Ein Interview mit Rechtsanwältin Kerstin Bontschev über die dunklen Seiten von Künstlicher Intelligenz im Bereich Kryptowährungsbetrug.
Frau Bontschev, KI wird oft als die Technologie der Zukunft gefeiert. Doch Sie schlagen Alarm, insbesondere im Hinblick auf Kryptowährungsbetrug. Was genau passiert hier?
Kerstin Bontschev: Es stimmt, dass KI riesige Chancen für Fortschritt und Innovation bietet. Aber leider sehen wir auch, dass diese Technologie immer öfter von Kriminellen missbraucht wird. Im Bereich Kryptowährungsbetrug hat KI den Tätern Werkzeuge in die Hand gegeben, die ihre Vorgehensweise deutlich professionalisiert und effizienter gemacht haben. Laut Chainalysis wurden allein 2024 Rekordsummen von 12,4 Milliarden Dollar durch Krypto-Betrügereien ergaunert. Das ist schwindelerregend.
Wie nutzen Betrüger KI konkret für ihre Machenschaften?
Bontschev: KI ermöglicht Betrügern vor allem, sich realistisch als andere Personen auszugeben und täuschend echte Inhalte zu erstellen – sei es in Form von gefälschten Websites, glaubwürdigen Inseraten oder überzeugenden Identitäten. Ein besonders problematischer Aspekt ist der Einsatz von Generativer KI, also GenAI. Diese Technologie macht es für Kriminelle sehr einfach, synthetische Identitäten zu erschaffen, die wie echte Menschen wirken. Damit können sie dann Identitätsprüfungen umgehen und gezielt Schwachstellen bei Banken, Krypto-Börsen oder Einzelpersonen ausnutzen.
Können Sie ein Beispiel für den Einsatz solcher Technologien nennen?
Bontschev: Natürlich. Auf dem sogenannten Huione-Garantie-Forum, das quasi eine „Service-Plattform für illegale Akteure“ ist, gibt es Anbieter, die gesichtsverändernde Dienste für nur 200 Dollar anbieten. Damit können Kriminelle z. B. KI-generierte Videos von sich selbst erstellen, die täuschend echt wirken. Wenn man dann solche „Deepfake-Identitäten“ mit gefälschten Dokumenten kombiniert, wird es extrem schwierig, diese zu entlarven. Laut Chainalysis hat dieses Forum seit 2021 Transaktionen im Wert von 70 Milliarden Dollar abgewickelt – das zeigt, wie groß dieses illegale Ökosystem inzwischen geworden ist.
Ein Begriff, der in dem Zusammenhang oft fällt, ist „Schweineschlachtung“ (Pig-Butchering). Was steckt dahinter?
Bontschev: Das ist eine besonders perfide Betrugsmasche, die häufig in Verbindung mit Kryptowährungen eingesetzt wird. Dabei bauen die Täter zunächst eine emotionale Bindung zum Opfer auf, sei es durch Social Media, Dating-Apps oder andere Kanäle. Wenn das Opfer dann vertraut, wird es dazu gebracht, vermeintlich in lukrative Krypto-Investments zu investieren. Natürlich stellt sich später heraus, dass alles ein Betrug war. In Asien ist diese Methode besonders verbreitet, aber wir sehen sie zunehmend auch in Europa. Laut den Daten von Chainalysis sind die Einnahmen aus dieser Betrugsmasche allein im letzten Jahr um fast 40 Prozent gestiegen.
Das klingt nach einer zunehmenden Professionalisierung der Betrüger. Welche Auswirkungen hat das auf die Bekämpfung solcher Straftaten?
Bontschev: Die Professionalisierung macht die Arbeit von Ermittlungsbehörden und Regulierungsstellen deutlich schwieriger. KI sorgt dafür, dass Betrügereien hochgradig realistisch und skalierbar sind – und das zu geringen Kosten. Dadurch steigen die Herausforderungen für die Strafverfolgung, da es nicht nur um das Nachverfolgen von Transaktionen geht, sondern auch um das Entlarven gefälschter Identitäten und Inhalte.
Außerdem sind viele dieser Plattformen, wie das Huione-Forum, international tätig, was die Rechtsdurchsetzung zusätzlich erschwert. Das bedeutet, dass wir dringend mehr internationale Zusammenarbeit und auch spezifische Regularien für KI-gestützte Betrugsbekämpfung brauchen.
Was können Anleger tun, um sich zu schützen?
Bontschev: Der wichtigste Tipp ist, misstrauisch zu bleiben – insbesondere bei vermeintlich „zu guten Angeboten“, die unrealistisch hohe Renditen versprechen. Anleger sollten jede Plattform, jede Kontaktperson und jede Investitionsmöglichkeit gründlich prüfen, bevor sie Geld investieren. Außerdem ist es hilfreich, sich über die neuesten Betrugsmethoden zu informieren, um Warnsignale rechtzeitig zu erkennen.
Und zuletzt: Wenn etwas verdächtig erscheint, lieber die Finger davon lassen. Seriöse Anbieter werden Sie niemals zu schnellen Entscheidungen drängen oder unklare Zahlungswege wie Kryptowährungen verlangen.
Frau Bontschev, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!