Start Verbraucherschutz Anlegerschutz Kleine Anfrage der Linken zu PIM Gold und UDI Festzins

Kleine Anfrage der Linken zu PIM Gold und UDI Festzins

570
geralt / Pixabay

Kleine Anfrage der Abgeordneten Jörg Cezanne, Fabio De Masi, Klaus Ernst, Ulla Jelpke,Caren Lay, Michael Leutert, Thomas Lutze, Pascal Meiser, Amira Mohamed Ali, Niema Movassat, Victor Perli, Bernd Riexinger, Alexander Ulrich, Andreas Wagner, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE

Kollektiver Verbraucherschutz durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz von 2015 wurde der kollektive Verbraucherschutz gesetzlich als Aufsichtsziel der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin, fixiert. Kollektiver Verbraucherschutz bedeutet, dass die BaFin Verbraucher und Verbraucherinnen in ihrer Gesamtheit schützt.

Individuelle Verbraucherinteressen sollen durch Ombudsleute, Schiedsstellen, Gerichte und Verbraucherzentralen geschützt werden. Die BaFin kann fortan gegenüber Kreditinstituten, Kapitalverwaltungsgesellschaften, Versicherungen oder anderen Anbietern von Kapitalanlagen alle Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu verhindern oder zu beseitigen, wenn eine generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten erscheint.

Unter „Missstand“ wird ein erheblicher, dauerhafter oder wiederholter Verstoß gegen ein Verbraucherschutzgesetz verstanden, der nach seiner Art oder seinem Umfang die Interessen nicht nur einzelner Verbraucher und Verbraucherinnen gefährden kann. Mit dieser kleinen Anfrage soll in Erfahrung gebracht werden, wie sich der kollektive Verbraucherschutz in Deutschland seit seiner Verankerung als Aufsichtsziel entwickelt hat.

UDI

Auch zwei aktuelle Fälle werfen Fragen bezüglich des kollektiven Verbraucherschutzes auf: Die UDI UmweltDirektInvest mit Sitz in Nürnberg ist ein großer, bankenunabhängiger Direktvertrieb für ökologische Geldanlagen.

Sie hat in den vergangenen 20 Jahren eine halbe Milliarde Euro bei rund 17.500 Anleger und Anlegerinnen eingesammelt (vgl. www.udi.de/newsletter/newsletter_2019/154/4_artikel.php). Mittlerweile gibt es sieben Mitteilungen gemäß § 11a des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG), wonach Gelder der Anleger und Anlegerinnen gefährdet sind. Kein einziger anderer Anbieter hat aufgrund dieser Vorschrift so häufig über die Gefahr des Ausfalls von Anlegergeldern berichtet (vgl. Stiftung Warentest, UDI-Anlegergelder in Gefahr, www.test.de/Oekologische-Geldanlage-UDI-Anlegergeld-in-Gefahr-5437134-0/, 13.06.2019). Es soll daher erfragt werden, in welcher Form Verbraucher und Verbraucherinnen in diesem Fall kollektiv geschützt werden (können).

Die im hessischen Heusenstamm ansässige PIM Gold- und Scheideanstalt ist ein Edelmetalllieferant und erwirtschaftet vermutlich jährlich rund 100 Mio. Euro Umsatz.

Dabei werden Anleger und Anlegerinnen und deren Kindern beispielsweise Goldsparpläne verkauft, die über sogenanntes Bonusgold eine Art Verzinsung gewähren. Hinzu kommen hohe Vertriebsprovisionen für ein achtstufiges Vertriebssystem.

Wie Kosten für den Vertrieb und die Verzinsung verdient werden sollen, ist nach Presseberichten aus dem Geschäftsmodell nicht erkennbar (vgl. Handelsblatt, Ein Streit verfeindeter Goldhändler schreckt Anleger auf, 10. Juli 2019).

Wegen Beschwerden von Anleger und Anlegerinnen ist die BaFin schon vor Jahren aktiv geworden. Wir fragen hier nach dem aktuellen Sachstand und danach, wie gut Verbraucher und Verbraucherinnen geschützt sind.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele neue Stellen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Stellen- bzw. Personalplan bei der BaFin seit Mitte 2015 geschaffen, um den Auftrag des kollektiven Schutzes von Verbraucherinteressen zu erfüllen (bitte für jedes Jahr einzeln aufschlüsseln)?

