Start Justiz SilviRom Forest 2 GmbH & Co. KG – Beschluss in Musterklage

SilviRom Forest 2 GmbH & Co. KG – Beschluss in Musterklage

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Beschluss

In der Sache

Holger Heimann, Kausenpfad 25, 69121 Heidelberg

– Musterkläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Witt Rechtsanwälte PartG mbB, Schlierseestraße 30, 81539 München, Gz.: 2019/0364-/TP-CW

gegen

1)

NORDCAPITAL Treuhand GmbH & Cie. KG, vertreten durch d. Komplementärin NORDCAPITAL Treuhand GmbH & Cie KG, Warburgstraße 50, 20354 Hamburg

– Musterbeklagte –

2)

NORDCAPITAL Emissionshaus GmbH & Cie. KG, vertreten durch d. Komplementärin NORDCAPITAL Emissionshaus GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer Felix Alexander von Buchwaldt, Warburgstraße 50, 20354 Hamburg

– Musterbeklagte –3)

NORDCAPITAL Beteiligungen GmbH & Cie. KG, vertreten durch d. Geschäftsführer, Warburgstraße 50, 20354 Hamburg

– Musterbeklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte Lebuhn & Puchta, Am Sandtorpark 2, 20457 Hamburg

Prozessbevollmächtigte zu 3:
Rechtsanwälte Lebuhn & Puchta, Am Sandtorpark 2, 20457 Hamburg, Gz.: 87/193/Ke

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 13. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Panten, die Richterin am Oberlandesgericht Löffler und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tonner am 26.06.2020:

I.) Auf Antrag des Musterklägers vom 05.12.2019 wird das Musterverfahren um die folgenden Feststellungsziele erweitert:

Feststellungsziel 1 lit. h: Der Prospekt ist unvollständig und irreführend, weil er nicht darüber aufklärt, dass der Abschluss einer Eigentumsversicherung zur Absicherung eines Kaufvertrages über eine Waldfläche regelmäßig erst neun Monate nach Abschluss des entsprechenden Kaufvertrages erfolgen kann. Der durchschnittliche Anleger musste damit rechnen, dass im Sinne einer effektiven Absicherung der Abschluss der Eigentumsversicherung zusammen mit dem Kaufvertragsabschluss oder zeitnah danach erfolgen wird.

II.) Auf Antrag der Musterbeklagten vom 31.03.2020 wird das Musterverfahren um die folgenden Feststellungsziele erweitert:

5.) (Ziffer 1 des Antrages) Es wird festgestellt, dass das vom Prospekt vom 09.11.2009 und Nachtrag vom 07.10.2011 für den NORDCAPITAL Waldfonds 2 vermittelte Gesamtbild zeigt, dass sich das Beteiligungsangebot an Anleger richtet, die in ihrem Anlageverhalten mehr chancen-orientiert als sicherheitsorientiert sind.

6.) (Ziffer 2 des Antrages) Es wird festgestellt, dass das vom Prospekt vom 09.11.2009 und Nachtrag vom 07.10.2011 für den NORDCAPITAL Waldfonds 2 vermittelte Gesamtbild zeigt, dass sich das Beteiligungsangebot an Anleger richtet, die bereit sind, der im Prospekt und Nachtrag dargestellten Konzeption zu folgen.

7.) (Ziffer 3 des Antrages) Es wird festgestellt, dass das vom Prospekt vom 09.11.2009 und Nachtrag vom 07.10.2011 für den NORDCAPITAL Waldfonds 2 vermittelte Gesamtbild ein Blind-Pool-Konzept zeigt, in dem die Verwirklichung der im Prospekt und Nachtrag dargestellten Risiken von Anfang an und auch danach dauerhaft während der gesamten Laufzeit des Fonds in den Händen der Geschäftsführung liegt.

