Redaktion: Frau Gordon, Jahr für Jahr verlieren viele Verbraucherinnen und Verbraucher Geld durch spekulative oder intransparente Geldanlagen. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach sicheren, risikoarmen Anlageformen gestiegen. Gibt es überhaupt solche „sicheren“ Geldanlagen?
Wanice Gordon: Das Thema „sichere Geldanlage“ ist komplex, denn keine Anlage ist absolut risikofrei. Was in der Finanzwelt als „sicher“ gilt, bezieht sich oft darauf, dass bestimmte Risiken – wie ein Totalverlust oder hohe Wertschwankungen – minimiert werden. Solche Anlagen schützen aber nicht vor der Entwertung durch Inflation, und das bleibt ein zentrales Problem. Verbraucher sollten sich also bewusst sein, dass Sicherheit immer relativ ist: Es geht darum, welches Risiko man vermeiden möchte – etwa Kursschwankungen, Totalverlust oder Kaufkraftverlust durch Inflation.
„Welche Anlageklassen gelten als sicher?“
Redaktion: Welche Anlageklassen kommen für Anleger infrage, die möglichst wenig Risiko eingehen möchten?
Wanice Gordon: Zu den sichereren Anlageklassen gehören Geldwerte, also Bankprodukte wie Tagesgeld, Festgeld oder Sparbücher. Sie unterliegen der gesetzlichen Einlagensicherung, die Guthaben bis zu 100.000 Euro pro Person und Bank absichert. Diese Schutzregelung greift aber nur bei Banken innerhalb der EU.
Auch Bundeswertpapiere, wie Staatsanleihen der Bundesrepublik Deutschland, gelten als sehr sicher, da der deutsche Staat als Kreditnehmer als äußerst zuverlässig gilt. Doch selbst hier gibt es Risiken, etwa Kursverluste bei steigenden Zinsen, wenn man die Anleihen vor Laufzeitende verkaufen möchte.
Ein weiterer Kandidat sind Pfandbriefe, die von Hypothekenbanken ausgegeben werden. Sie gelten als mündelsicher, da die zugrunde liegenden Kredite durch Immobilienwerte abgesichert sind. Allerdings sind auch diese Renditen eher gering.
„Wie sinnvoll sind Bankprodukte wie Tagesgeld, Festgeld oder Sparbücher?“
Redaktion: Bankprodukte wie Tagesgeld und Festgeld werden oft als sichere Optionen genannt. Sind diese wirklich empfehlenswert?
Wanice Gordon: Tagesgeld- und Festgeldkonten sind gute Optionen für sicherheitsorientierte Anleger, vor allem wegen der Einlagensicherung. Das Geld ist geschützt, und die Handhabung ist einfach. Tagesgeld bietet Flexibilität, da man jederzeit auf sein Geld zugreifen kann, während Festgeld mit festen Laufzeiten höhere Zinsen bringt.
Allerdings sind die Zinsen bei diesen Produkten häufig so niedrig, dass sie die Inflation nicht ausgleichen. Das bedeutet, dass die Kaufkraft des angelegten Geldes über die Zeit sinkt. Wer ausschließlich in diese Produkte investiert, muss sich bewusst sein, dass er zwar kein Wertschwankungsrisiko hat, aber trotzdem Geld verlieren kann – durch die schleichende Entwertung.
„Was halten Sie von Staatsanleihen als sichere Geldanlage?“
Redaktion: Staatsanleihen, insbesondere deutsche Bundeswertpapiere, gelten als sehr sicher. Sind sie eine Alternative für sicherheitsorientierte Anleger?
Wanice Gordon: Bundeswertpapiere sind tatsächlich eine sichere Option, wenn es um die Rückzahlung des Kapitals geht. Der deutsche Staat hat eine hohe Bonität, und die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls ist extrem gering.
Allerdings gibt es zwei wichtige Punkte zu beachten: Erstens sind die Renditen bei Staatsanleihen derzeit oft sehr niedrig, vor allem bei kurzfristigen Laufzeiten. Zweitens besteht ein Kursrisiko, wenn die Anleihen vor Laufzeitende verkauft werden. Steigt das Zinsniveau, sinken die Kurse der bestehenden Anleihen. Anleger sollten Staatsanleihen also idealerweise bis zur Fälligkeit halten, um dieses Risiko zu vermeiden.
