Am 6. Februar feierte Neuseeland den Waitangi Day, den Jahrestag der Unterzeichnung des Vertrags von Waitangi im Jahr 1840 – dem Gründungsdokument des Landes. Doch statt eines harmonischen Nationalfeiertags standen dieses Jahr Spannungen zwischen der Māori-Bevölkerung und der Regierung im Mittelpunkt.
Premierminister Christopher Luxon entschied sich entgegen der Tradition, nicht an den offiziellen Feierlichkeiten in Waitangi teilzunehmen, sondern stattdessen die südliche Insel mit dem größten Māori-Stamm Ngāi Tahu zu besuchen.
Seine Abwesenheit wurde von politischen Gegnern als Zeichen der Schwäche gewertet, während Māori-Aktivisten ihren Protest lautstark äußerten.
Proteste gegen Regierungspolitik
Am Vorabend des Feiertags kam es zu einer stillen Protestaktion: Hunderte Māori drehten Regierungsvertretern demonstrativ den Rücken zu, um ihre Unzufriedenheit über den Umgang der Regierung mit indigenen Themen auszudrücken.
Ein besonders umstrittener Punkt ist das geplante „Treaty Principles Bill“, ein Gesetzesvorschlag, der den Vertrag von Waitangi neu interpretieren und dessen rechtliche Bedeutung abschwächen soll.
David Seymour, Vorsitzender der rechtsliberalen ACT-Partei und Architekt des Gesetzesentwurfs, wurde auf einer Veranstaltung zweimal das Mikrofon abgeschaltet, während er sprach.
Māori-Aktivist Eru Kapa-Kingi, der bereits 2024 eine der größten Protestbewegungen für indigene Rechte anführte, erklärte:
„Wir sind es leid, mit Menschen zu reden, die nicht zuhören und sich nicht ändern werden.“
Warum ist der Vertrag von Waitangi so wichtig?
Der Vertrag von Waitangi, der am 6. Februar 1840 zwischen vielen – aber nicht allen – Māori-Stämmen und der britischen Krone unterzeichnet wurde, bildet die rechtliche Grundlage für das heutige Neuseeland.
- Er sollte den Māori das Recht auf ihre Ländereien und Ressourcen sichern.
- Aufgrund unterschiedlicher Versionen des Vertrags in Englisch und Māori gibt es seit Jahrhunderten Interpretationskonflikte.
- Die britische Krone verletzte ihre Verpflichtungen jedoch immer wieder, was bis heute zu wirtschaftlicher und sozialer Ungleichheit führt.
Diese historischen Ungerechtigkeiten sind der Grund, warum der Waitangi Day heute nicht nur gefeiert, sondern auch für politische Diskussionen genutzt wird.
Luxons Entscheidung: Flucht oder Versöhnung?
Luxons Abwesenheit in Waitangi wurde kontrovers diskutiert. Er verteidigte seinen Entschluss mit einer Videobotschaft aus Akaroa, in der er sagte:
„Heute ist ein Tag, um zurückzublicken und gemeinsam nach vorne zu schauen.“
Die Entscheidung, stattdessen mit dem Māori-Stamm Ngāi Tahu zu feiern, wurde von diesen positiv aufgenommen, während politische Gegner sie als Zeichen der Schwäche und fehlenden Führungsstärke kritisierten.
Marama Davidson, Co-Vorsitzende der Grünen, sagte:
„Wenn der Premierminister nicht einmal den Mut hat, in Waitangi zu erscheinen, dann ist er nicht der Richtige für dieses Amt.“
Streit um die Zukunft des Vertrages von Waitangi
Der derzeit größte Konfliktpunkt ist das „Treaty Principles Bill“, das von David Seymour (ACT-Partei) vorangetrieben wird.
- Befürworter sagen, das Gesetz solle für mehr Gleichheit unter allen Neuseeländern sorgen.
- Kritiker, darunter viele Māori, sehen darin den Versuch, ihre Rechte und die historische Bedeutung des Vertrags zu schwächen.
Der Widerstand ist so groß, dass mehrere Māori-Stämme König Charles als Staatsoberhaupt Neuseelands um Hilfe gebeten haben.
„Wir bitten um Ihre Intervention, um sicherzustellen, dass die Regierung die Ehre der Krone nicht beschmutzt.“
Die Chance, dass das Gesetz verabschiedet wird, ist allerdings gering, da Luxons National Party angekündigt hat, es bei der zweiten Lesung nicht zu unterstützen. Dennoch empfinden viele Māori bereits die bloße Existenz des Gesetzes als Affront.
Die ehemalige Justizministerin Kiritapu Allan bezeichnete den Gesetzesentwurf als:
„Ein Gesetz, das uns [die Māori] aus der Geschichte tilgen will.“
Weitere Spannungen: Abschaffung indigener Institutionen
Neben der Debatte um den Vertrag von Waitangi hat die Regierung weitere umstrittene Maßnahmen ergriffen, die viele Māori als rückschrittlich empfinden:
✅ Auflösung der Māori Health Authority, die zur Verbesserung der indigenen Gesundheitsversorgung geschaffen wurde.
✅ Entfernung von Māori-Namen aus Regierungsbehörden.
Diese Schritte haben zu einem breiten Misstrauen gegenüber der Regierung geführt und die Protestbewegung weiter angeheizt.
Fazit: Ein gespaltenes Land
Der Waitangi Day 2025 hat deutlich gemacht, dass sich Neuseeland in einem entscheidenden Moment seiner Geschichte befindet.
✅ Māori und ihre Unterstützer protestieren gegen Gesetzesvorhaben, die sie als Bedrohung ihrer Rechte sehen.
✅ Premierminister Luxon versucht, mit symbolischen Gesten Brücken zu bauen, stößt aber auf gemischte Reaktionen.
✅ Die politische Debatte um den Vertrag von Waitangi könnte die nächsten Jahre prägen.
Ob sich die Regierung und die Māori-Vertreter auf einen gemeinsamen Weg einigen können, bleibt abzuwarten. Klar ist: Der Kampf um indigene Rechte in Neuseeland ist noch lange nicht vorbei.