8.) (Ziffer 7 des Antrages) Es wird festgestellt, dass die Geschäftsführung der NORDCAPITAL Waldfonds 2 bei der Beurteilung ihrer Aufklärungspflichten gegenüber neu beitretenden Anlegern stets auch die Interessen der zum jeweiligen Zeitpunkt bereits (zuvor) beigetretenen Anleger zu berücksichtigen hat, soweit es um die Einhaltung des im Prospekt vom 09. November 2009 und Nachtrag vom 07. Oktober 2011 vermittelte Gesamtbild und die darin liegende Konzeption des Fonds geht. Insbesondere darf die Geschäftsführung dabei annehmen, dass die vorgenannte Konzeption des NORDCAPITAL Waldfonds 2 in gleicher Weise gegenüber neu der Beteiligungsgesellschaft beitretenden Anlegern wie gegenüber bereits früher und zuvor beigetretenen Anlegern gilt.

9.) (Ziffer 9 des Antrages) Es wird festgestellt, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Nachtragspflicht bei erst nach Prospekterstellung eingetretenen Veränderungen bei der Beurteilung einer möglichen Haftung der Gründungsgesellschafter der NORDCAPITAL Waldfonds 2 nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinn nur dann anzuwenden ist, wenn sich die Risiken und Chancen der Fondsgesellschaft (und damit der Anleger) seit der Prospektveröffentlichung am 09. November 2009 und/oder der Veröffentlichung des Nachtrags vom 07. Oktober 2011 tatsächlich und nachteilig verändert haben, nicht aber bereits dann, wenn keine solchen tatsächlichen Veränderungen zum Schlechteren eingetreten sind und stattdessen die Geschäftsführung lediglich – zeitlich vor und nach dem Beitritt der jeweils klagenden Anlegerpartei – die im Prospekt vom 09. November 2009 und im Nachtrag vom 07,. Oktober 2011 dargestellte Konzeption des NORDCAPITAL Waldfonds 2 umgesetzt hat, indem die unter sachgerechter Abwägung der Chancen und Risiken einzelne Waldflächen ausgewählt, geprüft, angekauft und, soweit möglich, im Rahmen einer Eigentumsversicherung versichert hat.

10.) (Ziffer 10 des Antrages) Es wird festgestellt, dass beim NORDCAPITAL Waldfonds 2 die Beurteilung der Frage, ob bei Auswahl, Erwerb, Verwaltung oder Versicherung einer konkreten Waldfläche ein konkretes Risiko im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BGH ( „nicht ganz fern liegt“ ), im Rahmen der Konzeption des NORDCAPITAL Waldfonds 2 alleine von der Geschäftsführung vorzunehmen ist und nicht von der Anlegerpartei oder den einzelnen Anlageinteressenten.

Im Übrigen wird der Erweiterungsantrag der Musterbeklagten vom 31.03.2020 zurückgewiesen.

III.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, zu den neu zugelassenen Feststellungszielen, zu denen jeweils Begründungen vorgelegt wurden, unter Beachtung der o.g. Nummerierung binnen zwei Monaten abschließend vorzutragen.

Gründe:

I.

Die Musterbeklagten haben mit Schriftsatz vom 31.03.2020 die Erweiterung des Erfahrens um weitere Feststellungsziele beantragt.

Neben den im Tenor dieses Beschlusses angeführten Feststellungszielen haben sie weiter die Erweiterung um folgende Feststellungsziele begehrt:

Zu Ziffer 4 des Antrages: Es wird festgestellt, dass das Gericht in jedem zum NORDCAPITAL Waldfonds 2 anhängigen Rechtsstreit von Amts wegen das im Prospekt vom 09. November 2009 und 07. Oktober 2011 vermittelte Gesamtbild festzustellen hat, und zwar nicht nur bei der nachgelagerten Prüfung der Kausalität und des Verschuldens der beklagten Gründungsgesellschafter des Fonds, sondern bereits bei der vorgelagerten Prüfung und Feststellung von möglichen Aufklärungspflichten der Gründungsgesellschafter des NORDCAPITAL Waldfonds 2.