2. In welchen Bereichen wurden diese Stellen jeweils geschaffen?

3. Wie viele weitere neue Stellen sollen in den kommenden Jahren geschaffen werden?

4. Wie viele

a) Rundschreiben

b) Auslegungsentscheidungen

c) Merkblätter

d) Veröffentlichungen

e) Verfügungen und

f) Leitlinien hat die BaFin nach Kenntnis der Bundesregierung insgesamt sowie mit Bezug zum Verbraucherschutz jeweils in den Jahren 2016, 2017 und 2018 erlassen (bitte für a bis f sowie für jedes Jahr einzeln aufführen)?

5. Bei wie vielen dieser grundlegenden Papiere (Frage 4a bis 4f) haben nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils eine Vertreterin/ein Vertreter aus einem Verbraucherschutzreferat mitgewirkt (bitte einzeln aufschlüsseln)?

6. Falls nicht immer eine Verbrauchervertreterin/ein Verbrauchervertreter involviert war, wie wurden und werden die Verbraucherinteressen auf diesem Wege ausreichend berücksichtigt?

7. Wie beabsichtigt die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit der BaFin zukünftig, in diesen Fällen Verbraucherinteressen zu berücksichtigen? Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass in diesem Bereich Verbraucherinteressen stärker berücksichtigt werden sollten?

8. Welche Erfahrungen hat die Bundesregierung bislang mit dem Instrument bzw. Aufsichtsziel des kollektiven Verbraucherschutzes der BaFin gesammelt?

9. Welche diesbezüglichen Rückmeldungen bekam sie aus der BaFin? Welche diesbezüglichen Rückmeldungen bekam sie vom Marktwächter Finanzen und den Verbraucherzentralen?

10. Sieht die Bundesregierung generell bezüglich des Instruments des kollektiven Verbraucherschutzes (gesetzlichen) Änderungsbedarf? Wenn ja, warum, und an welchen Stellen genau? Wenn nein, warum nicht?

11. Gibt es Pläne der Bundesregierung, eine Evaluierung der gesetzlichen Änderungen bezüglich des kollektiven Verbraucherschutzes vorzunehmen? Falls nein, warum nicht?

12. Gibt es nach Wissen der Bundesregierung Erkenntnisse der BaFin, in welchen Bereichen die Umsetzung des kollektiven Verbraucherschutzes im Finanzbereich noch an gesetzlichen Vorgaben scheitert? Welche Bereiche sind das? Welche Änderungen sind geplant oder werden ins Auge gefasst?

13. Positioniert sich die Bundesregierung zu der Forderung, die Aufsichtsziele der BaFin dahin gehend zu erweitern, dass diese eine kollektive Sicherung der Rechtsverfolgung zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher gewährleisten muss, zu der nach Ansicht der Fragesteller u. a. gehört, dass Maßnahmen ergriffen werden, die eine Verjährung von Anlegeransprüchen hemmen? Wenn ja, wie (bitte zu jedem der drei Punkte unter Forderung 2 einzeln ausführen, Bundestagsdrucksache 18/8609, „Finanzaufsicht nach Anlagepleiten zum Schutz von Verbraucherinteressen stärken“)?

14. Inwieweit ist die BaFin nach Kenntnis der Bundesregierung aus Gründen des kollektiven Verbraucherschutzes im Zusammenhang mit der mobilen Bank N26 tätig geworden (vgl. Berliner Woche, N26 Bank von BaFin wegen Mängel angemahnt, 9. April 2019)? Wie ist hier der aktuelle Sachstand?

15. Wie erfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung die Zusammenarbeit der BaFin mit dem Verbraucherbeirat gemäß § 8a des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes (FinDAG)? In welcher Form bringt sich der Verbraucherbeirat in den Auftrag des kollektiven Rechtsschutzes der BaFin ein, und welche Mitentscheidungsbefugnisse stehen ihm dabei zu?

