Auf dem Parkplatz vorm Supermarkt gegen ein anderes Auto gefahren? Manche Autofahrer schlagen dann schnell die Tür zu und hauen einfach ab. Fahrerflucht kann teuer werden und sogar den Führerschein kosten.
Fahrerflucht – das Wichtigste in Kürze
Späte Einsicht. Wenn Sie beim Ein- oder Ausparken ein stehendes Auto rammen und zunächst davonfahren, kommen Sie unter Umständen um die Strafe herum. Dazu müssen Sie den Unfall innerhalb von 24 Stunden bei der Polizei melden. Das Gericht mildert die Strafe oder sieht ganz davon ab, wenn der Schaden unter 1 300 Euro liegt.
Strenger Vorwurf. Werden Sie der Fahrerflucht beschuldigt, kann es sich lohnen, einen Rechtsanwalt einzuschalten. Vielleicht kann er die Einstellung des Strafverfahrens erreichen.
Löchriger Rechtsschutz. Die Rechtsschutzversicherung übernimmt zunächst die Kosten der Verteidigung. Werden Sie allerdings verurteilt, wird der Versicherer die verauslagte Summe zurückverlangen. Anders sieht es bei einer Einstellung aus: Die Versicherung zahlt.
Fahrerflucht – hohe Dunkelziffer
Es geht ganz schnell: Nur ein wenig verschätzt beim Ausparken. Oder beim Aussteigen stößt die Tür gegen das nebenan geparkte Auto – schon gibt es hässliche Kratzer oder Dellen. Der Impuls, sofort wegzufahren, ist dann groß. Jedes Jahr registrieren die Polizeidienststellen 250 000 bis 300 000 Unfallfluchten. Wie viele genau, weiß niemand. In der Regel sind es nur Kleinschäden, für die die Polizei keine Statistik führt. Das Statistische Bundesamt erfasst nur schwere Fälle und solche mit Personenschaden: 40 480 waren es im Jahr 2018.
Oft melden sich Zeugen bei der Polizei
Die Dunkelziffer dürfte daher enorm sein. Viele Betroffene bemerken den Schaden erst Tage später oder melden ihn gar nicht erst. Doch oft kann die Polizei den Täter ausfindig machen, weil Zeugen den Parkrempler gesehen haben. „Unfallflucht ist ein absoluter Dauerbrenner“, berichtet der Berliner Fachanwalt für Verkehrsrecht Marcus W. Gülpen. Wer erwischt wird, muss mit drastischen Strafen rechnen.
Geldstrafe, Fahrverbot, Führerscheinentzug
Unfallflucht gilt nicht bloß als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat. Das kann teuer werden, je nach Schaden:
- Bagatellschäden: Bei Kleinigkeiten können die Behörden ein Auge zudrücken. Liegt kein erheblicher Schaden vor, wird die Sache nicht als Unfallflucht verfolgt. Meist gilt eine Grenze von 20 bis 25 Euro, einige Gerichte gehen sogar bis 50 Euro. Aber: Auch wenn es nur eine Bagatelle ist, muss man den Schaden bezahlen.
- Sachschaden unter 600 Euro: Geldstrafe, oft mehrere Hundert Euro oder Einstellung des Verfahrens und Zahlung einer Spende für karitative Zwecke.
- Sachschaden bis zu 1 300 Euro: Geldstrafe, in der Regel maximal ein Monatsnettogehalt. Dazu zwei Punkte in Flensburg sowie ein bis drei Monate Fahrverbot. Einige Gerichte setzen die Wertgrenze auch bei 1 400 oder gar 1 600 Euro an. Bei teuren Pkw kann sie noch höher liegen.
- Sachschaden über 1 300 Euro: Strafe über einem Monatsgehalt, drei Punkte, in der Regel Entziehung der Fahrerlaubnis.
- Unfälle mit Verletzten oder Getöteten: Es drohen Haftstrafen von mehreren Jahren.
- Führerscheinneulinge in der Probezeit: Für sie kommt hinzu, dass sie ein Aufbauseminar absolvieren und eine Verlängerung der Probezeit hinnehmen müssen.
Bei den genannten Wertgrenzen zählen nur direkte Folgen des Unfalls wie Reparaturkosten, Abschleppen oder Wertverlust des Autos, nicht aber Mietwagen, Gutachterkosten oder Verdienstausfall.
