Interviewer: Herr Rasch, Frau Bontschev, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, über dieses wichtige Thema zu sprechen. Die Frage, ob bei einem Unternehmen wie der DEGAG ein Anlegerbeirat oder ein Gläubigerausschuss gebildet werden sollte, sorgt derzeit für Verunsicherung. Was ist Ihre Meinung dazu?
Mike Rasch: Danke für die Einladung. Aus rechtlicher Sicht ist es in einer wirtschaftlich angespannten Situation oft sinnvoll, beide Optionen vorzubereiten. Ein Anlegerbeirat ermöglicht es, die Interessen der Investoren zu bündeln und transparent zu kommunizieren, während ein Gläubigerausschuss bei einer Insolvenz eine strukturierte Abwicklung unterstützt.
Kerstin Bontschev: Genau. Es zeigt auch, dass der Vorstand oder die Geschäftsführung ihrer Sorgfaltspflicht nachkommt, indem sie aktiv Maßnahmen ergreift und mögliche Vorwürfe, wie etwa die der Insolvenzverschleppung, entkräftet.
Interviewer: Frau Bontschev, was genau bedeutet Insolvenzverschleppung, und wann liegt sie vor?
Kerstin Bontschev: Eine Insolvenzverschleppung liegt vor, wenn ein Unternehmen trotz eines vorliegenden Insolvenzgrundes – etwa Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung – nicht rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellt. Gemäß § 15a Insolvenzordnung (InsO) muss der Antrag spätestens drei Wochen nach Eintritt des Insolvenzgrundes gestellt werden.
Mike Rasch: Ein weiterer wichtiger Punkt ist die drohende Zahlungsunfähigkeit, die zwar keinen zwingenden Antrag erfordert, aber ein Hinweis darauf ist, dass das Unternehmen proaktiv handeln sollte. Wird ein Insolvenzantrag zu spät gestellt, handelt es sich um eine Straftat – mit erheblichen Konsequenzen für die Verantwortlichen.
Interviewer: Herr Rasch, welche Folgen drohen Vorständen oder Geschäftsführern bei Insolvenzverschleppung?
Mike Rasch: Die Folgen können gravierend sein:
- Strafrechtlich drohen Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren oder Geldstrafen, in schweren Fällen bis zu fünf Jahren.
- Zivilrechtlich haften Vorstände oder Geschäftsführer persönlich für alle Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzgründe vorgenommen wurden, es sei denn, diese waren mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar.
- Berufsverbot: In Extremfällen kann ein Berufsverbot ausgesprochen werden, was die weitere berufliche Laufbahn erheblich einschränken kann.
Interviewer: Frau Bontschev, wie könnte die Einrichtung eines Anlegerbeirats oder Gläubigerausschusses helfen, solche Risiken zu minimieren?
Kerstin Bontschev: Ein Anlegerbeirat oder Gläubigerausschuss zeigt, dass die Geschäftsführung proaktiv handelt und Transparenz schafft. Ein Anlegerbeirat hilft, die Interessen der Investoren zu bündeln und diese rechtzeitig über die Lage des Unternehmens zu informieren. Ein Gläubigerausschuss hingegen kommt ins Spiel, wenn die Insolvenz unvermeidlich ist, und stellt sicher, dass die Abwicklung im Interesse aller Beteiligten erfolgt.
Mike Rasch: Darüber hinaus signalisiert der „zwei-gleisige“ Ansatz, dass die Verantwortlichen sich ihrer rechtlichen Verpflichtungen bewusst sind und alle Optionen sorgfältig abwägen. Das kann später entscheidend sein, um den Vorwurf der Insolvenzverschleppung zu entkräften.
Interviewer: Was raten Sie Verantwortlichen in einer solchen Situation?
Mike Rasch: Mein Rat ist klar: Handeln Sie frühzeitig und lassen Sie sich rechtlich beraten. Die frühzeitige Einbindung von Experten kann helfen, Risiken zu minimieren und die bestmögliche Lösung für alle Beteiligten zu finden.
Kerstin Bontschev: Dem kann ich nur zustimmen. Transparenz und klare Kommunikation sind in solchen Situationen das A und O. Ein gut organisierter Anlegerbeirat oder Gläubigerausschuss ist nicht nur ein Zeichen von Verantwortungsbewusstsein, sondern kann auch das Vertrauen der Betroffenen stärken.
Interviewer: Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!
Mike Rasch & Kerstin Bontschev: Danke, es war uns eine Freude!