Start Allgemein BGH stärkt Rechte der Versicherten bei Übertragung der Verträge

BGH stärkt Rechte der Versicherten bei Übertragung der Verträge

400

Zwiespältige Nachrichten gab es für Millionen Lebensversicherte im Sommer 2018. Viele Kunden sind von einer Übertragung ihrer Versicherungsverträge an einen neuen Vertragspartner verunsichert und wissen nicht, was mit diesen sog. Run-Off-Gesellschaften auf sie zukommt. Die Bundesanstalt für die Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) versucht zu beruhigen. Für Kunden mit Alt-Versicherungen im sog. Antragsmodell hat dagegen der Bundesgerichtshof (BGH) in einer aktuellen Entscheidung die Möglichkeit zur Rückabwicklung gestärkt. Ein professioneller Policenverwerter, die Facto Financial Services AG hat dagegen Insolvenz angemeldet. Worum geht es?

Die BaFin berichtet in ihrem Journal August 2018 über eine erteilte Erlaubnis für mehrere Lebensversicherungsgesellschaften, ihre Bestände an andere Anbieter zu übertragen. Dieses Vorgehen ist derzeit unter Lebensversicherungs-Gesellschaften Mode und wird bereits seit einigen Jahren praktiziert. Die Erwerber, sog. Run-Off-Gesellschaften, versprechen sich bei der Abwicklung der Lebensversicherungsverträge Kostenvorteile, die möglicherweise in die Ablaufleistung positiv mit einzurechnen sind. Ob die Rechnung tatsächlich aufgeht, weiß derzeit noch niemand. Damit die Bafin die Erlaubnis zu einem solchen Verkauf erteilt, müssen die erwerbenden Gesellschaften sich einer genauen Prüfung ihrer Finanzen unterziehen. Entsprechend hat die Aufsicht mitgeteilt, diese Prüfung sei positiv verlaufen und Versicherungsnehmern drohe bei Ende des Versicherungsvertrages kein Nachteil. Der Erwerber sei hinreichend mit Kapital ausgestattet. Derartige Run-Off-Gesellschaften sind u.a. die irische Athora oder die niederländische N.V. Schadeverzekeringsmaatschappij MAAS Lloyd, Rotterdam.

Für Versicherungsnehmer, die sich darauf nicht verlassen wollen, hat der Bundesgerichtshof die Rechte zur Vertragsauflösung ausgeweitet. In einer Entscheidung vom 18.07.2018 hatten die Bundesrichter wieder einmal über einen Widerspruch zu einer Versicherung Im so genannten Antragsmodell zu entscheiden. Ein solches Modell liegt vor, wenn alle Dokumente dem Versicherungsnehmer bereits bei Antragstellung übergeben werden. Ist dies nicht der Fall, liegt ein Vertrag im so genannten Policenmodell vor. Die Unterscheidung ist wichtig, weil die gesetzlich geforderte Widerspruchsbelehrung bei einem Policenmodell umfangreicher und fehleranfälliger ist. Ein Fehler der Belehrung verleiht dem Versicherten ein sogenanntes „ewiges Widerspruchrecht“, so dass Policen-Verträge meist leichter aufgelöst werden können. Die Richter haben nun entschieden, dass auch eine vielfach übersehene Vorschrift des allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches zur Aufklärung bei Antragstellung gehört. Ist nicht aufgeklärt worden, können die Versicherungsnehmer widerrufen, wenn hierüber auch mit der Versicherungspolice nicht nachträglich ordnungsgemäß aufgeklärt wurde. Dies dürfte allerdings bei den wenigsten Versicherungsverträgen der Fall gewesen sein, berichtet Rechtsanwalt Christian-H. Röhlke, der mit dieser Argumentation bereits gegenüber der Atlantic-Lux Versicherung erfolgreich war.

„In einer mündlichen Verhandlung wurde vor kurzem festgestellt, dass die fragliche Angabe auch in der Belehrung der Atlantic-Lux nicht enthalten war, die dem Versicherungsnehmer gemeinsam mit dem Antrag überreicht wurde. Auch eine nachträgliche Belehrung fand nicht statt. Der Versicherungsnehmer konnte seinen Versicherungsvertrag widerrufen. Im Streit ist derzeit nur noch, wie viel Geld von der Atlantic-Lux zurück erstattet werden muss“, berichtet der Anwalt.

Von diesem Recht können Versicherungskunden in unterschiedlichen Maße profitieren. Einige Versicherte können ihre gesamten Prämien zuzüglich eine Verzinsung herausverlangen, andere zumindest den Teil, der auf die Vertriebsprovisionen und Kosten der Gesellschaft verwendet wurde. Die Verwertung von Lebensversicherungen auf diese Weise war auch das Geschäftsmodell der Facto Financial Service AG, die er verschiedene Modelle anbot, bei der Rückabwicklung gegen Erfolgsbeteiligung zu helfen. Am 27.08.2018 wurde allerdings das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Facto beantragt. Kunden, die ihre Police zum Einzug der Forderungen an die Facto verkauft haben, haben jetzt berechtigte Sorge, was mit den Policen geschieht.

Es bewegt sich einiges im Bereich der Lebensversicherungen. Betroffene sollten in jedem Fall eine genaue Prüfung ihrer Situation durch einen spezialisierten Anwalt in Anspruch nehmen.

Quelle: https://www.anwalt.de/rechtstipps/bgh-staerkt-rechte-von-lebensversicherten-run-offs-verunsichern-anleger-verwerter-insolvent_145365.html

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein