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EuGH überprüft Nutzungsentschädigung für VW im Dieselskandal

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motointermedia (CC0), Pixabay

Im Diesel-Abgasskandal von VW gibt es einige Fragen, die auf höchstrichterliche Antworten warten. Eine davon ist das Thema Nutzungsentschädigung. Am Europäischen Gerichtshof EuGH in Luxemburg liegt ein Verfahren des Landgerichts Gera zur Vorabentscheidung vor, in dem es genau um diesen strittigen Themenkomplex geht (Az.: C-663/19). VW wird in der Regel vor Gericht zu Schadensersatz im Diesel-Abgasskandal verurteilt. Die Nutzungsentschädigung, die der Verbraucher für den Gebrauch des Fahrzeuges an VW zu entrichten hat, verringert den Schadensersatz.

Wird da kriminelle Energie honoriert? Nun steht diese Entschädigung auf dem Prüfstand, wenn nicht sogar auf der Kippe. Die Oberlandesgerichte Hamburg und Brandenburg haben jüngst die Sinnhaftigkeit der Nutzungsentschädigung angezweifelt. Und das kurz vor dem ersten Termin am Bundesgerichtshof BGH am 5. Mai 2020.

Trickserei darf im Diesel-Abgasskandal nicht honoriert werden

Wer trickse und betrüge, könne nicht noch damit rechnen, mithilfe der Nutzungsentschädigung seine gerechte Strafe zu verringern, argumentiert Verbraucheranwalt Dr. Ralf Stoll von der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Lahr. VW sei es nur um Kostensenkung und Gewinnmaximierung gegangen. Das sei auf kriminelle Weise durchgezogen worden. „Der Konzern hat sich einen Wettbewerbsvorteil auf Kosten der gutgläubigen Kunden verschafft.“ Die Geschädigten werden durch die Nutzungsentschädigung unzumutbar belastet und VW unbillig entlastet. „Insgesamt hat sich jedoch die Rechtsprechung seit Beginn des Skandals im September 2015 zugunsten der Verbraucher entwickelt. VW muss und wird zur Rechenschaft gezogen.“ Und Stoll ist sich sicher, dass BGH und auch EuGH sich den Argumenten der Verbraucheranwälte nicht verschließen können. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer gehört zu den führenden im Abgasskandal. Die Inhaber vertreten darüber hinaus rund 450.000 Verbraucher in der Musterfeststellungsklage gegen VW.

Landgericht Gera mit vier Vorabentscheidungen vor dem EuGH

Das Landgericht Gera hat insgesamt vier Vorabentscheidung in VW-Verfahren zum EuGH entsandt (Az.: C 633/19; C 759/19; C 809/19 und C 808/19). Im ersten deutschen Verfahren aus Gera (Az.: C 663/19), das am 6. September 2019 am EuGH einging, will das Gericht wissen, ob VW durch den Einbau einer illegalen Abschalteinrichtung EU-Recht gebrochen hat, das auch den Käufer des Autos schützen sollte. Wenn der EuGH das so sieht, ist VW nach Paragraph 826 BGB zu verurteilen – meint das Gericht in Gera. Außerdem soll Luxemburg für Gera die Frage ausloten, ob VW bei einer Rückabwicklung des Kaufvertrags überhaupt eine Nutzungsentschädigung zusteht. Schließlich habe der Autohersteller gegen seine europarechtlichen Pflichten verstoßen und seine Kunden getäuscht. Darf das honoriert werden? In der originalen Gerichtsvorlage liest sich das folgendermaßen:

„Sind §§ 6, 27 EG-FGV bzw. Art. 18 Abs. 1, 26 Abs. 1,46 der Richtlinie 2007/46/EG und Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 715/2007 dahin auszulegen, dass im Falle eines Verstoßes hiergegen die Anrechnung einer Nutzungsentschädigung für die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs auf den Schaden des Endkunden ganz oder teilweise (ggf.: in welcher Weise bzw. in welchem Umfang?) zu entfallen hat, wenn der Endkunde wegen dieses Verstoßes die Rückgängigmachung des Fahrzeugkaufvertrages verlangen kann und verlangt? Ändert sich an der Auslegung etwas, wenn der Verstoß einhergeht mit der Täuschung der Genehmigungsbehörden und der Endkunden darüber, dass alle Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind und der Einsatz des Fahrzeugs im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig ist, und Verstoß und Täuschung zu dem Zweck der Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen unter gleichzeitiger Verschaffung eines Wettbewerbsvorteils auf Kosten der ahnungslosen Kunden erfolgen?“

Gerichte verweigern VW zunehmend die Nutzungsentschädigung

Eine zunehmende Anzahl von deutschen Gerichten haben VW die Nutzungsentschädigung mittlerweile verweigert. Der 15. Zivilsenat am Hanseatischen Oberlandesgericht kritisierte in einem Hinweisbeschluss vom 13. Januar 2020 (Az.: 15 U 190/19) die Praxis der Nutzungsentschädigung. Das Gericht erkannte, dass der Autobauer die Verfahren in die Länge ziehe, um so die Entschädigung in die Höhe zu treiben und die Schadensersatzzahlung an den Verbraucher zu minimieren. Diesen Umstand rügten die Richter in Hamburg in ihrem Beschluss ausdrücklich. Sie regten an, dass der Kläger nur für den Zeitraum bezahlen müsse, bis er VW zur Rückabwicklung des Kaufs aufgefordert habe.

Das Oberlandesgericht Brandenburg zweifelte in einem Gütetermin (Az.: 3 U 61/19) vom 17. Dezember 2020 ebenfalls an der Nutzungsentschädigung. Der Senat sieht gute Argumente, die Entschädigung nicht zu gewähren. Der Kläger habe den Kaufvertrag durch die Täuschung von VW unfreiwillig abgeschlossen. Die Nutzungsentschädigung würde VW Kapital in die Hände spielen, das sich der Autobauer durch Täuschung erschlichen hat. Der Senat stellte daher die Überlegung an, dass dem Geschädigten im Falle des Abzugs einer Nutzungsentschädigung ebenfalls eine Kompensation zusteht. Jedenfalls dürfe die Nutzungsentschädigung nicht aus dem vollen Kaufpreis berechnet werden, da das Fahrzeug aufgrund des gravierenden Mangels von Anfang an einen Minderwert in sich trug.

Auch die Rechtsprechung beim Thema Nutzungsentschädigung hat sich gegen VW gewandt. Tenor von zahlreichen Gerichten: Eine Nutzungsentschädigung führe zu einer „unbilligen Entlastung des Beklagten“ – zumal dieser den Kunden vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt habe. Zudem dürfe der Kläger nicht unverhältnismäßig belastet werden. VW zog daraufhin die Beschwerde gegen das Urteil der ersten Instanz zurück. Der Kläger erhält nun den vollen Kaufpreis für das Auto zurück, ohne dass eine Nutzungsentschädigung abgezogen wird.

Quelle: https://www.anwalt.de/rechtstipps/diesel-abgasskandal-eugh-ueberprueft-nutzungsentschaedigung-fuer-vw_163225.html

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