Es ist ein Verbrechen im Verborgenen – und es kostet die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland jedes Jahr Summen in Milliardenhöhe: Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen. Ob Arztpraxen, Pflegedienste, Apotheken oder Physiotherapeuten – überall gibt es schwarze Schafe, die mit falschen Rechnungen schnelles Geld machen wollen. Doch ihnen sind mittlerweile spezialisierte Ermittler auf der Spur – wie Emil Penkov von der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) in Hannover.
Ein Ermittler zwischen Paragrafen und Puzzleteilen
Seit knapp einem Jahr leitet Emil Penkov das Ermittlungsteam der KKH. Der Jurist ist kein klassischer Kriminalbeamter, sondern Fahnder im Auftrag der Krankenkasse. Doch seine Arbeit unterscheidet sich kaum von der polizeilichen Ermittlungsarbeit: Es geht um Beweise, um Geduld, um Ausdauer – und oft auch um ein gutes Gespür.
„Die Betrugsmaschen werden immer raffinierter“, erzählt Penkov. Und er weiß: Betrüger sind erfinderisch. Ob fingierte Behandlungen, überhöhte Medikamenten-Abrechnungen oder sogar gefälschte Rezepte – die Methoden sind vielfältig. Doch nicht jeder Fall ist schnell gelöst. „Manchmal ist es echte Puzzlearbeit, bis sich ein Bild ergibt“, so der Chef-Ermittler.
Verdächtige Umsätze und unmögliche Arbeitszeiten
Aktuell beschäftigt Penkov ein besonders dreister Fall: Eine Physiotherapiepraxis soll über Monate hinweg derart viele Behandlungen abgerechnet haben, dass das vorhandene Personal theoretisch Tag und Nacht hätte durcharbeiten müssen. Ein klarer Fall von Betrugsverdacht. Nun wird genau geprüft: Wie waren die Abrechnungen in den Vorjahren? Stimmen die Umsätze mit der Realität überein?
Solche Ermittlungen sind längst kein Einzelfall mehr. Allein bei der KKH werden pro Jahr rund 500 Betrugsfälle aufgedeckt – mit einem Schaden von rund 5,5 Millionen Euro. Doch selbst wenn Betrüger überführt werden, gelingt es meist nur, einen Bruchteil des Geldes zurückzuholen. „Etwa eine Million Euro schaffen wir im Schnitt wieder einzutreiben“, sagt Penkov.
Milliarden-Schäden – und das wahre Ausmaß bleibt unbekannt
Dabei sind diese Summen nur die Spitze des Eisbergs. Experten gehen davon aus, dass der tatsächliche Schaden durch Abrechnungsbetrug deutlich höher liegt – vermutlich sogar im zweistelligen Milliardenbereich. Internationale Studien schätzen, dass zwischen fünf und zehn Prozent der Gesundheitsausgaben durch Betrug verloren gehen. Überträgt man diese Zahlen auf Deutschland, könnte der jährliche Schaden zwischen 16 und 32 Milliarden Euro liegen.
Hinweise aus der Praxis – oft anonym
Wichtigste Waffe im Kampf gegen den Betrug: Hinweise aus dem Inneren. Immer wieder melden sich ehemalige Mitarbeiter, Patienten oder Angehörige bei den Ermittlern. „Solche Insider-Informationen sind für uns Gold wert“, betont Penkov. Sie können telefonisch, per Post oder über spezielle Meldeportale anonym abgegeben werden.
Doch auch die Technik spielt eine immer größere Rolle. Datenanalyse, künstliche Intelligenz und spezielle Software sollen künftig helfen, verdächtige Muster noch schneller zu erkennen. „Manuelle Einzelfallprüfung reicht bei der Masse an Abrechnungen längst nicht mehr aus“, erklärt Penkov.
Betrug mit Folgen für Patienten
Besonders alarmierend: Nicht immer bleibt es beim finanziellen Schaden. In manchen Fällen gefährdet der Betrug auch die Gesundheit von Patienten. So erinnert sich Penkov an einen erschütternden Fall auf einer Intensivstation: Leistungen wurden abgerechnet, die nur speziell geschultes Personal erbringen darf. Tatsächlich aber sollen Praktikanten an Beatmungsgeräte gelassen worden sein – eine gefährliche Grenzüberschreitung.
Experten fordern mehr Ermittler und technische Aufrüstung
Franz Benstetter, Professor für Sozialversicherungen an der Technischen Universität Rosenheim, fordert daher mehr Einsatz im Kampf gegen Betrug: Mehr Personal, bessere Technik und spezialisierte Staatsanwälte. Denn: Jeder überführte Betrüger entlastet das System – und könnte langfristig sogar den Beitragssatz für alle Versicherten senken.
Denn klar ist: Der Kampf gegen Abrechnungsbetrug ist noch lange nicht gewonnen. Doch dank engagierter Ermittler wie Emil Penkov und moderner Technik steht den Betrügern in Deutschland eine zunehmend härtere Gangart bevor.