Start Justiz OLG Beschluss:13 Kap 26/19 MS „Elisabeth-S.“ GmbH & Co. KG

OLG Beschluss:13 Kap 26/19 MS „Elisabeth-S.“ GmbH & Co. KG

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qimono (CC0), Pixabay

Hanseatisches Oberlandesgericht

Az.: 13 Kap 26/​19

Beschluss

In der Sache

 

Anton Binderberger, Waldstraße 8, 87719 Mindelheim

– Musterkläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Mattil & Kollegen, Thierschplatz 3, 80538 München, Gz.: 4917/​17/​BM/​BM

 

gegen

 

1)

Schepers Schifffahrtsverwaltung GmbH & Co. KG, vertreten durch die Reederei Rudolf Schepers Beteiligungs GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer, Hermann-Ehlers-Straße 5b, 26160 Bad Zwischenahn

– Musterbeklagte –
2)

Ernst Russ AG, vertreten durch d. Vorstand, Elbchaussee 370, 22609 Hamburg

– Musterbeklagte –
3)

Reederei Rudolf Schepers GmbH & Co. KG, vertreten durch die Schepers Geschäftsführung GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer, Hermann-Ehlers-Straße 2b, 26160 Bad Zwischenahn

– Musterbeklagte –
4)

Uwe Badouin, Berliner Straße 49-51, 35102 Lohra

– Musterbeklagter –
5)

HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH & Co. KG, vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin, HCI Vertriebsverwaltung GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer, Burchardstraße 8, 20095 Hamburg

– Musterbeklagte –
6)

HCI Treuhand GmbH & Co. KG, vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafterin HCI Treuhand GmbH, vertreten durch Frauke Schünemann, Elbchaussee 370, 22609 Hamburg

– Musterbeklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 3:
Rechtsanwälte Hansa Partner, Kehrwieder 11, 20457 Hamburg, Gz.: 38-18

Prozessbevollmächtigte zu 2:
Rechtsanwälte nbs partners Partnerschaftsgesellschaft mbB, Am Sandtorkai 41, 20457 Hamburg, Gz.: 477-18

Prozessbevollmächtigte zu 4:
Rechtsanwälte Klein, (Kampnagel) Hauseingang 2, Barmbeker Straße 2-6, 22303 Hamburg

Prozessbevollmächtigte zu 5:
Rechtsanwälte nbs partners Partnerschaftsgesellschaft mbB, Am Sandtorkai 41, 20457 Hamburg, Gz.: 00270-17

Prozessbevollmächtigte zu 6:
Rechtsanwälte nbs partners Partnerschaftsgesellschaft mbB, Am Sandtorkai 41, 20457 Hamburg, Gz.: 1364-18

Nebenintervenient zu 2 und 5:
RTC Revision Treuhand Consulting GmbH, Rahlstedter Straße 32a, 22149 Hamburg

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte BKS Rechtsanwälte, Elsa-Brändström-Straße 7, 33602 Bielefeld, Gz.: 000184-19/​CH/​AT

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte BKS Rechtsanwälte, Elsa-Brändström-Straße 7, 33602 Bielefeld, Gz.: 000210-18/​CH/​JT

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 13. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Panten, die Richterin am Oberlandesgericht Löffler und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tonner am 22.03.2021:

1.) Gem. § 15 KapMuG wird das Verfahren um das folgende Feststellungsziele erweitert:

Feststellungsziel 1 o:

Der Prospekt ist ferner fehlerhaft, weil die Angaben zu den Schiffsbetriebskostensteigerungen des Schiffs des Fonds HCI Elisabeth S in der tabellarischen Darstellung auf den Seiten 40,41 des Verkaufsprospektes unvertretbar niedrig sind und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt.

2.) Die Beteiligten haben Gelegenheit, bis noch zum 02.04.2021 zur ihnen bereits vorliegenden Begründung dieses Feststellungszieles durch den Musterkläger mit Schriftsatz vom 05.03.2021 Stellung zu nehmen.

Gründe:

Die Voraussetzungen des § 15 KapMuG liegen hinsichtlich der zugelassenen Erweiterung vor.

a) Das neu formulierte Feststellungsziele ist entscheidungserheblich, wofür es genügt, dass es als plausibel erscheint, dass die Entscheidung über die beantragte Erweiterung sich im Ausgangsverfahren auswirken kann (Kölner Kommentar-Vollkommer, KapMuG, 2. Aufl. 2014, § 15, Rn. 14).

Der Senat folgt nicht der Auffassung von Vorwerk/​Wolf-Kotschy, KapMuG, 2. Aufl. 2020, § 15, Rn. 6), wonach eine Erweiterung nur vorzunehmen wäre, wenn die fragliche Erweiterung tatsächlich im Ausgangsverfahren entscheidungserheblich wäre, was voraussetze, dass die fragliche Rüge zum Prospektinhalt dort erhoben und auch zu ihrer Relevanz für die Anlageentscheidung vorgetragen worden wäre.