„Sind Versicherungsprodukte wie Kapitallebensversicherungen noch zeitgemäß?“
Redaktion: Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen galten lange als sichere Sparformen. Wie sehen Sie diese Produkte heute?
Wanice Gordon: Kapital- und Rentenversicherungen haben durch die anhaltend niedrigen Zinsen stark an Attraktivität eingebüßt. Die garantierten Verzinsungen bei Neuverträgen liegen oft unter 1 %, was bedeutet, dass diese Produkte kaum eine Chance haben, die Inflation auszugleichen.
Hinzu kommen hohe Abschluss- und Verwaltungskosten, die die Rendite weiter schmälern. In manchen Fällen liegt die reale Verzinsung sogar im negativen Bereich. Wer bereits Altverträge mit höheren Garantiezinsen besitzt, sollte diese jedoch in der Regel behalten. Sie bieten meist eine bessere Rendite als neue Verträge und können steuerliche Vorteile bieten.
„Was ist mit Bausparverträgen – lohnen die sich noch?“
Redaktion: Bausparverträge werden häufig als sichere Geldanlage angepriesen. Stimmen Sie dem zu?
Wanice Gordon: Bausparverträge sind tatsächlich sicher, da das angesparte Guthaben unter die Einlagensicherung fällt. Zudem bieten sie die Möglichkeit, später ein zinsgünstiges Darlehen zu erhalten.
Allerdings sind die Guthabenzinsen oft sehr niedrig, was die Attraktivität schmälert. Ein Vorteil ist, dass Bausparverträge für vermögenswirksame Leistungen genutzt werden können und in bestimmten Fällen staatliche Förderungen wie die Wohnungsbauprämie oder Arbeitnehmersparzulage bringen.
Wer einen Bausparvertrag abschließt, sollte genau prüfen, ob die Vorteile die niedrige Verzinsung aufwiegen. Ohne die Absicht, später ein Darlehen aufzunehmen, sind Bausparverträge als reine Sparanlage oft nicht lohnend.
„Was ist das Risiko bei hohen Renditeversprechen?“
Redaktion: Viele Verbraucher fühlen sich von Angeboten mit hohen Renditeversprechen angezogen. Warum ist hier besondere Vorsicht geboten?
Wanice Gordon: Hohe Renditeversprechen gehen fast immer mit erhöhten Risiken einher. Anleger sollten sich fragen, wie diese hohen Renditen erzielt werden sollen und welche Risiken damit verbunden sind. Häufig handelt es sich um spekulative Investments, bei denen ein Totalverlust möglich ist.
Besonders bei Angeboten aus dem sogenannten „grauen Kapitalmarkt“ – also unregulierten Anlageprodukten wie Nachrangdarlehen oder Unternehmensbeteiligungen – ist Vorsicht geboten. Solche Produkte sind oft nicht ausreichend transparent, und im Insolvenzfall gehen Anleger meist leer aus.
Als Faustregel gilt: Wenn eine Anlage zu gut klingt, um wahr zu sein, ist sie es oft auch. Wer auf Sicherheit Wert legt, sollte solche Angebote meiden.
„Wie können Anleger ihr Risiko minimieren?“
Redaktion: Was raten Sie Anlegern, die ihr Kapital möglichst sicher anlegen möchten?
Wanice Gordon: Mein erster Rat ist, immer diversifiziert zu investieren. Wer sein Geld auf verschiedene Anlageklassen wie Tagesgeld, Festgeld, Anleihen und vielleicht einen kleinen Anteil an Aktien oder ETFs verteilt, reduziert das Risiko eines Totalverlusts erheblich.
Zweitens sollten Anleger die Einlagensicherung im Blick behalten. Innerhalb der EU sind Bankeinlagen bis 100.000 Euro pro Person und Bank geschützt – das gibt Sicherheit.
Drittens: Keine überstürzten Entscheidungen treffen und Angebote mit hohen Renditeversprechen immer kritisch hinterfragen. Es kann auch sinnvoll sein, einen unabhängigen Finanzberater zu konsultieren, um die passende Anlagestrategie zu entwickeln, die zu den eigenen Zielen und der Risikobereitschaft passt.
Redaktion: Frau Gordon, vielen Dank für Ihre Einschätzungen und die hilfreichen Tipps!