Zu Ziffer 5 des Antrages: Es wird festgestellt, dass die Auffassung des Landgerichts Hamburg (Zivilkammer 13 und Zivilkammer 27), wonach der NORDCAPITAL Waldfonds 2 (lediglich) „ursprünglich als Blindpool aufgesetzt“ (vgl. Vorlagebeschluss vom 16.04.2019 – Az 313 oH 4/19, S. 3 „zunächst als sogenannter Blindpool-Fonds aufgesetzt“) bzw. „kein Blindpool-Konzept mehr existierte“ (Landgericht Hamburg, ZK 27, Az. 327 O 195/17, Urteil vom 16.03.2017, S. 10) und die Auffassung des Senats (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, (z.B.) Beschluss vom 13. November 2019 zum Aktenzeichen 13 W 5/19, S. 12: „ … lag gerade kein Blind-Pool mehr vor,…“) jeweils gemessen an dem im Prospekt und im Nachtrag vermittelten Gesamtbild des NORDCAPITAL Waldfonds 2 und an der Rechtsprechung des BGH zum Blind-Pool Konzept fehlerhaft ist, soweit die genannten hamburgischen Gerichte damit zum Ausdruck gebracht haben sollten, dass die Konzeption des NORDCAPITAL Waldfonds 2 (wonach die Wahrnehmung der Chancen und die Beherrschung der Risiken dauerhaft in den Händen der Geschäftsführung des Fonds liegt), nach Investition des Geldes des Fonds in Waldflächen in Rumänien nicht mehr weiter gelten soll.

Zu Ziffer 6 des Antrages: Es wird festgestellt, dass bei der gerichtlichen Prüfung und Feststellung von Aufklärungspflichten von Gründungsgesellschaftern der NORDCAPITAL Waldfonds 2 das vom Prospekt vom 09. November 2009 und Nachtrag vom 07. Oktober 2011 vermittelte Gesamtbild und die dort gezeigte Konzeption des Fonds zu berücksichtigen sind, wonach die Wahrnehmung der Chancen und die Beherrschung der Risiken für die Beteiligungsgesellschaft dauerhaft in die Hände der Geschäftsführung gelegt wurden. Danach verbietet sich für die gerichtliche Überprüfung eine ausschließlich an den Risiken des jeweiligen einzelnen Anlegerinteressenten orientierte Betrachtung, wie sie in der bisherigen Rechtsprechung des Landgerichts Hamburg (Zivilkammer 13 und Zivilkammer 27) und des Senats zu dem NORDCAPITAL Waldfonds 2 ergangenen Urteilen und Beschlüssen Niederschlag gefunden hat. Vielmehr ist entscheidend auf die Konzeption des Fonds und damit auf die Chancen und Risiken der Fondsgesellschaft abzustellen.

Zu Ziffer 8 des Antrages: Es wird festgestellt, dass die Geschäftsführung der NORDCAPITAL Waldfonds 2 bei der Beurteilung ihrer möglichen Aufklärungspflichten gegenüber neu beitretenden Anlegern jedenfalls nicht schuldhaft handelt, soweit sie davon ausgeht, dass die Konzeption des Fonds gegenüber neu beitretenden Anlegern in gleicher Weise zur Anwendung kommen soll, wie dies bei früher bereits beigetretenen Anlegern zu den jeweiligen Zeitpunkten zur Anwendung gelangt war, als diese der Beteiligungsgesellschaft beigetreten waren.

Zu Ziffer 11 des Antrages: Es wird festgestellt, dass bei NORDCAPITAL Waldfonds 2 das Gericht von Amts wegen im Einzelfall für jede einzelne Klagpartei zu prüfen hat, ob nach dem Klagvorbringen zur Kausalität zwischen einer möglichen Pflichtverletzung und der Anlageentscheidung der Klagpartei der in der Rechtsprechung des BGH entwickelte Grundsatz von der Vermutung des „aufklärungsrichtigen Verhaltens“ (vgl. Vorlagebeschluss des Landgerichts vom 16. April 2019, S. 5) erst dann angewendet werden darf, wenn aus dem Klagvorbringen schlüssig hervorgeht, dass eine Kausalität zwischen dem behaupteten Prospektfehler (oder Fehler im Nachtrag) tatsächlich auf dem Prospekt und/oder dem Nachtrag beruht und nicht – ganz oder zum teil – auf der Beratung der Klagpartei durch einen bei ihrem Beitritt mitwirkenden Anklagevermittler oder -berater.

Zu Ziffer 12 des Antrages: Es wird festgestellt, dass bei NORDCAPITAL Waldfonds 2 das Landgericht von Amts wegen im Einzelfall für jede einzelne Klagpartei zu prüfen hat, ob nach dem Klagvorbringen zur Kausalität zwischen einer möglichen Pflichtverletzung und der Anlageentscheidung der Klagpartei der in der Rechtsprechung des BGH entwickelte Grundsatz von der „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens „ erst dann angewendet werden darf, wenn vom Gericht im Einzelfall zuvor geprüft worden ist, ob die genannte Vermutung widerlegt worden ist oder widerlegt werden kann (vgl. Beschluss des Senats (HansOLG Beschluss vom 13.09.201913 W 75/19, S. 13).

Zu Ziffer 13 des Antrages: Es wird festgestellt, dass bei NORDCAPITAL Waldfonds 2 das Landgericht bei der Prüfung der Kausalität zwischen einer möglichen Pflichtverletzung und der Anlageentscheidung der Klagpartei vor einer Anwendung der Rechtsprechung des BGH zu der „Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens“ (vgl. Vorlagebeschluss des Landgerichts vom 16. April 2019, S. 5) vorrangig die diesbezügliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu prüfen und festzustellen hat. Da es sich bei der genannten Kausalitätsfrage um innere Tatsachen im Kopf der Anleger- und Klagepartei (Musterkläger) handelt und dieser daher nähere Darlegungen zu dieser Tatsache regelmäßig ohne Weiteres möglich und zumutbar sind, für die Beklagtenseite (Musterbeklagte) dagegen aus den gleichen Gründen nähere Darlegungen und Beweise hierzu weder möglich noch zumutbar sind, trägt die Anleger- und Klagepartei (Musterkläger) die Last der Darlegung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, soweit die (angebliche) Verletzung von Aufklärungspflichten betroffen ist.

Zu Ziffer 14 des Antrages: Es wird festgestellt, dass die Gründungsgesellschafter der NORDCAPITAL Waldfonds 2 bei der Prüfung und Beurteilung ihrer etwaigen Aufklärungspflichten gegenüber neu in die Beteiligungsgesellschaft eintretenden Anlegern die grundsätzlichen Anforderungen zur Prospekthaftung beim Blind-Pool-Konzept, wie sie in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Obergerichte Niederschlag gefunden haben, eingehalten haben. Gegenüber einer davon abweichenden gerichtlichen Beurteilung, wie sie in der bisherigen Rechtsprechung des Landgerichts Hamburg (Zivilkammer 13 und Zivilkammer 27) Niederschlag gefunden hat, können sich die Gründungsgesellschafter der NORDCAPITAL Waldfonds 2 gegenüber Haftungsansprüchen von Anlegern aus der sogenannten Prospekthaftung im weiteren Sinne jedenfalls dann grundsätzlich auf einen sogenannten unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen, wenn sie nachweislich die im Prospekt vom 09.12.2009 und Nachtrag vom 07.10.2011 dargestellte Konzeption des Fonds umgesetzt haben.

Zu Ziffer 15 des Antrages: Es wird festgestellt, dass eine Aufklärung der Anleger über die Gründe für die Entscheidungen der Geschäftsführung des NORDCAPITAL Waldfonds, die Flächen des sog. „Initialportfolios“ nicht zu erwerben und statt dessen Flächen in Bicaz West und Gura Teghii anzukaufen schon deswegen gegenüber Anlegern, die erst nach den betreffenden Entscheidungen der Geschäftsführung der Beteiligungsgesellschaft beigetreten sind, nicht geboten war, weil die diesen Entscheidungen der Geschäftsführung zugrunde liegenden sachlichen Erwägungen von den Anlageparteien ohne die Unterstützung durch qualifiziertes Fachpersonal (z.B. zu den relevanten forstwirtschaftlichen Zusammenhängen, aber auch zu den rechtlichen Gegebenheiten in Rumänien betreffend Restitutionsverfahren und Eigentumsversicherungen) regelmäßig nicht verstanden worden wären (Anwendung der Rechtsprechung des HansOLG, 3 U 140/15). Ohne die Unterstützung durch qualifiziertes Fachpersonal hätten die beitrittswilligen Anleger die betreffenden Entscheidungen der Geschäftsführung nicht nachvollziehen können.

