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Verbraucherzentrale zur Musterfeststellungsklage

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Wenn Banken, Energieversorger und Co. unberechtigt Gebühren erhöhen oder über Händler verkaufte Waren systematisch mangelhaft sind, war bislang jeder betroffene Kunde auf sich allein gestellt. Zeigte das Unternehmen keine Einsicht, galt: Dass Geld zurückerstattet oder Schadensersatz gezahlt werden muss, muss der Kunde vor Gericht bringen und beweisen. Das kostete Zeit und konnte bei ungewissem Ausgang des Verfahrens auch ins Geld gehen.

Ist das gekaufte Produkt von einem Mangel betroffen? Was haben Hersteller oder Händler daran angepriesen? Im schlimmsten Fall entstanden jahrelange Rechtsstreite – und vor einigen Gerichten konnten erst einmal die Unternehmen und Händler Recht bekommen, während vor anderen die Kunden gewannen, selbst wenn die Ausgangsbedingungen dieselben waren.

Nun hat der Bundestag den Gesetzentwurf zur Musterfeststellungsklage beschlossen.

Meilenstein für den Verbraucherschutz

Die Musterfeststellungsklage wird zu einem Instrument, mit dem Verbände, die nach festgelegten Kriterien ausgewählt wurden, Verbrauchern über die ganze Breite des Verbraucheralltags hinweg zu ihrem Recht verhelfen können. Aus der Wirtschaft gab es Forderungen, die Klagebefugnis massiv einzuengen.

Trotzdem entspricht das Gesetz in einigen Punkten nicht unseren Vorstellungen. Verbraucher müssen sich weiterhin frühzeitig entscheiden, ob sie an einer Klage teilnehmen möchten – und somit mit dem Risiko leben, dass ein Urteil für sie auch negativ ausfallen kann.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die eng gefasste Klagebefugnis. Das heißt: Nur vergleichsweise wenig Verbände können klagen.

„Das Gesetz ist an manchen Stellen ein schmerzhafter Kompromiss. Dennoch ist heute ein wichtiger und guter Tag für Verbraucher: Die Musterfeststellungsklage wird es Geschädigten künftig erleichtern, ihr Recht einzufordern – nicht nur im VW-Fall, sondern weit darüber hinaus.“ – Klaus Müller (Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, vzbv)

Wie eine Musterklage zu Ihrem Recht verhelfen kann

Das Gesetz soll zum 1. November 2018 in Kraft treten. Vorher kann keine Musterfeststellungsklage erhoben werden. Auch nach Inkrafttreten handelt es sich um eine reine Verbandsklage. Das bedeutet, dass erst ein Verband wie zum Beispiel der vzbv oder eine Verbraucherzentrale klagt und danach das Gericht ein Register eröffnet, in das sich Verbraucher eintragen können.

Wichtig ist dabei: Die Ansprüche von Verbrauchern, die sich der Musterklage anschließen, können während des Klageverfahrens nicht verjähren. Das Urteil ist bindend.

Von Gerichten begleitete Vergleichsverfahren oder Schlichtungsangebote können Verbrauchern zusätzlich dabei helfen, mit kleinem Aufwand für ihren Fall passende Zahlungen zu bekommen.

Musterklage für geschädigte VW-Kunden

Im Zuge des VW-Skandals war das Thema Musterklage wieder auf die politische Agenda zurückgekehrt. Nun könnten geschädigte VW-Kunden noch von dem neuen Gesetz profitieren, bevor ihre Ansprüche mit Ablauf des Jahres 2018 verjährt sind. Entscheidend wird sein, dass das Gesetz tatsächlich zum 1. November 2018 in Kraft tritt und ein Verband dann rechtzeitig eine Musterfeststellungsklage erheben kann. Das entsprechende Urteil würde für alle Verbraucher gelten, die sich in das Klageregister eingetragen haben.

Der VW-Skandal ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Die Musterfeststellungsklage kann Verbrauchern in vielen Bereichen zu dem Recht verhelfen.

Falsche Befürchtungen ausräumen

Bislang war die Einführung der Musterfeststellungsklage oder alternativer Modelle von Sammel- oder Gruppenklagen am erheblichen Widerstand von Politik und Wirtschaft gescheitert. Dass die Musterklage nun durch den Bundestag gekommen ist und im November in Kraft treten wird, „ist ein echter Meilenstein für Verbraucher“, sagt Klaus Müller.

Seit zehn Jahren fordern wir eine solche Musterfeststellungsklage. Bedenken der Wirtschaft, dass die Musterfeststellungsklage zu einer Klageindustrie und Missbrauch führen würde, teilen wir nicht.

Bei der nun beschlossenen Musterklage schließen sich Verbraucher der Klage eines Verbands an, der nicht aus kommerziellen Interessen handelt. Anders als bei US-amerikanischen Sammelklagen gibt es in Deutschland keine Erfolgshonorare oder einen Strafschadenersatz, der Unternehmen disziplinieren soll.

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