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Was bedeutet der Brexit für britische Finanzinstitute in Deutschland?

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Der Brexit, der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union, wirft seine Schatten auch im Finanzsektor längst voraus. So wird voraussichtlich der Europäische Pass für Unternehmen mit Sitz in UK seine Gültigkeit verlieren, mit dem diese bislang in anderen EU-Mitgliedstaaten Geschäfte betreiben können.

Viele Banken erwägen daher, neue Tochtergesellschaften zu gründen oder Geschäfte auf bestehende Tochterinstitute zu verlagern, viele davon in Deutschland. Raimund Röseler, Exekutivdirektor der Bankenaufsicht, erläutert, wie sich die BaFin darauf vorbereitet hat, wie sie die Institute bei ihrem Vorhaben begleitet und was sie von ihnen erwartet.

Herr Röseler, sind britische Banken in Deutschland willkommen?

Natürlich sind britische Banken willkommen, wie Banken aus allen Ländern. Das bedeutet nicht, dass ich mich über den Brexit freue – ich bedauere diese Entscheidung sehr. Aber da sie nun mal gefallen ist, muss man jetzt Wege finden, mit den Konsequenzen umzugehen. Diese betreffen übrigens alle Institute, die ihren Sitz heute im Vereinigten Königreich haben und von dort aus Geschäfte in anderen EU-Staaten betreiben. Das sind nicht nur britische Banken, sondern beispielsweise auch Institute aus Japan, der Schweiz, den USA, den arabischen Staaten und China.

Welche Vorteile könnte es für diese Banken haben, sich für Deutschland zu entscheiden?

Wir haben in zahlreichen Gesprächen mit den Banken festgestellt, dass die BaFin als starke, kompetente und verlässliche Finanzaufsicht einen großen Pluspunkt darstellt. Hinzu kommt, wenn wir über den Standort Frankfurt am Main reden, die Nähe zur Europäischen Zentralbank und der hohe Grad der Internationalisierung. Darüber hinaus ist sicherlich auch die günstige Lage Deutschlands mitten in Europa ein wichtiger Vorteil.

Wie stark wiegen diese Vorteile?

Deutschland ist sicherlich einer der Gewinner des Brexits – auch wenn das angesichts dieser bedauerlichen Entwicklung vielleicht der falsche Begriff ist. Natürlich gibt es auch eine Reihe von Banken, die nach Dublin oder an andere Standorte gehen. Das hat aber meist spezifische Gründe, etwa dass sie dort bereits eine größere Repräsentanz haben. Insgesamt ist Frankfurt in jedem Fall ein begehrter Standort.

Wie viele Banken haben sich bis jetzt für Deutschland entschieden?

Die BaFin ist derzeit mit insgesamt zehn Erlaubnisverfahren befasst. Diese Zahl dürfte sich aber noch erhöhen, denn bei vielen Instituten, die ihren Entscheidungsprozess noch nicht abgeschlossen haben, spielt Deutschland eine Rolle. Hinzu kommen Geschäftserweiterungen mehrerer Institute, die jetzt schon als Bank in Deutschland tätig sind, so dass sie keinen formellen Erlaubnisantrag zu stellen brauchen.

Wie lange dauert es, bis ein Erlaubnisantrag beschieden wird?

Das Gesetz gibt eine Frist von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt vor, zu dem alle Unterlagen bei der BaFin vorliegen. In der Praxis ist es aber so, dass wir bereits vor dem formellen Antrag eine Reihe von Gesprächen mit den Instituten führen, und dass beim Antrag gleich alle Unterlagen vorliegen, ist auch eher die Ausnahme als die Regel. Die großen Institute sollten daher mit etwa einem Jahr rechnen.

Bis wann sollten die Banken spätestens auf die BaFin zukommen, damit sie der Brexit nicht kalt erwischt?

Ich würde sagen: so schnell wie möglich. Wir benötigen ausreichend Zeit für den Dialog, und auch unsere Ressourcen sind begrenzt. Wenn man vom Worst Case eines harten Brexits ausgeht, brauchen die Institute bereits ab März 2019 eine Erlaubnis, um weiterhin hier tätig sein zu können.

In welcher Weise können ausländische Institute hier Geschäfte betreiben?

Es gibt im Grunde zwei Möglichkeiten: Sie können entweder eine Tochtergesellschaft gründen, also eine eigenständige Bank, oder als Drittstaaten-Zweigstelle nach Deutschland kommen. Die Entscheidung liegt bei den Banken und hängt vor allem von ihrem Geschäftsmodell ab. Aber in den allermeisten Fällen dürfte es Sinn machen, die Tochtergesellschaft zu wählen, da diese über den Europäischen Pass auch in anderen EU-Ländern Bankdienstleistungen anbieten kann.

Worauf achten wir bei der Prüfung eines Erlaubnisantrags?

Da gilt für Banken aus UK nichts anderes als für jede andere Bank: Wir betrachten das Geschäftsmodell, Organisation und Risikomanagement, Eignung und Zuverlässigkeit der Geschäftsleitung, Kapitalausstattung, Geschäftsplan et cetera. Im Kreditwesengesetz und den MaRisk, den Mindestanforderungen an das Risikomanagement, ist klar geregelt, welche Voraussetzungen Institute erfüllen müssen, damit sie tätig werden dürfen.

Die Banken aus dem Vereinigten Königreich durchlaufen das Verfahren in Deutschland meist zum ersten Mal. Gibt es besondere Schwierigkeiten oder Hindernisse, die dabei immer wieder zutage treten?