Unfallflucht begeht nur, wer den Schaden bemerkt
Als Fahrerflucht gilt nur, wenn der Fahrer den Rempler auch bemerkt hat. Das entschied das Oberlandesgericht Hamburg im Fall eines Lkw-Fahrers, der nicht merkte, dass er mit dem Seitenspiegel ein Auto beschädigte (Az. 3 – 13/09), und erst einige Kilometer weiter darauf hingewiesen wurde.
Ein Autofahrer in Wuppertal schaute nach einem Parkrempler beim fremden Wagen nach, fand aber nur ein paar Kratzer, die offensichtlich schon älter waren. Also fuhr er nach Hause. Der Besitzer des fremden Autos stellte jedoch fest, dass der vordere Stoßfänger gestaucht war. 1 406 Euro kostete die Reparatur. Die musste die Versicherung des Schädigers zwar bezahlen. Aber das Landgericht Wuppertal sprach ihn vom Vorwurf der Unfallflucht frei. Der Schaden am Stoßfänger war für Laien nicht erkennbar. Auch die Polizisten hatten ihn bei der Unfallaunahme nicht gesehen. Unfallflucht begeht also nur, wer den Schaden bemerkt (Az. 25 Qs – 722 Js 660/15 – 5/15).
„Nichts bemerkt“ ist keine gute Ausrede
Doch einfach zu behaupten „Ich habe gar nichts bemerkt“ zieht kaum. Das gilt als klassische Schutzbehauptung. Richter bohren dann oft argwöhnisch nach, sodass gerichtsunerfahrene Laien sich leicht verhaspeln. In der Regel wird ein Gutachter beauftragt – häufig mit dem Ergebnis, dass auch eine leichte Kollision mit einem anderen Auto fühlbar oder hörbar war.
So musste eine 76-jährige Rentnerin 750 Euro Strafe zahlen. Sie hatte beim Ausparken ein anderes Auto berührt. Der Schaden betrug 411 Euro. Dass sie den Anstoß mit dem Klappern des Rollstuhls im Kofferraum verwechselt hatte, nahm das Gerichte ihr nicht ab.
Aussteigen und nachsehen
Vor allem wenn man ausgestiegen ist um nachzusehen, ist „nichts bemerkt“ keine gute Taktik. Eine Audi-Fahrerin hatte beim Ausparken den Nachbar-Pkw erwischt. Sie stieg aus, sah nach und fuhr dann weg. Ihrer Erklärung, sie habe nicht nach dem fremden Auto geschaut, sondern ihr Handy gesucht und es neben dem anderen Auto gefunden, glaubte das Amtsgericht Rheinbach nicht. Konsequenz: eine Geldstrafe und zwei Monate Fahrverbot (Az. 15 Ds 121/18).
Man hat das Recht zu schweigen
Nachteilig kann an dieser Ausrede auch sein, dass man damit zugibt, am Steuer gesessen zu haben. Ein Anwalt hätte möglicherweise geraten, keine Aussage darüber zu machen, wer gefahren ist. Dann muss die Polizei herausfinden, wer es war. Zeugen erkennen oft nur das Nummernschild, nicht den Fahrer. Man hat das Recht zu schweigen. Auch wer annimmt, nicht selber den Kratzer oder die Delle am fremden Fahrzeug verursacht zu haben, riskiert eine Strafverfolgung wegen Fahrerflucht, wenn sich später herausstellt, dass er es doch war (Landgericht Saarbrücken, Az. 13 S 75/10).
Polizei rufen oder 30 Minuten warten
Ist ein Parkrempler passiert, sollte man die Polizei rufen oder an Ort und Stelle warten, bis der Geschädigte kommt. Es reicht nicht, einen Zettel mit den eigenen Personalien unters Wischerblatt zu klemmen. Das Papier könnte vom Wind weggeweht oder von einem Fremden weggenommen werden.
Mindestens 30 Minuten warten
Wer sich fürs Warten entscheidet, muss in der Regel mindestens etwa 30 Minuten dableiben, sicherer sind 60 Minuten. Auf einem Supermarktparkplatz beispielsweise ist davon auszugehen, dass der geschädigte Autobesitzer in dieser Zeit zurückkehrt. Erst danach darf man wegfahren, muss den Vorfall aber umgehend der Polizei melden, am besten noch vor Ort per Handy. Die Wartezeit gilt auch, wenn man wegen eines wichtigen Termins in Eile ist.
