Jetzt im Januar nimmt der Corona-Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landtags seine Arbeit auf. Was als Aufarbeitung der Pandemiezeit verkauft wird, wirft eine entscheidende Frage auf: Wollen die damaligen Regierungsparteien wirklich, dass ihre Versäumnisse und Fehlentscheidungen ans Licht kommen? Oder handelt es sich vielmehr um eine politische Pflichtübung, die am Ende in endlosen Berichten versandet?
Die CDU, die die Regierung damals anführte, stellt mit sieben Sitzen die Mehrheit im Ausschuss. Die AfD, die die Einsetzung des Ausschusses erzwang, besetzt sechs Sitze, das Bündnis Sachsen Werte (BSW) zwei. SPD, Grüne und Linke haben jeweils nur einen Sitz. Unter diesen Bedingungen scheint schon jetzt klar, dass politische Interessen oft über einer ehrlichen Aufarbeitung stehen könnten.
Das Ziel: Aufarbeitung – oder Ablenkung?
Laut dem Ausschussvorsitzenden Andreas Nowak (CDU) soll das Gremium „die Abläufe in der Staatsregierung während der Pandemie“ untersuchen. Dabei könnte es um brisante Fragen gehen: Waren die Corona-Maßnahmen verhältnismäßig? Welche Auswirkungen hatten sie auf Kinder, Jugendliche und die Wirtschaft? War die Beschaffung von Schutzmaterial angemessen?
Doch Nowak dämpft die Erwartungen: „Man sollte nicht erwarten, dass sich daraus gleich ein Plan für die Zukunft ableiten lässt.“ Klingt das nach einem echten Willen zur Aufarbeitung? Oder doch eher nach einer Bemerkung, die den Untersuchungsausschuss als zahnlos erscheinen lässt?
Die Enquete-Kommission – ein Gegengewicht zum Ausschuss?
Interessant ist die parallele Einrichtung einer Enquete-Kommission, die laut Nowak „vollständig öffentlich tagt“ und sich auf Lehren für die Zukunft konzentrieren soll. Ein sinnvoller Schritt – oder eher ein Versuch der Regierungsparteien, die Aufmerksamkeit von möglicherweise unangenehmen Erkenntnissen im Untersuchungsausschuss abzulenken?
Denn im Gegensatz zum Untersuchungsausschuss, der auf Antrag der AfD eingerichtet wurde und retrospektiv arbeitet, soll die Enquete-Kommission vorausschauend agieren. Kritiker könnten vermuten, dass diese Zweigleisigkeit bewusst gewählt wurde, um kontroverse Ergebnisse des Untersuchungsausschusses zu relativieren.
Ein breites Themenfeld – aber reicht die Zeit?
Der Untersuchungsausschuss hat eine enorme Aufgabe vor sich: 92 Einzelthemen sollen untersucht werden. Diese reichen von der Verhältnismäßigkeit der Corona-Maßnahmen über die Belastung in Kliniken bis hin zu den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie.
Doch kann ein Ausschuss mit voraussichtlich 14 bis 15 Sitzungen pro Jahr über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren tatsächlich alle Themen gründlich behandeln? Oder droht hier die Gefahr, dass die Arbeit oberflächlich bleibt – nicht, weil die Themen unbedeutend sind, sondern weil der politische Wille zur umfassenden Aufklärung fehlt?
Das politische Kalkül hinter dem Ausschuss
Der Untersuchungsausschuss wurde maßgeblich von der AfD initiiert, die laut Nowak allein genügend Abgeordnete hat, um die Einrichtung zu erzwingen. Doch auch das Bündnis Sachsen Werte unterstützte den Antrag. Für die CDU und SPD, die damals gemeinsam regierten, könnte der Ausschuss zur Gefahr werden. Niemand möchte gerne vorgeführt werden – vor allem nicht, wenn eigene Entscheidungen oder Versäumnisse während der Pandemie aufgedeckt werden könnten.
Es liegt auf der Hand, dass vor allem die CDU als stärkste Kraft im Ausschuss darauf achten wird, die Diskussionen zu lenken und allzu unangenehme Fragen zu vermeiden. Können wir unter solchen Bedingungen tatsächlich mit einer unvoreingenommenen Aufarbeitung rechnen?
Versäumnisse und Fehler – ein schwieriger Blick zurück
Ausschussvorsitzender Nowak mahnt dazu, nicht mit dem „Wissen von heute die große Keule auszupacken“. Es sei verständlich, dass nicht alle Entscheidungen während der Pandemie richtig gewesen seien, insbesondere angesichts der Unsicherheiten zu Beginn der Krise.
Doch genau hier liegt der Kern des Problems: Es ist wichtig, Fehler und Versäumnisse nicht zu verteidigen oder kleinzureden, sondern ehrlich zu benennen. Nur so kann man aus der Vergangenheit lernen. Wird der Ausschuss den Mut haben, auch schmerzhafte Wahrheiten auszusprechen – oder bleibt er eine Bühne für politisches Taktieren?
Worauf kommt es jetzt an?
Die Arbeit des Ausschusses wird spannend, aber auch herausfordernd. Die Zusammensetzung ohne klare Mehrheiten könnte dazu führen, dass Diskussionen hitzig und Ergebnisse umstritten werden. Am Ende wird es einen Abschlussbericht geben – und vermutlich mehrere abweichende Berichte einzelner Fraktionen.
Die große Frage bleibt: Wird dieser Ausschuss Licht ins Dunkel der Corona-Politik bringen? Oder wird er so gestaltet, dass die damaligen Regierungsparteien ihre Entscheidungen rechtfertigen und unangenehme Wahrheiten im Schatten bleiben?
Die Bürgerinnen und Bürger verdienen eine ehrliche Aufarbeitung. Es bleibt zu hoffen, dass sich der Untersuchungsausschuss nicht in politischem Kalkül verliert – sondern tatsächlich dazu beiträgt, aus der Pandemie zu lernen. Denn nur mit einem ehrlichen Blick zurück kann ein besseres Krisenmanagement für die Zukunft gelingen.