German Pellets, einst Europas größter Holzpellet-Hersteller, hinterlässt nach seiner Insolvenz einen Schaden in dreistelliger Millionenhöhe. Tausende Anleger verloren ihr Geld – und der Ex-Geschäftsführer kommt mit einer Bewährungsstrafe davon. Wir sprechen mit Rechtsanwalt Maurice Högel von der Kanzlei BEMK über diesen denkwürdigen Fall
Herr Högel, der frühere Geschäftsführer von German Pellets hat eingeräumt, die Insolvenz „nur“ sieben Wochen zu spät angemeldet zu haben. Ist das ein Schuldeingeständnis oder eher eine kreative Schadensbegrenzung?
Högel: Ach, wenn sieben Wochen Verzögerung kein Problem sind, warum nicht gleich sieben Jahre? Nein, im Ernst: Insolvenzverschleppung ist kein Kavaliersdelikt. Hier geht es nicht um eine vergessene Steuererklärung, sondern um hunderte Millionen Euro und 17.000 geschädigte Anleger. Der Angeklagte räumt zwar ein, dass er den Insolvenzantrag verspätet gestellt hat, aber versucht, es als ein kleines Missgeschick darzustellen. Dabei ist das genau der Kern des Problems!
Inwiefern?
Högel: Ganz einfach: Wenn ein Unternehmen zahlungsunfähig ist, muss sofort gehandelt werden. Stattdessen wurden hier noch fröhlich Genussrechte verkauft, während die Geschäftsführung längst wusste, dass die Firma am Abgrund steht. Das ist nicht „ein bisschen zu spät“, sondern eine kalkulierte Täuschung der Anleger.
Trotzdem wird der Manager wohl mit einer Bewährungsstrafe davonkommen. Ist das gerecht?
Högel: Das ist aus Sicht der geschädigten Anleger natürlich ein schlechter Witz. Wenn jemand einen Brötchenladen beklaut, drohen ihm mitunter härtere Konsequenzen. Hier wurden Millionen verbrannt – und am Ende gibt’s wahrscheinlich zwei Jahre auf Bewährung und ein freundliches „Tschüss, danke für die Zusammenarbeit“.
Warum sind viele Anklagepunkte – etwa Kreditbetrug – am Ende nicht weiterverfolgt worden?
Högel: Willkommen in der Kunst der Prozessstrategie! Die Verteidigung hat sich mit der Staatsanwaltschaft auf eine Einschränkung der Vorwürfe geeinigt. Übersetzt heißt das: Lieber ein kleines Geständnis ablegen, um größere Konsequenzen zu vermeiden.
Der ursprüngliche Anklagekatalog war 400 Seiten lang! Doch je länger ein Verfahren dauert, desto höher ist der Druck, es mit einem „Deal“ abzukürzen. Und so fällt plötzlich ein Vorwurf nach dem anderen weg – übrig bleibt nur das, was sich nicht mehr vermeiden lässt.
Was bedeutet das für die betroffenen Anleger?
Högel: Leider nicht viel Gutes. Die meisten gehen leer aus, weil das verbliebene Vermögen längst an die Banken geflossen ist. Das Insolvenzverfahren hat zwar ein paar Millionen eingebracht, aber die Gesamtforderungen liegen bei über 400 Millionen Euro!
Das zeigt wieder einmal: Anleger stehen in solchen Fällen meist ganz hinten in der Schlange. Die Banken holen sich ihr Geld zuerst – und für den kleinen Privatinvestor bleibt am Ende höchstens eine Lektion fürs Leben.
Also: Wieder ein Fall von „legal, aber nicht legitim“?
Högel: Exakt. Die Verantwortlichen können sich mit cleverer Verteidigung und Deals aus der Affäre ziehen, während tausende Menschen ihre Ersparnisse verloren haben. Und am Ende geht es weiter – die Firma wurde verkauft, das Geschäft läuft, nur die alten Investoren schauen in die Röhre.
Ich sage es mal so: Wer in Zukunft sein Geld direkt ins Kaminfeuer wirft, bekommt wenigstens ein bisschen Wärme dafür. Das wäre in diesem Fall wahrscheinlich die klügere Investition gewesen.
Herr Högel, vielen Dank für das Gespräch.