Wirklich typische Probleme gibt es nicht, dazu sind diese Banken zu unterschiedlich. Aber es gibt durchaus typische Fragen: etwa, wie wir mit internen Modellen umgehen und wie viel Outsourcing wir erlauben.

Und wie lauten die Antworten?

Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Es hängt ganz vom Geschäftsmodell der jeweiligen Bank ab, welche Lösung die richtige ist. Wir betrachten jeden Fall ganz individuell. Grundsätzlich werden wir diese Dinge aber pragmatisch handhaben.

Was bedeutet das?

Es ist praktisch unmöglich, bis zum Brexit in allen Fällen interne Modelle zu genehmigen, dazu fehlen uns einfach die Ressourcen. Wir sind daher bereit, interne Modelle, die die PRA1) genehmigt hat, vorübergehend zu akzeptieren – wenn sie zum neuen Geschäftsmodell passen. Wir haben zur PRA ein gewachsenes Vertrauensverhältnis und können die Kollegen dort gut einschätzen. Aber natürlich müssen die formellen Genehmigungen später nachgeholt werden.

Und wie sieht es beim Outsourcing aus?

Wir erwarten von jeder Bank, dass sie in Deutschland eine angemessene Organisationsstruktur aufbaut. Sprich: Risiken, die hier entstehen, müssen auch hier gemanagt werden. Dafür braucht man eine adäquate Infrastruktur, also genügend Mitarbeiter im Risikomanagement und im Risiko-Controlling, eine Compliance-Struktur und eine sachverständige Geschäftsleitung. Leere Hüllen, also reine Vertriebsbüros oder Repräsentanzen, werden wir darum nicht akzeptieren.

Aber auch hier müssen wir pragmatisch denken: Uns ist klar, dass die Institute es nicht schaffen werden, direkt zum Startzeitpunkt für alle Bereiche ausreichend Personal aus London hierher zu verlagern.

Akzeptiert die BaFin sogenannte Back-to-Back-Buchungsmodelle?

Auch hier gilt: Am Anfang werden wir sicherlich pragmatisch vorgehen; aber es kommt auf das konkrete Geschäftsmodell an. Vielen Banken dient der Standort London ja nicht nur als Buchungszentrum für Geschäfte aus Europa, sondern beispielsweise auch für Geschäfte aus dem asiatischen Raum. Solche Modelle können in einer gewissen Dimension und Form durchaus Sinn machen. So können die Institute in London Risiken, die in Europa entstehen, mit asiatischen Risiken hedgen, also absichern. Aber es bleibt dabei: Wir akzeptieren hier keine leeren Hüllen, und die Risiken, die in Deutschland verbleiben, müssen auch hier ordentlich gemanagt werden.

Ist es aus Sicht der BaFin notwendig, dass alle Mitglieder der Geschäftsleitung Deutsch sprechen?

Nein. Die Kenntnis der deutschen Sprache ist für uns nicht ausschlaggebend, wenn es um die Genehmigung eines Geschäftsleiters geht.

Wie unterstützt die BaFin die Institute?

Um es gleich vorweg zu betonen: Regulatorische Rabatte wird es nicht geben. Wir bemühen uns aber sehr darum, die Institute fachlich zu unterstützen. Daher haben wir innerhalb der BaFin für jede Bank, die nach Deutschland kommen will, ein spezialisiertes Team aufgesetzt. So hat die Bank immer mit den gleichen Ansprechpartnern zu tun, was sich – so mein Eindruck – als ausgesprochen hilfreich bewährt hat.

Wir stehen aber nicht nur mit den Banken im laufenden Dialog, sondern auch mit den Verbänden – und zwar mit allen, also sowohl mit dem Verband der Auslandsbanken als auch mit diversen internationalen Interessensverbänden. Außerdem halten wir auf unserer Internetseite umfassende Informationen bereit, haben Workshops2) zum Thema organisiert und eine spezielle Kontaktadresse eingerichtet, über die wir individuelle Fragen innerhalb kurzer Zeit beantworten.

Die deutsche Bankenlandschaft dürfte sich durch den Brexit dauerhaft verändern. Wie wirkt sich das auf die BaFin aus?

Wir werden uns organisatorisch darauf einstellen und das Know-how an zentralen Stellen bündeln. Viele der Banken, die nach Deutschland kommen, haben ja Geschäftsmodelle, die es hier bisher so nicht gibt.

Sie haben mehrfach betont, dass die BaFin bestimmte Gestaltungen nicht akzeptieren wird. Ist das möglicherweise in anderen Ländern anders? Sehen Sie die Gefahr von Aufsichtsarbitrage?

Nein, da habe ich keine Sorge. Natürlich mag der eine oder andere nationale Aufseher die Dinge weniger streng sehen als wir. Aber es gibt da ja immer noch die EZB und die EBA,3) die für Konvergenz innerhalb Europas sorgen. Das Thema steht bei beiden im Fokus. Die EBA hat bereits eine hochrangige Arbeitsgruppe eingesetzt, deren Aufgabe es unter anderem ist, Aufsichtsarbitrage zu verhindern und konsistente Regeln für ganz Europa zu schaffen.

Die EZB spielt ja zudem eine wichtige Rolle in den Erlaubnisverfahren. Wer ist Ansprechpartner für die Banken?

Die EZB trifft zwar die endgültige Entscheidung über eine Erlaubnis. Wir sind es aber, die diese Entscheidung vorbereiten. Der erste Ansprechpartner sind daher immer wir, also die nationale Aufsicht.

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