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Geldsparen und Psychologie

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Ingvar Kamprad weiß als Gründer von IKEA, wie er Geld sparen  kann. Einweggeschirr wäscht er trotz zusätzlicher Mühen. Mit der Bahn nutzt er den Seniorenrabatt. Im Internet sucht er nach den billigsten Reisen. Kurz vor Ladenschluss kauft er dann billigere Frischprodukte. Mit Hilfe des legendären Billy-Regals ist Kamprad zum mehrfachen Milliardär geworden. Warum befremden die Geschichten von geizigen Millionären und Superreichen?

Der Grund liegt im groben Missverhältnis zwischen den Millionen, die sie besitzen, und den winzigen Beträgen, die sie sparen. Normalverdiener können mit der Ersparnis von Kleingeldbeträgen rasch auf Einkommen und Ersparnisse Einfluss nehmen – in der Summe ist es das berühmte Kleinvieh, das den Mist (= Vermögen) macht. Fühlen sich diese Menschen dann als Geizkragen? Dürfen wir uns nichts gönnen? Mit Aufmerksamkeit lassen sich Mittel sparen, ohne sich als Geizkragen zu outen. Das meiste Geld geht „in unserem Kopf“ verloren.

Als Beispiel sollen hier eine Jacke für 125 Euro und ein Taschenrechner für 15 Euro dienen. Den Taschenrechner gibt es in einer 15 Minuten entfernten Filiale im Sonderangebot für 10 Euro. Mit 15 Minuten fünf Euro zu sparen? Aber ja! Wenn es die Jacke in einem anderen Laden in 10 Minuten Entfernung zu 120 Euro gibt,  fahren die meisten nicht in das andere Geschäft. Beim Vergleich der Ergebnisse ergibt sich ein verstörender Befund: Geht es um einen Taschenrechner im Wert von zehn Euro, entsteht die Bereitschaft, sich für eine Ersparnis von fünf Euro ins Auto zu setzen. Kostet die Jacke in kleinerer Entfernung nur 120 Euro, scheint die gleiche Ersparnis den Weg nicht wert zu sein.

Die Psychologie mit dem Weber-Fechner-Gesetz betört die Menschen. Es besagt, dass die Wahrnehmung von Reizen durch die Ausgangsstärke eines Reizes definiert wird. Werden in einem Raum mit zehn Kerzen eine weitere Kerze und im Nachbarraum mit 100 Kerzen eine weitere entzündet, empfinden Menschen den zweiten Raum nicht als heller.  Einen Reiz wahrzunehmen hängt nicht nur von dessen absoluter Stärke ab, sondern von der Ausgangsstärke des Reizes. Analog ist es bei Jacke und Taschenrechner. Bei der Jacke ist die Ersparnis prozentual gering, also vermeintlich verzichtbar (Beck, H.; Uni Pforzheim). Das Verhältnis zwischen beiden Preisen wird durch die – vom konventionell denkenden Menschen nicht wahrgenommene –  empfundene und nicht reale Mathematik in seinem Gehirn gesteuert. Dafür ist bei Mathematikern die Umsetzung der Effekte aus der Hirnforschung verantwortlich. An der absoluten Ersparnis ändert sich mit fünf Euro nichts.

Diese simple Erkenntnis kann Haushaltsfinanzen in Schieflage bringen, wenn größere Anschaffungen getätigt werden. Als Beispiel dient ein Elektroartikel für 800 Euro, zu dem eine – zumeist unnütze – Versicherung angeboten wird, die fünf Euro pro Monat kostet. Was können fünf Euro im Vergleich zu jenen 800 Euro bedeuten, die das Gerät kostet? Also wird die Versicherung gezeichnet, zumal fünf Euro pro Monat billig klingen und pro Jahr 60 Euro anfallen. Das funktioniert bei allen teuren Anschaffungen. Neben dem teuren Hauptpreis wirken manche Ausgaben so gering, dass Käufer nicht darüber nachdenken – wie zusätzliche Garantien, ein Pflegeset, Extras und Trinkgelder im teuren Urlaub, teure Accessoires!

Diese kleinen Extra-Ausgaben summieren sich zu einem Batzen Geld. Beim Hausbau kann sich das verstärkt auswirken, wenn für jedes Ausstattungsdetail nur das Beste in Frage kommt, was wegen der hohen Bausumme prozentual nicht ins Gewicht fällt.

Neben dem Weber-Fechner’schen Gesetz erklären sich diese Kleingeldfallen aus der Angewohnheit aller Verbraucher, für finanzielle Angelegenheiten mentale Konten zu bilden. Kein Mensch hat seine gesamten Finanzen im Kopf. Jedem Vorgang wird ein mentales Konto zugewiesen, auf denen Ein- und Ausgaben verbucht werden. Im Falle von Jacke und Taschenrechner wurde ein gedankliches Konto für den gewählten Kauf eröffnet. Jede Zusatzausgabe wird auf diesem Konto verbucht. Das Weber-Fechner-Gesetz schlägt zu: Bei 125 Euro auf dem Konto machen fünf Euro prozentual wenig aus. Die Lösung liegt in der Einrichtung eines anderen gedanklichen Kontos. Dann erscheinen die fünf Euro in einem anderen gedanklichen Licht. Diese Umbuchung schafft zeitlichen Abstand. Waschmaschine, Laptop, Schuhe werden gekauft, aber Zusatzversicherungen abgelehnt – mit dem Versprechen, sich die Sache zu Hause durch den Kopf gehen zu lassen.

Zwischen dem Kauf des Hauptproduktes und dem Kauf des Zusatzproduktes sollte Zeit verstreichen. Das verschafft mentale Distanz, die dazu führt, dass das Zusatzprodukt auf einem anderen mentalen Konto verbucht wird. Eine zweite Falle ist bei der mentalen Kontenbildung zu berücksichtigen: Kleingeld wird gern auf einem vermischten Konto für sonstige Ausgaben verbucht. Dieses Konto wird kaum beachtet. Jeder Betrag, der dort eingeht, wird nicht weiter verfolgt. Rasch sammeln sich große Summen an. Beim Kassensturz und Nachrechnen würden Verbraucher erschrecken. Gegenmaßnahmen: Ein oder zwei Monate lang sollten alle Kleinausgaben, die nicht eindeutig zuordnen sind, aufgeschrieben und am Ende des Monats addiert werden. Das könnte sich als Schock erweisen, der zur finanziellen Disziplin führen kann (Beck, ebda). IKEA-Gründer Ingvar Kamprad muss nicht zwingend Beispielgeber sein.

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