16. Wie oft wurden nach Kenntnis der Bundesregierung Vorschläge des Verbraucherbeirates für verbraucherschützende kollektive Maßnahmen durch die BaFin aufgegriffen, und wie oft wurden Maßnahmen abgelehnt? Welche Vorschläge wurden aufgegriffen, und welche abgelehnt (bitte einzeln aufschlüsseln)?

17. In welchem Maße greift die BaFin nach Kenntnis der Bundesregierung die Marktkontrollergebnisse und Erfahrungen des Marktwächters Finanzen auf und leitet Maßnahmen gegen Unternehmen der Finanzbranche ein? Um welche verbraucherrelevanten Missstände, Unternehmen, Maßnahmen durch die BaFin handelte es sich dabei (bitte aus den vergangenen fünf Jahren einzeln aufführen)?

18. Wie erfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung die Zusammenarbeit zwischen der BaFin und den Verbraucherverbänden, Schiedsstellen und Ombudsleuten, die die individuellen Verbraucherinteressen durchsetzen (können)? In welcher Form unterstützt die BaFin diese Stellen bei der Rechtsdurchsetzung zum Beispiel durch Informationen etc.?
19. Hat die BaFin bei der UDI UmweltDirektInvest nach Kenntnis der Bundesregierung Anfragen gestellt, um zu klären, ob Fragen des kollektiven Verbraucherschutzes betroffen sein könnten? Wenn ja, wie viele Fragen wurden in welchem Zeitraum gestellt und mit welchem Inhalt?
20. Wie hat die UDI auf etwaige Anfragen der BaFin reagiert, wie wurde inhaltlich geantwortet?
21. Was hat nach Kenntnis der Bundesregierung die BaFin getan, nachdem die Stiftung Warentest/Finanztest (Januar 2019) vor dem öffentlich angebotenen Produkt UDI Energie Festzins 14 gewarnt hatte?
22. Mit welcher Begründung wurde nach Kenntnis der Bundesregierung der Verkaufsprospekt zu UDI Energie Festzins 14 durch die BaFin freigegeben?
23. Warum gestattet nach Kenntnis der Bundesregierung die BaFin einen solchen Verkaufsprospekt trotz § 7 Absatz 1 VermAnlG („Der Verkaufsprospekt muss alle tatsächlichen und rechtlichen Angaben enthalten, die notwendig sind, um dem Publikum eine zutreffende Beurteilung des Emittenten der Vermögensanlagen und der Vermögensanlagen selbst zu ermöglichen“), obwohl im Verkaufsprospekt nichts darüber ausgeführt wird, wie die Gelder in den Vorgängerprodukten investiert wurden (vgl. www.udi.de/fileadmin/user_upload/Geldanlagen/UDI_Energie_FESTZINS_14/BaFin_prospekt_UDI_Energie_FESTZINS_14_web.pdf)?
24. Wie geht nach Kenntnis der Bundesregierung die BaFin damit um, wenn auf ihrer Website veröffentlichte Mitteilungen (von Produktanbietern) nach Ansicht der Fragesteller unvollständig und intransparent sind, wie im Falle der vier am 12. Juni 2019 auf der BaFin-Website veröffentlichten Mitteilungen nach § 11a VermAnlG, aus denen aber weder hervorging, um welche Projektgesellschaften es sich handelt, noch warum die vergebenen Nachrangdarlehen „leistungsgestört“ sind (vgl. u. a. www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Meldung/2019/meldung_190612_UDI_Energie_11_Forderungsausfall.html)?
25. Was hat nach Kenntnis der Bundesregierung die BaFin getan, um im Falle der UDI UmweltDirektInvest die Einhaltung der Transparenzvorschriften, insbesondere der Vorschrift, innerhalb von sechs Monaten nach Geschäftsjahresende einen Jahresabschluss zu veröffentlichen, sicherzustellen?
26. Hat die BaFin im Fall UDI nach Kenntnis der Bundesregierung etwas wegen Transparenzverstößen unternommen? Wenn ja, was? Wenn nein, warum nicht?