Zu Ziffer 16 des Antrages: Es wird festgestellt, dass die von der Geschäftsführung der NORDCAPITAL Waldfonds 2 angekauften Waldflächen in Bicaz West und in Gura Teghii hinsichtlich ihrer Qualität und forstwirtschaftlichen Nutzbarkeit für die Konzeption des Fonds besser geeignet waren, als es die im Prospekt vom 09. November 2009 erwähnten Waldflächen des sog. „Initialportfolios“ gewesen wären.

Zu Ziffer 17 des Antrages: Es wird festgestellt, dass die am 25. Juli 2012 bei der Stewart Title Insurance Limited für die Waldfläche in Gura Teghii eingedeckte Eigentumsversicherung für das Eigentumsrecht des NORDCAPITAL Waldfonds 2 an dieser Fläche, entgegen dem Vorbringen des Musterklägers und aller anderen Klagparteien, prima facie einen ausreichenden und wirksamen Versicherungsschutz bietet für den Fall, dass die Urteile des für die Restitution der betreffenden Waldflächen örtlich zuständigen Gerichts in Patarlagele vom 12. April 2011 und vom 09. Juni 2011 (Urteils-Nr. 706/12.04.2011; 1037/09.06.2011), auf deren Bestandskraft die Geschäftsführung vor und bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages über die Fläche in Gura Teghii am 15. Juni 2011 maßgeblich vertraut hatte, nachträglich aufgehoben werden sollte. Die vom Musterkläger und allen anderen Klagparteien vorgetragenen Bedenken gegen die Werthaltigkeit der bei der Stewart Title Insurance Ltd. abgeschlossenen Eigentumsversicherung lassen sich prima facie nicht begründen.

Zu Ziffer 18 des Antrages: Es wird festgestellt, dass nach der Rechtsprechung des BGH das Korrektiv zur Bejahung einer (vermeintlichen) Aufklärungspflichtverletzung im Einzelfall in einer gefestigten“Schutzzweckbetrachtung“ liegt, die der BGH vornimmt als Korrektiv zu der andernfalls ausufernden Annahme von Pflichtverletzungen und dass diese Rechtsprechung bei der Prüfung der geltend gemachten (vermeintlichen) Aufklärungspflichtverletzung der MB zu 1. – 3. zu berücksichtigen und anzuwenden ist.

Zu Ziffer 19 des Antrages: Es wird festgestellt, dass unter Anwendung der Rechtsprechung des BGH zur objektiven Auslegung des Prospektes „aus sich heraus“, wobei dem Wortlaut eine erhöhte Bedeutung zukommt

– die Aussage auf S. 25 im Prospekt des NORDCAPITAL Waldfonds 2, die Objektgesellschaft werde, „soweit möglich, eine Eigentumsversicherung (Title Insurance) abschließen“, und

– die Aussage auf S. 8 des Prospekts, (es) „soll zusätzlich eine Eigentumsversicherung abgeschlossen werden“ und

– die Aussage auf S. 64 des Prospektes „Für die Kaufverträge soll jeweils eine Eigentumsversicherung (Title Insurance) abgeschlossen werden“ und

– die Aussage auf S. 26 des Prospektes, es bestehe das Risiko, dass es zu einer Herausgabe des Grundstücks an einen Dritten kommt und die Objektgesellschaft sei auf einen Erstattungsanspruch gegen den Verkäufer beschränkt, soweit keine Deckung einer Versicherung besteht“,

