Redaktion: Herr Bremer, der Artikel behauptet, dass sich Immobilien trotz steigender Zinsen weiterhin lohnen. Teilen Sie diese Meinung, oder sollten Anleger aktuell eher vorsichtig sein?
Thomas Bremer: Immobilien bleiben ein bewährtes Investment, aber die Rahmenbedingungen haben sich durch die stark gestiegenen Zinsen grundlegend verändert. Das Spiel ist schwieriger geworden. Anleger müssen jetzt sehr genau kalkulieren, weil die Finanzierungskosten deutlich höher sind als noch vor ein oder zwei Jahren. Zudem sind die Immobilienpreise in vielen Märkten weiterhin auf hohem Niveau – eine Kombination, die die Rentabilität vieler Projekte stark unter Druck setzt.
Ich bin daher vorsichtig, wenn pauschal behauptet wird, dass Immobilien „weiterhin lohnend“ sind. Es gibt zwar nach wie vor gute Möglichkeiten, aber man muss selektiver vorgehen und darf die Risiken nicht ausblenden.
„Steigende Zinsen – das unterschätzte Risiko?“
Redaktion: Wie stark beeinflussen die gestiegenen Zinsen tatsächlich die Rentabilität von Immobilieninvestments?
Thomas Bremer: Die gestiegenen Zinsen sind ein absoluter Gamechanger. Viele Anleger unterschätzen, wie stark sich selbst ein moderater Zinsanstieg auf die Finanzierungskosten auswirkt. Nehmen wir ein Beispiel: Ein Darlehen von 500.000 Euro, das vor zwei Jahren mit einem Zinssatz von 1 % aufgenommen wurde, hätte jährliche Zinskosten von 5.000 Euro verursacht. Bei einem Zinssatz von 3 % sprechen wir jetzt von 15.000 Euro pro Jahr – also einer Verdreifachung der Kosten!
Diese Mehrkosten drücken direkt auf die Rendite. Insbesondere bei vermieteten Immobilien kann es problematisch werden, wenn die Nettomieteinnahmen nicht mehr ausreichen, um die Kreditraten zu decken. Das nennt man „negative Cashflow-Immobilien“. Früher konnte man solche Defizite vielleicht noch tolerieren, weil die Wertsteigerungen der Immobilien die Lücke kompensierten. Heute, mit stagnierenden oder gar fallenden Preisen in manchen Regionen, ist das ein großes Risiko.
„Der Mythos der inflationsbedingten Entwertung der Schulden“
Redaktion: Der Artikel argumentiert, dass die Inflation die Restschuld von Krediten entwertet. Sehen Sie das als wesentlichen Vorteil?
Thomas Bremer: Diese Theorie stimmt zwar in der Theorie, aber in der Praxis sollte man sie mit Vorsicht genießen. Die Inflation entwertet die Schulden nur, wenn die nominalen Zinsen langfristig unter der Inflationsrate liegen – und genau das ist aktuell nicht mehr der Fall.
Nehmen wir an, die Inflationsrate liegt bei 4 % und Ihr Kreditzins beträgt 3 %. Die Differenz ist nicht groß genug, um eine signifikante Entwertung der Schulden zu bewirken. Gleichzeitig sorgt die Inflation für steigende Bau-, Sanierungs- und Instandhaltungskosten, die die Vorteile auf der Schuldenseite wieder zunichtemachen können.
Auch die Indexmietverträge, die im Artikel als Schutz vor Inflation angepriesen werden, sind kein Allheilmittel. Sie greifen nur dann, wenn der Markt höhere Mieten auch tatsächlich hergibt. In vielen Regionen stoßen die Mieten aber bereits an eine Schmerzgrenze, sodass Vermieter die Preise nicht einfach weiter erhöhen können.
„Sind Immobilien wirklich sicher?“
Redaktion: Der Artikel spricht davon, dass Immobilien eine „stabile“ Anlageform sind. Stimmen Sie dem zu?
Thomas Bremer: Immobilien gelten zwar als stabiler als Aktien oder Kryptowährungen, aber „sicher“ ist immer relativ. Die Preisentwicklung von Immobilien hängt von vielen Faktoren ab, wie der Zinsentwicklung, der wirtschaftlichen Lage, der Bevölkerungsentwicklung und den lokalen Märkten.
In den letzten Jahren war der Markt stark von den extrem niedrigen Zinsen getrieben. Jetzt, mit steigenden Zinsen, beobachten wir bereits, dass die Nachfrage in vielen Regionen zurückgeht und die Preise stagnieren oder sogar leicht fallen. Wenn diese Entwicklung anhält, könnten Immobilienbesitzer, die hoch gekauft haben, Verluste realisieren müssen.