Wenn es schnell gehen soll, ruft man am besten sofort die Polizei. Kürzer darf das Warten ausfallen, wenn absehbar ist, dass ohnehin niemand kommt, zum Beispiel nachts auf einer einsamen Landstraße. Das Oberlandesgericht Dresden fand fünf bis zehn Minuten ausreichend, als ein Mann nachts gegen 2.30 Uhr gegen die Mittelleitplanke der Autobahn gefahren war. Bei Schneefall, Hagel und Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt musste er sich nicht der Gefahr aussetzen, länger auf dem Standstreifen der Autobahn anzuhalten (4 U 447/18).
Irrtum: 24 Stunden Frist zum Nachmelden
Dass es reicht, den Schaden innerhalb der nächsten 24 Stunden zu melden, ist ein weit verbreiteter Irrtum. Wer wegfährt, begeht Unfallflucht, auch wenn er sich wenige Stunden später meldet. Das gilt lediglich als „tätige Reue“, sodass die Behörde die Strafe mildern oder sogar ganz davon absehen kann, das Wegfahren als Straftat zu behandeln.
Das macht sie aber nur, wenn der Vorfall im ruhenden Verkehr passierte, also zum Beispiel ein Parkrempler, und wenn es lediglich ein Schaden von unter 1 300 Euro entstanden ist. Und: wenn die Polizei bereits Kenntnis von dem Vorfall hat kommt die tätige Reue zu spät.
Bei Bagatellen keine Unfallflucht
Nur bei Bagatellschäden entfällt die Wartezeit. Eine 83-Jährige, die einen Baum touchiert hatte und dann nach Hause gefahren war, um von dort ihre Versicherung anzurufen, bekam vorm Landgericht Magdeburg Recht: Der Baum hatte allenfalls kleine Kratzer an der Rinde abbekommen, die bei Straßenbäumen nicht unüblich sind (Az. 11 O 1063/19).
Ähnlich ist es, wenn ein Autofahrer eine Leitplanke berührt und nur kleine Kratzerchen verursacht, die ebenso gut von Rollsplit herrühren könnten (Oberlandesgericht Hamm, Az. 20 U 240/15).
Doch Vorsicht: Vieles, was nach einer Kleinigkeit aussieht, kann teure Reparaturen auslösen. Ein Aston-Martin-Fahrer war gegen die Blechbrüstung eines U-Bahn-Eingangs gefahren. Er hielt den Schaden für eine Bagatelle und fuhr weg. Die Reparatur kostete jedoch 21 000 Euro (Amtsgericht München, Az. 343 C 9528/14).
Nicht jeder muss bleiben
Doch nicht jeder, der in einen Unfall verwickelt ist, begeht Unfallflucht, wenn er den Ort des Geschehens verlässt. Das entschied das Oberlandesgericht Stuttgart im Fall eines Fahrers, der zum Abbiegen auf der Strecke gehalten hatte. Sein Hintermann bremste, ein weiterer Fahrer fuhr diesem auf. Obwohl die Hinterleute den Vordermann beschuldigten, parkte er und ging. Zu Recht. Er hatte den Unfall nicht verursacht, sondern war nur Ursache der Fahrfehler der Hinterleute (Az. 4 Ss 181/03).
Tipp: Wer Ärger vermeiden will, wartet auch in solchen Fällen auf die Polizei.
Teurer Ärger mit der Versicherung
Weniger gnädig ist die Kfz-Versicherung (zum Vergleich Autoversicherung der Stiftung Warentest). Der Versicherungsvertrag verpflichtet Autofahrer, bei der Klärung des Sachverhalts zu helfen. Unfallflucht ist das Gegenteil davon – vor allem, weil der Versicherer dann nicht mehr prüfen kann, ob eventuell alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit im Spiel war, die nach 24 Stunden kaum noch nachzuweisen ist.
Sofort dem Versicherer Bescheid geben
Auch wenn man sich am Folgetag in tätiger Reue der Polizei stellt, darf die Vollkasko die Zahlung ablehnen oder kürzen, entschied das Oberlandesgericht Oldenburg (Az. 3 U 2/03). Es stellte klar: Fahrer müssen den Unfall sofort melden, damit der Versicherer prüfen kann, ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt. In dem Fall war der Autofahrer von der Straße abgekommen, hatte ein Straßenschild umgeknickt, einen Vorgarten durchpflügt und dabei mehrere Bäume und Büsche beschädigt. Dieser Fremdschaden betrug lediglich 270 Euro. Der Schaden am Auto war dagegen viel höher: 9 100 Euro. Auf diesen Kosten blieb er sitzen.
