jahren gekündigt werden darf – Sie haben ein Recht auf die weiteren 10 Jahre mit der hohen Prämie.

Was können Sie tun?

  1. Seien Sie bei verlockend klingenden Alternativangeboten zu laufenden, gut verzinsten Bau- oder Prämiensparverträgen skeptisch.
  2. Haben Sie bereits eine Kündigung erhalten, sollten Sie überlegen, ihr schriftlich zu widersprechen. Am besten per Einschreiben mit Rückschein. Nutzen Sie dafür gerne unseren kostenlosen Musterbrief.
  3. Bei Prüfung Ihrer Widerspruchsmöglichkeiten und Ihres Vertrags können Ihnen eine Beratung in der Verbraucherzentrale oder ein Fachanwalt helfen.

Der Erfolg Ihres Widerspruchs gegen die Kündigung hängt entscheidend von Ihrem individuellen Vertrag ab:

  • Wenn eine Prämienstaffel im Vertrag vereinbart wurde, dann ist diese auch einzuhalten.
  • Wenn nachweislich eine Laufzeit vereinbart wurde, ist diese auch einzuhalten.
  • Werbung kann Bestandteil des Vertrags werden, aber nur unter engen Voraussetzungen.
  • Ob man sich auf Vertragsänderungen nur dann berufen kann, wenn diese „ernst gemeint“ waren, oder ob die Sparkasse für Schlampereien oder Software-Mängel haftet, ist eine rechtlich strittige Frage. Argumentieren Sie mit der schriftlichen Vereinbarung.

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