– die Aussage auf S. 22 des Nachtrags vom 07. Oktober 2011, „für alle Waldflächen soll eine Eigentumsversicherung (Title Insurance) abgeschlossen werden, um die Beteiligungsgesellschaften vor Ansprüchen Dritter zu schützen“, einzeln oder in der Gesamtschau vom Gericht nicht rechtsfehlerfrei dahingehend ausgelegt werden können, dass der „durchschnittliche Anleger“ nach eingehender und sorgfältiger Durchsicht des Prospektes darauf vertrauen konnte, dass eine solche Eigentumsversicherung „im Regelfall“ und „zumindest zeitnah“ zum Abschluss des Kaufvertrages abgeschlossen werde.

II.

1.) Dem Erweiterungsantrag des Musterklägers ist insgesamt, dem Erweiterungsantrag der Musterbeklagten im im Tenor unter Ziffer II Nrn. 5 – 10 ausgesprochenen Umfang zu entsprechen.

Insoweit liegen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 – 3 KapMuG vor: Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt von den entsprechenden Feststellungen ab, sie betreffen keinen anderen Lebenssachverhalt als die dem Senat vorgelegten Feststellungsziele und die Zulassung ist sachdienlich, da sie einer umfassenden Klärung der in den zugrunde liegenden Einzelverfahren streitigen Rechtsfragen dient und die Entscheidung des Musterverfahrens voraussichtlich auch nicht maßgeblich verzögern wird.

2.) Hinsichtlich der übrigen Erweiterungsanträge der Musterbeklagten liegen die Voraussetzungen des § 15 KapMuG hingegen nicht vor.

a) Zu Ziffer 4 des Erweiterungsantrages: Aus der Begründung dieses Erweiterungsantrages (S. 99 ff. des Schriftsatzes der Musterbeklagten vom 31.03.2020) ergibt sich, dass die Musterbeklagten sich hier gegen die Verfahrensführung und die abschließende Beurteilung der in diesem Antrag aufgeworfenen Fragen zur Kausalität in zahlreichen Verfahren des Landgerichts wenden, wobei diese Verfahren – vom Senat durch Beschwerdeentscheidungen bestätigt – gerade nicht ausgesetzt, sondern nunmehr bereits im Berufungsverfahren beim 7. Zivilsenat des HansOLG anhängig sind. Damit fehlt der von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KapMuG vorausgesetzte Bezug zum hier anhängigen Verfahren: Wie dem Senat aus den vorgenannten Beschwerdeverfahren bekannt ist, waren die fraglichen Verfahren nicht auszusetzen, da sie – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH (XI ZB 13/18, Beschluss vom 30.04.2019) – gerade ohne Rückgriff auf die hier anhängigen Feststellungsziele entscheidungsreif waren.

b) Zu Ziffer 5 des Erweiterungsantrages: Die beantragte Feststellung hat keinen Bezug zur Entscheidung des zu Grunde liegenden Rechtsstreits (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KapMuG), sie ist vielmehr auf Beurteilung einer bestimmten Wertung in den Gründen des Vorlagebeschlusses der ZK 13 bzw. eines Urteils der ZK 27 und eines Beschlusses des Senats in anderen Rechtsstreitigkeiten gerichtet (vgl. oben zu Ziffer 4).

c) Zu Ziffer 6 des Erweiterungsantrages gilt Gleiches – die Musterbeklagten verweisen auf ihre Begründung zum (unstatthaften) Erweiterungsantrag zu 4.

d) Zu Ziffer 8 des Erweiterungsantrages: Die hier aufgeworfene Frage ist einer Bewertung im KapMuG-Verfahren nicht zugänglich – inwieweit eine Aufklärungspflichtverletzung bezogen auf einen konkreten Anleger schuldhaft erfolgt ist, hängt auch bei der Prospekthaftung im weiteren Sinne jedenfalls auch davon ab, wie sich die Situation des Fonds im Moment des Beitritts darstellt – ob z.B. im Hinblick auf eingetretene Entwicklungen (schon) eine Pflicht zu einer Nachtragsprospektierung bestand – und kann daher nur im Einzelfall entscheiden werden.

