Jedes Jahr verwüsten Tausende Waldbrände den Süden Italiens, angefacht durch extreme Hitze, trockene Böden und heiße Sahara-Winde. Doch während der Klimawandel die Bedingungen für diese Brände verschärft, zeigt eine neue Untersuchung, dass die Mafia das Feuer gezielt als Waffe einsetzt – für Kontrolle, finanzielle Gewinne und Einschüchterung.
Laut der Anti-Mafia-Kommission Siziliens sind mehr als die Hälfte der Brände in Italien absichtlich gelegt. Die Motive reichen von Landgewinnung über kriminelle Profite bis hin zu gezielten Vergeltungsaktionen. Besonders auffällig: Die Brände häufen sich in Regionen mit starker Mafia-Präsenz, etwa in Sizilien, Kalabrien, Apulien und Kampanien.
„Feuer ist Geld“: Das lukrative Geschäft mit der Katastrophe
Sergio Nazzaro, Journalist und ehemaliger Sprecher der italienischen Anti-Mafia-Kommission, bringt es auf den Punkt:
„Feuer ist Geld. Es schafft eine Notlage, die jemand lösen muss – und das bedeutet lukrative Aufträge für die Mafia.“
Brände eröffnen zahlreiche illegale Geschäftsmöglichkeiten für kriminelle Netzwerke:
- Verträge für Feuerbekämpfung: Durch gezielte Brandstiftung entstehen mehr Einsätze für lokale Feuerwehrkräfte – von denen einige in mafiösen Strukturen verwickelt sein könnten.
- Aufträge für Aufräumarbeiten und Wiederaufbau: Nach den Bränden müssen Straßen, Häuser und Infrastruktur erneuert werden – ein Bereich, in dem die Mafia traditionell stark vertreten ist.
- Spekulation mit Land: In Italien dürfen abgebrannte Flächen offiziell mehrere Jahre nicht bebaut oder für landwirtschaftliche Zwecke genutzt werden. Doch die Überwachung ist oft mangelhaft, und mithilfe von Bestechung oder Drohungen lassen sich neue Bauprojekte auf ehemals geschütztem Land durchsetzen.
Die dunkle Seite der Energiewende: Mafia-Interessen an Wind- und Solarparks
Ein besonders brisanter Verdacht steht im Raum: Die Mafia könnte Brände auch dazu nutzen, um Flächen für erneuerbare Energien zu erschließen.
Forscherin Lauren Pearson von der University of California, Berkeley, berichtet von Fällen, in denen Bauern nach Bränden von Solarunternehmen kontaktiert wurden, um ihr Land für Photovoltaikanlagen zu verkaufen. Es gibt Hinweise darauf, dass die Mafia gezielt auf Fördergelder für erneuerbare Energien abzielt – ein perfider Kreislauf, bei dem sie zuerst den Klimawandel durch Brandstiftung verschärft, um dann von den staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise zu profitieren.
„Die Mafia ist Meister darin, sich illegal Zugang zu neuen Geldquellen zu verschaffen“, sagt Pearson.
Brandstiftung als Machtinstrument: Einschüchterung und Kontrolle
Neben finanziellen Motiven dient das Feuer auch als Machtinstrument.
- Mafia-Strukturen basieren auf Kontrolle und Angst – Feuer ist eine symbolische Machtdemonstration, um Gegner einzuschüchtern.
- In Mafia-kontrollierten Gebieten ist es unwahrscheinlich, dass jemand ein Feuer legt, ohne die Zustimmung der kriminellen Bosse.
- Widerstand gegen die Mafia wird oft mit Brandstiftung bestraft, etwa durch das Niederbrennen von Feldern oder landwirtschaftlichen Betrieben.
Schwacher Staat, starke Mafia: Warum sich das Problem verschärft
Trotz strenger Gesetze ist es in Italien extrem schwierig, Brandstifter zu überführen – und noch schwerer, die Hintermänner zu fassen.
- Italiens Forstgesetze verbieten Bebauung und Beweidung auf abgebranntem Land – doch es fehlt an Überwachung und Kontrolle.
- Beweissicherung ist kompliziert: Zwar lässt sich Brandstiftung leicht nachweisen, aber oft fehlen klare Beweise, die auf Mafia-Beteiligung hindeuten.
- Fehlende Prävention: Während Millionen in die Brandbekämpfung fließen, gibt es kaum langfristige Strategien zur Verhinderung von Bränden.
Pietro Ciulla vom World Wildlife Fund Italien warnt, dass dieser Mangel an Vorsorge die Mafia weiter stärkt.
„Es wird viel Geld für Feuerbekämpfung ausgegeben – aber zu wenig für Prävention und Wiederaufforstung. Das macht es der Mafia leichter, sich in das System einzunisten.“
Fazit: Die Mafia nutzt den Klimawandel als Waffe
Die zunehmende Zahl verheerender Waldbrände in Süditalien ist nicht nur eine Folge des Klimawandels, sondern auch gezielte Brandstiftung durch kriminelle Netzwerke. Die Mafia nutzt Feuer als Instrument der Einschüchterung, für wirtschaftliche Profite und zur Sicherung ihrer Kontrolle.
Mit steigenden Temperaturen und längeren Dürreperioden wird das Problem in Zukunft nur noch größer – es sei denn, der Staat entwickelt eine wirksamere Strategie zur Prävention und Bekämpfung mafiöser Brandstiftung. Andernfalls bleibt Feuer eine der gefährlichsten Waffen des organisierten Verbrechens.