27. Welche Schritte insbesondere hinsichtlich des kollektiven Verbraucherschutzes hat die BaFin nach Kenntnis der Bundesregierung bei a) dem Nachrangdarlehen Te Solar Sprint IV der UDI und b) den Biogasprojekten der UDI bislang unternommen, da bei beiden die Rückzahlungen auszufallen drohen (vgl. www.anwalt.de/rechtstipps/udi-geldanlagen-anlegern-drohen-hohe-verluste-was-tun-anwaelte-informieren_156802.html, bitte einzeln aufschlüsseln)?
28. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der aktuelle Sachstand im Fall PIM Gold- und Scheideanstalt?
29. Was hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Prüfung von Kundenbeschwerden über die PIM Gold- und Scheideanstalt durch die BaFin bislang ergeben?
30. Inwieweit ist die BaFin nach Kenntnis der Bundesregierung bislang im Rahmen des kollektiven Verbraucherschutzes hinsichtlich der PIM tätig geworden?
31. Warum hat die BaFin nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Vermögensanlage „Kinder Gold Konto“ bzw. „Kinder-Gold-Kauf“ der PIM (vgl. https://pim-gold.com/2017/05/13/flexible-kindervorsorge-mit-dem-kinder-gold-kauf/) kein Vertriebsverbot im Rahmen ihres Rechts zur Produktintervention ausgesprochen? Ist eine solche Produktintervention aber geplant? Wenn nein, warum nicht?
32. Warum wurde die Warnung vor diesem „Kinder Gold Konto“ nach Kenntnis der Bundesregierung von der Website der BaFin genommen (vgl. www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Verbrauchermitteilung/weitere/2018/vm_181126_pim_gold_und_scheideanstalt.html)?
33. Inwieweit fallen nach Kenntnis der Bundesregierung alle verzinsungsorientierten Kapitalanlageangebote unter die Vorschrift des § 1 Absatz 2 Nummer 7 VermAnlG („sonstige Anlagen, die eine Verzinsung und Rückzahlung oder einen vermögenswerten Barausgleich im Austausch für die zeitweise Überlassung von Geld gewähren oder in Aussicht stellen“; sofern sie nicht unter die Nummer 1 bis 5 des § 1 Absatz 2 subsumiert werden können)?
34. Woran könnte es nach Auffassung der Bundesregierung in der Praxis scheitern, dass erkennbar verzinsungsorientierte Kapitalanlageangebote letztlich doch nicht unter die Vorschrift des § 1 Absatz 2 Nummer 7 VermAnlG fallen?
35. Sind solche Fälle der Bundesregierung bzw. der BaFin bekannt? Um welche Fälle handelt es sich dabei im Einzelnen?
36. Inwieweit gedenkt die Bundesregierung an dieser Stelle tätig zu werden, um wenigstens eine sinnvolle Transparenz durch Verkaufsprospekte zu gewährleisten?
37. Inwieweit hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die BaFin mit der Staatsanwaltschaft Darmstadt, die im Fall PIM gegen Verantwortliche wegen des Verdachts auf Betrug ermittelt, ausgetauscht (vgl. https://investmentcheck.de/?nv=5814&id=4461)? Was sind die Ergebnisse dieses Austauschs?
38. Hat die BaFin nach Kenntnis der Bundesregierung bei der PIM Nachweise eingefordert, wie viel Gold an Anlegerinnen und Anleger verkauft wurde, und wie viel Gold tatsächlich vorhanden ist, nicht zuletzt weil der Vorwurf im Raume steht, nicht alles Gold der Anlegerinnen und Anleger sei vorhanden (vgl. https://investmentcheck.de/?nv=5814&id=4461)? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie ist das Verhältnis zwischen verkauftem und verfügbarem Gold bei der PIM?
39. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der aktuelle Sachstand bezüglich des Geldwäscheverdachts (und einigen Razzien) gegenüber der PIM Gold GmbH (vgl. Handelsblatt, Geldwäsche-Razzia bei PIM Gold wirft Fragen auf, 11. Juli 2019)? Wie kooperieren hierbei bislang Staatsanwaltschaft und BaFin?
Berlin, den 26. Juli 2019
Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein