In Berlin kommen heute auf Einladung des geschäftsführenden Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach führende Expertinnen und Experten zu einem hochrangigen Runden Tisch zusammen, um über den aktuellen Stand und zukünftige Maßnahmen im Umgang mit Long Covid und Post-Covid-Syndromen zu beraten. Ziel des Treffens ist es, sowohl den medizinischen Versorgungsbedarf der Betroffenen zu analysieren als auch neue Impulse für Forschung, Prävention und gesellschaftliche Unterstützung zu geben.
Langfristige gesundheitliche Folgen betreffen Millionen
Long Covid bezeichnet gesundheitliche Beschwerden, die über die akute Phase einer Corona-Infektion hinaus andauern oder erst nach Wochen und Monaten auftreten. Zu den häufigsten Symptomen gehören chronische Erschöpfung (Fatigue), Konzentrationsstörungen („Brain Fog“), Muskelschmerzen, Atemnot, Herz-Kreislauf-Probleme sowie neurologische und psychische Beeinträchtigungen. Schätzungen zufolge entwickelt etwa jede zehnte infizierte Person ein Long- oder Post-Covid-Syndrom – in Deutschland betrifft das mehrere hunderttausend bis hin zu Millionen Menschen.
Viele Betroffene fühlen sich im Gesundheitssystem allein gelassen. Hausärzte stoßen bei Diagnostik und Therapie oft an ihre Grenzen, spezialisierte Anlaufstellen sind bislang rar, und die Wartezeiten auf Reha-Maßnahmen oder Spezialambulanzen betragen teilweise mehrere Monate. Auch sozialrechtlich sehen sich Erkrankte mit zahlreichen Hürden konfrontiert – etwa bei der Anerkennung von Erwerbsminderung oder dem Zugang zu Leistungen der Krankenkassen.
Schwerpunkt: Versorgung, Forschung, Unterstützung
Im Mittelpunkt des heutigen Treffens stehen drei große Themenkomplexe:
Verbesserung der medizinischen Versorgung: Diskutiert wird, wie der Aufbau spezialisierter Long-Covid-Ambulanzen beschleunigt, die Zusammenarbeit zwischen Hausärzten, Fachärzten und Reha-Einrichtungen gestärkt und flächendeckende Versorgungsstrukturen geschaffen werden können.
Forschung und Datenlage: Noch sind viele Ursachen von Long Covid unklar. Die Wissenschaft ist bemüht, Biomarker zu identifizieren, neue Therapieansätze zu entwickeln und Risikofaktoren besser zu verstehen. Ziel ist es, Forschungsprojekte stärker zu koordinieren und finanziell abzusichern.
Gesellschaftliche und soziale Unterstützung: Neben der medizinischen Komponente sollen auch rechtliche und arbeitsmarktpolitische Fragen erörtert werden. Welche Leistungen brauchen Betroffene? Wie kann Rückkehr in den Beruf gelingen? Welche Rolle spielen psychologische Hilfen?
Lauterbach: „Long Covid ist eine stille Gesundheitskrise“
Bundesgesundheitsminister Lauterbach betonte im Vorfeld der Gespräche, Long Covid sei eine der unterschätzten Folgeerscheinungen der Pandemie. „Wir stehen vor einer chronischen Gesundheitsbelastung, die das Leben vieler Menschen massiv beeinträchtigt und unser Gesundheitssystem langfristig fordern wird. Es braucht jetzt koordinierte Maßnahmen, politische Entschlossenheit und gesellschaftliche Solidarität.“
Der Runde Tisch soll als Auftakt für einen strukturierten Dialog dienen, an dem sich neben medizinischen Fachgesellschaften und Forschenden auch Vertreter der Krankenkassen, Sozialverbände und Selbsthilfegruppen beteiligen. Die Ergebnisse der Beratungen sollen in konkrete Handlungsempfehlungen für die Gesundheitspolitik münden.
Betroffene fordern endlich Lösungen
Patienteninitiativen begrüßen den Schritt, drängen aber zugleich auf schnelle und spürbare Verbesserungen. Viele Erkrankte berichten, dass sie im Alltag kaum noch leistungsfähig seien, aber weder ausreichende medizinische Betreuung noch gesellschaftliche Anerkennung ihrer Erkrankung erfahren. Die psychische Belastung durch Ungewissheit, Arbeitsunfähigkeit und soziale Isolation sei enorm.
„Wir brauchen kein weiteres Diskutieren, sondern endlich verbindliche Strukturen“, so eine Sprecherin einer Long-Covid-Selbsthilfegruppe. „Der Runde Tisch kann ein wichtiges Signal sein – wenn ihm entschlossenes Handeln folgt.“