Wer wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung belangt wird, kann die sog. Falldatei der Messung nicht ohne Weiteres zur eigenen Auswertung in ein bestimmtes Format herausverlangen. Das hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main in einem aktuellen Beschluss klargestellt (Az. 2 Orbs 233/24).
Der Fall
Ein Autofahrer war am 4. Januar 2024 auf der A 643 in Richtung Mainz mit abzüglich Toleranz 107 km/h statt der erlaubten 80 km/h unterwegs. Das Amtsgericht Wiesbaden verurteilte ihn deshalb zu einem Bußgeld von 240 €. In der Rechtsmittelinstanz beantragte sein Verteidiger im Rahmen eines Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde die Herausgabe der sog. Falldatei – also der verschlüsselten Rohdaten der Messung – zur eigenen Auswertung.
Das OLG Frankfurt wies den Antrag zurück. Die erhobene Verfahrensrüge sei unzulässig, da sie nicht in der vorgeschriebenen Weise vorgebracht worden sei. Gleichzeitig nutzte das Gericht den Fall, um die grundsätzliche Praxis in Hessen zur Akteneinsicht in Falldateien darzulegen.
Was ist eine Falldatei?
Die Falldatei wird bei jeder Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten, zugelassenen Messgerät erzeugt. Sie enthält die verschlüsselten Messdaten und das zugehörige Foto des Fahrzeugs – jedoch nicht in einem direkt lesbaren Format. Um sie zu interpretieren, sind ein zugelassenes Auswerteprogramm und ein spezieller Entschlüsselungsschlüssel notwendig. Diese technischen Hilfsmittel liegen bei der Zentralen Bußgeldstelle in Kassel.
Einsichtsmöglichkeiten für Betroffene
Laut dem OLG hat jeder Betroffene – auch ohne anwaltliche Vertretung – das Recht, die Falldatei einzusehen. Dafür gibt es zwei Wege:
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Vor-Ort-Einsicht: Nach Terminvereinbarung kann die Falldatei bei der Bußgeldstelle eingesehen und mit dem dort vorhandenen Auswerteprogramm entschlüsselt werden.
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Ausgewertete Version auf Anfrage: Alternativ kann der Betroffene eine lesbare Version der ausgewerteten Falldatei auf eigene Kosten anfordern. In diesem Fall müsse jedoch auf die Authentizität der Datei vertraut werden.
Die bloße Forderung des Verteidigers, die Datei in einem bestimmten Format zu erhalten oder aus Bequemlichkeitsgründen zugesendet zu bekommen, sei kein gesetzlich anerkanntes Einsichtsrecht.
Kein Teil der Verfahrensakte
Die nicht ausgewertete Falldatei gehört laut OLG nicht zur Verfahrensakte und ist daher auch nicht Teil eines klassischen Akteneinsichtsgesuchs. Ein Anspruch auf Übersendung zur freien Auswertung durch die Verteidigung besteht nicht.
Bedeutung der Entscheidung
Das Gericht bekräftigt mit dieser Entscheidung die bisherige Praxis, dass das „standardisierte Messverfahren“ grundsätzlich als zuverlässig gilt und die Rohdaten nur unter bestimmten Bedingungen eingesehen werden können. Die Entscheidung setzt der Strategie einiger Verteidiger, umfassende Herausgabe digitaler Rohdaten zu fordern, enge Grenzen.
Hinweis: Der Beschluss ist rechtskräftig und nicht anfechtbar.