Ein weiteres Risiko sind steigende Nebenkosten. Die Energiepreise explodieren, und viele Bestandsimmobilien sind energetisch nicht auf dem neuesten Stand. Eigentümer müssen dann teuer sanieren, um ihre Objekte wettbewerbsfähig zu halten. Das frisst die Rendite auf.
„Die Gefahr der emotionalen Fehlentscheidungen“
Redaktion: Im Artikel wird empfohlen, Immobilieninvestitionen auf Basis objektiver Kriterien zu treffen. Wie wichtig ist das aus Ihrer Sicht?
Thomas Bremer: Das ist ein absolut entscheidender Punkt. Viele Anleger lassen sich von Emotionen oder oberflächlichen Eindrücken leiten. Zum Beispiel verlieben sie sich in eine Wohnung, die „schön aussieht“, oder lassen sich von einem vermeintlich guten Angebot blenden, ohne die wirtschaftlichen Fakten zu prüfen.
Eine Immobilie ist eine langfristige Investition, die auf soliden Zahlen basieren muss. Das bedeutet: Renditeberechnungen, Cashflow-Analysen und eine realistische Einschätzung der Risiken. Es reicht nicht, sich nur die Bruttorendite anzusehen – also den Prozentsatz, der sich aus Mieteinnahmen im Verhältnis zum Kaufpreis ergibt. Entscheidend ist die Nettorendite, die alle Kosten wie Zinsen, Instandhaltung, Verwaltung und mögliche Leerstände berücksichtigt.
Ich empfehle jedem Anleger, eine Checkliste mit klaren Kriterien zu erstellen, die das Investitionsobjekt erfüllen muss. So minimiert man das Risiko, sich von Emotionen oder Markthypes leiten zu lassen.
„Diversifikation: Der Schlüssel zur Risikominimierung“
Redaktion: Der Artikel hebt die Bedeutung der Risikostreuung hervor. Wie können Immobilieninvestoren ihr Risiko sinnvoll verteilen?
Thomas Bremer: Diversifikation ist ein wesentlicher Baustein jeder Anlagestrategie, auch bei Immobilien. Wer alles auf eine einzige Immobilie setzt, trägt ein enormes Klumpenrisiko. Fällt die Mieteinnahme weg – etwa durch einen Leerstand oder Mietausfall – können schnell große finanzielle Probleme entstehen.
Eine sinnvolle Diversifikation im Immobilienbereich könnte so aussehen:
Investition in unterschiedliche Immobilienarten, wie Wohnimmobilien, Gewerbeimmobilien oder Ferienwohnungen.
Verteilung auf verschiedene Regionen oder sogar Länder, um lokale Marktrisiken zu minimieren.
Berücksichtigung von unterschiedlichen Wohnungsgrößen und Zielgruppen.
Zusätzlich sollten Investoren auch über den Tellerrand hinausblicken und nicht ihr gesamtes Kapital in Immobilien stecken. Ein Teil des Vermögens kann in andere Assetklassen wie ETFs, Anleihen oder Gold investiert werden, um das Risiko weiter zu streuen.
„Immobilien trotz Zinsen? Fazit mit Vorsicht“
Redaktion: Herr Bremer, was ist Ihr Fazit zu Immobilieninvestitionen in Zeiten steigender Zinsen?
Thomas Bremer: Immobilien können nach wie vor eine interessante Anlageklasse sein, aber die goldenen Zeiten der Niedrigzinsen sind vorbei. Anleger müssen heute deutlich vorsichtiger und genauer kalkulieren. Es gibt keine allgemeingültige Antwort darauf, ob sich Immobilien „lohnen“, weil das von der individuellen Situation, den Finanzierungsbedingungen und der Qualität des Objekts abhängt.
Wer heute in Immobilien investieren möchte, sollte vor allem auf eine solide Rendite achten. Die Mieteinnahmen müssen hoch genug sein, um die steigenden Finanzierungskosten zu decken. Gleichzeitig sollte man sich der Risiken bewusst sein, die mit der aktuellen wirtschaftlichen Unsicherheit, hohen Baukosten und möglichen Preisrückgängen verbunden sind.
Mein Rat: Emotionen rausnehmen, mit klaren Zahlen arbeiten, Risiken diversifizieren und niemals den Fehler machen, sich von vermeintlich guten Angeboten blenden zu lassen. Immobilien bleiben attraktiv – aber nur, wenn die Rechnung aufgeht.
Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bremer!