Ein Bestreiten des entsprechenden Vortrages eines die Erweiterung begehrenden Beteiligten des KapMuG-Verfahrens durch andere Beteiligte würde den Senat in eine ihm nicht obliegende Prüfung des (jeweiligen) Ausgangsverfahrens im Einzelnen hineinzwingen, eine Prüfung, die ihm – anders als etwa bei der Beschwerde gegen die Aussetzung oder Nichtaussetzung eines Verfahrens nach § 8 KapMuG – nicht obliegt (Kölner Kommentar-Vollkommer, aaO., § 15, Rn. 14). So würden in das KapMuG-Verfahren Fragen hineingetragen, die nach seiner Struktur dort nicht zu klären sind: Je nach Vorbringen der Parteien wäre ggf. der Frage nachzugehen, ob der Vortrag zu einem bestimmten, vom Erweiterungsantrag betroffenen Sachverhalt hinreichend substantiiert ist, ob er rechtzeitig vorgebracht wurde, ob er zu Recht präkludiert wurde oder aber zu präkludieren wäre, u.U. auch, ob er ohne Verstoß gegen Verspätungsregeln noch angebracht werden könnte. Hierbei wäre auch nicht etwa nur auf das Ausgangsverfahren des Musterklägers abzustellen: Da auch Beigeladene Erweiterungsanträge anbringen können, würde es konsequenter Weise auf das Vorbingen in deren jeweiligen Verfahren ankommen; ganz unklar wäre schließlich, wie insoweit mit erweiternden Feststellungsanträgen der Beklagtenseite umzugehen wäre – offenkundig kann es insoweit nicht nur auf das Verfahren des Musterklägers ankommen, vielmehr wäre wohl darauf abzustellen, ob die Beklagtenseite den entsprechenden Einwand bislang in irgendeinem Ausgangsverfahren vorgebracht hat. Damit aber würde das KapMuG-Verfahren mit der Klärung von Fragen belastet, die – besonders augenfällig bei Fragen der Präklusion – in die alleinige Entscheidungskompetenz des Ausgangsgerichts gestellt sind.

Insoweit folgt aus der Entscheidung BGH XI ZB 13/​18, Beschluss vom 30.04.2019, nichts Anderes: Dass eine Aussetzung nach § 8 KapMuG nur erfolgen kann, wenn „es nach der Überzeugung des Prozessgerichts auf … geltend gemachte Feststellungsziele für den Ausgang des Rechtsstreits konkret ankommen wird“ (Leitsatz 2), ist für die Frage der Anforderungen im Rahmen des § 15 KapMuG ohne Belang. Denn – wie oben ausgeführt – ist die Prüfung dieser Frage dem Prozessgericht ohne Weiteres, insbesondere ohne Beiziehung bislang nicht verfahrensgegenständlicher Akten, möglich und auch zugewiesen.

Soweit das Kriterium der konkreten Entscheidungserheblichkeit offenbar herangezogen werden soll, um ein Ausufern des KapMuG-Verfahrens durch Anträge nach § 15 KapMuG zu verhindern, erscheint es hierfür nicht geeignet. Vielmehr ist die Abhandlung weiterer Feststellungsziele, die plausibler Weise in Ausgangsverfahren eine Rolle spielen können, nach dem Telos des KapMuG sachgerecht, um in einem Verfahren eine möglichst umfassende Klärung der behaupteten Fehlerhaftigkeit einer Kapitalmarktinformation herbeizuführen. Eine mit dem Anspruch der Parteien – auch der Parteien der ausgesetzten Verfahren – auf hinreichend raschen Rechtsschutz nicht vereinbare Überfrachtung und insbesondere Verzögerung des KapMuG-Verfahrens kann dadurch gesteuert werden, dass im Einzelfall die Sachdienlichkeit von Erweiterungsanträgen verneint wird. So sind nach Auffassung des Senats Erweiterungsanträge insbesondere dann nicht sachdienlich, wenn sie – wie nach der Erfahrung in zahlreichen KapMuG-Verfahren nicht selten – erst Monate nach Anbringung des Begründungsschriftsatzes und Erwiderung der Beklagten bzw. erst sehr kurz vor oder gar erst nach der mündlichen Verhandlung gestellt werden, wenn ihre Zulassung zu einer deutlichen Verzögerung der Entscheidung und damit auch zu einer unangemessenen Verzögerung der Ausgangsverfahren führen würde.

b) Die zugelassene Erweiterung betrifft den Inhalt des streitgegenständlichen Fondsprospektes und damit den gleichen Lebensachverhalt wie die schon rechtshängigen Anträge.

c) Schließlich ist die Zulassung auch sachdienlich, insbesondere führt sie voraussichtlich nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens, kann aber zu einer umfassenden Klärung der sich bezogen auf den Anlageprospekt stellenden rechtlichen und tatsächlichen Fragen beitragen (vgl. dazu Kölner Kommentar-Vollkommer aaO., § 15, Rnrn. 20, 21).

 

Panten Löffler Dr. Tonner
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht
Richterin
am Oberlandesgericht
Richter
am Oberlandesgericht

 

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