e) Zu Ziffern 11 – 13 des Erweiterungsantrages: Diesen Feststellungszielen fehlt der hinreichende Bezug zur zugrundeliegenden Kapitalmarktinformation – nach allgemeiner Auffassung ist ein Erweiterungsantrag nach § 15 KapMuG hinsichtlich seiner Entscheidungserheblichkeit nach den Kriterien zu berurteilen, die auch im Rahmen des § 3 Abs. 1 KapMuG angewandt werden (Kölner Kommentar zum KapMuG-Vollkommer, 2. Aufl. 2014, § 15, Rn. 14), wobei insoweit unstreitig ist (Kölner Kommentar-Kruis aaO., § 3, Rn. 66) dass ein Musterverfahrensantrag auch dann zurückzuweisen ist, wenn er sich auf einen Punkt bezieht, für den der Anwendungsbereich des Gesetzes gem. § 1 Abs. 1 KapMuG nicht eröffnet ist. So aber verhält es sich hier: Das Feststellungsziel richtet sich darauf, dem jeweils befassten Prozessgericht vorzugeben, unter welchen Voraussetzungen es die „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens“ anzuwenden habe bzw. anwenden dürfe, ohne dass konkret und mit Bezug auf einzelne Aussagen des Prospektes dargelegt würde, inwieweit dies vorliegend relevant wäre. Vielmehr lässt die Begründung – etwa zu Ziffer 12 des Erweiterungsantrages, S. 111, 1. Absatz des Schriftsatzes der Musterbeklagten vom 31.03.2020 – der Musterbeklagten erkennen, dass es ihnen wiederum um die Beanstandung von Verfahrensleitung und Entscheidung des Landgerichts in tatsächlich nicht ausgesetzten Verfahren geht.

f) Zu Ziffer 14 des Erweiterungsantrages: Wiederum wenden sich die Musterbeklagten gegen eine bestimmte Bewertung des Landgerichts in nicht ausgesetzten Verfahren, womit die Erheblichkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG fehlt. Ohnehin wäre das Vorliegen des behaupteten Verbotsirrtums bezogen auf den Beitritt jedes einzelnen Anlegers und mithin individuell unter Bewertung der Erkenntnislage der jeweiligen für die Gründungsgesellschafterinnen handelnden Personen zum jeweiligen Zeitpunkt zu prüfen.

g) Zu Ziffer 15 des Erweiterungsantrages: Dieses Feststellungsziel stellt sich als bloße Negation der schon anhängigen Feststellungsziele zu Ziffer 1 lit. a – e dar.

h) Zu Ziffer 16 des Erweiterungsantrages: Für sich genommen ist dieses Feststellungsziel unerheblich im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KapMuG – ob die Flächen in Gura Teghii besser geeignet waren, als die des Initialportfolios, ist ohne Belang. Soweit diese Frage bei der Bewertung der Aussagen des Prospektes zum Initialportfolio eine Rolle spielen können, ist dies bereits Gegenstand der anhängigen Feststellungsziele zu 1 lit. a – d.

i) Zu Ziffer 17 des Erweiterungsantrages: Dieses Feststellungsziel ist schon zu unbestimmt und zugleich ist seine Relevanz im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KapMuG nicht dargetan – es bleibt dunkel, was die Musterbeklagten damit meinen, dass die Eigentumsversicherung „prima facie“ einen ausreichenden Versicherungsschutz bot (bezogen auf welches Risiko exakt? aus wessen Sicht? aufgrund welcher konkreten Informationen?).

j) Zu Ziffer 18 und 19 des Erweiterungsantrages: Die Feststellungsziele gehen nicht über eine Negation der anhängigen Feststellungsziele zu Ziffer 1 lit a – g bzw. der zugelassenen Erweiterung gem. Ziffer 1 lit h hinaus.

Panten
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht
Löffler
Richterin am Oberlandesgericht
Dr. Tonner
Richter am Oberlandesgericht

 

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht

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