Auch im Fall eines Fahrers, der nachts eine Gartenmauer rammte, danach das Auto mitsamt Papieren zurückließ und nach Hause ging, bevor die Polizei feststellen konnte, ob er alkoholisiert war, brauchte die Vollkasko nicht zu zahlen (Oberlandesgericht Saarbrücken, Az. 5 U 424/08).
Fremdschaden nur minimal
Anders ist das, wenn der Fremdschaden nur minimal ist. So musste die Kaskoversicherung der 83-jährigen Rentnerin, die einen Baum touchiert hatte, 5 530 Euro Reparaturkosten für den Wagen ersetzen, weil der Baum lediglich winzige Kratzer abbekommen hatte (Landgericht Magdeburg, Az. 11 O 1063/19).
Kfz-Haftpflicht will bis zu 5 000 Euro Regress
Zusätzlich macht die eigene Kfz-Haftpflichtversicherung Ärger. Zwar begleicht sie den Schaden am fremden Auto – im Fall des Oldenburger Fahrers 270 Euro. Doch sie darf von ihrem Kunden Regress fordern, sodass er diesen Betrag der Versicherung erstatten muss. Der Regress ist begrenzt auf maximal 2 500 Euro, in schweren Fällen von Fahrerflucht auf 5 000 Euro.
Als schwerer Fall gilt etwa, wenn Personen zu Schaden kamen oder der Fahrer damit rechnen muss, dass Menschen verletzt wurden (Landgericht Heidelberg, Az. 3 S 26/13). Das Gleiche gilt, wenn der Fahrer nach dem Unfall Spuren verwischt oder falsche Angaben macht (Oberlandesgericht Celle, Az. 8 U 79/09).
Wer zahlt meinen Schaden?
Hat der Schädiger das Weite gesucht und ist nicht zu ermitteln, bleibt das Opfer auf dem Schaden sitzen. Wer eine Vollkasko hat, kann diese in Anspruch nehmen. Sie stuft jedoch anschließend den Schadenfreiheitsrabatt zurück. Das kann über die nächsten Jahre einige tausend Euro kosten. Auf kleineren Schäden durch Parkrempler bleiben die Opfer daher in der Regel sitzen.
Einkaufswagen: Zahlt die Privathaftpflicht?
Wenn auf dem Supermarktparkplatz der Einkaufswagen wegrollt und ein anderes Auto zerkratzt, sehen viele Gerichte es als Fahrerflucht an, wenn man einfach wegfährt. Das ist aber umstritten. Wichtig ist, ob der Kratzer beim Betrieb des Pkw entstanden ist. Das Beladen des eigenen Autos mit den Einkäufen kann man als Betrieb des Pkw werten, aber wohl eher nicht, wenn das Malheur auf dem Weg von der Kasse zum Auto passiert.
Im ersten Fall liegt ein Unfall vor und die Kfz-Haftpflichtversicherung zahlt den Fremdschaden, stuft aber danach den Schadenfreiheitsrabatt zurück. Im zweiten Fall wäre die eigene Privathaftpflichtversicherung zuständig. Der Vorteil dann: Bei der Privathaftpflicht gibt es keine Rückstufung (zum Vergleich Privathaftpflichtversicherung der Stiftung Warentest).
Tier überfahren: Keine Fahrerflucht
Ein Tier zu überfahren, ist schlimm. Aber wer nicht anhält, begeht keine Fahrerflucht. Bei kleinen Wildtieren wie Fuchs, Hase, Kaninchen, Igel oder Fasanen rät der ADAC sogar vom Anhalten ab. Das Risiko, sich beim Herumlaufen auf der Straße in Gefahr zu bringen, sei unnötig, da die angefahrenen Tiere meist sofort tot oder so schwer verletzt, dass ihnen nicht mehr zu helfen ist.
Anders ist das bei größeren Tieren. Unfälle mit Wild wie Reh oder Wildschwein sind in vielen Bundesländern meldepflichtig. Schon um dem Tier unnötige Qualen zu ersparen, sollte man nachsehen und die Polizei rufen. Auch bei einem Hund oder einer Katze sollte man nachsehen. Oft lassen sich die Besitzer ausfindig machen. Hat das Auto bei der Kollision Schaden genommen, müssen sie dafür gegebenenfalls aufkommen.
Tipp: Im Special Wildunfall lesen Sie, wie man sich nach am besten verhält.
Quelle: https://www.test.de/Parkrempler-und-Fahrerflucht-Das-ist-die-Rechtslage-4489179-0/