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VZ Hamburg zum Thema: Wideruf von Lebensversicherungen und Angeboten von Dritten dazu

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Sie haben eine private Lebens- oder Rentenversicherung abgeschlossen? Dann können Sie Ihrem Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen widersprechen und die eingezahlten Prämien zurückfordern.

Doch einige Versicherer stellen sich quer und lehnen die Rückabwicklung alter Verträge ab. Bleiben Sie hartnäckig und lassen Sie sich nicht abwimmeln. Weiter unten im Text erklären wir Ihnen, was Sie tun sollten, wenn Sie auf Ihren Widerspruch hin ein Abwimmelschreiben erhalten haben?

Welchen Verträgen kann ich widersprechen?

Betroffen sind private Lebens- und Rentenversicherungsverträge, die zwischen Mitte 1994 und Ende 2007 abgeschlossen wurden. In diesen Jahren gab es eine deutsche Sonderregel, nach der Versicherte zunächst nicht alle Unterlagen zum Vertragsschluss erhielten. Im Gegenzug hatten sie die Möglichkeit, noch maximal ein Jahr zu widersprechen. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs gilt diese Jahresfrist nicht mehr.

Voraussetzung für einen Widerspruch ist, dass Sie fehlerhaft oder nicht ausreichend über den Vertrag informiert wurden. Dies ist der Fall, wenn die Widerspruchsbelehrung nicht korrekt war und/oder wenn Sie die Versicherungsbedingungen bzw. die Verbraucherinformation nicht erhalten haben.

Eine erste Erhebung aus von uns überprüften Verträge hat ergeben, dass mehr als 60 Prozent der Widerspruchs­belehrungen im fraglichen Zeitraum fehlerhaft und damit unwirksam sind.

Wie viel Geld wird erstattet?

Neben den Prämien müssen Ihnen bei einem Widerspruch auch die Abschluss- und Verwaltungskosten erstattet werden. Das bedeutet: Nach einem Widerspruch dürfen die Versicherungsgesellschaften von Ihren eingezahlten Beträgen nur die Kosten für den Risikoschutz der Policen abziehen (bei einer Lebensversicherung wäre dies der Anteil der Prämie, der für die Absicherung des Todesfallrisikos gezahlt wurde) und müssen Ihnen den Rest der Summe komplett und mit Zinsen zurückerstatten. Ja, auch die Zinsen stehen Ihnen zu, denn Ihr Versicherer hat mit Ihrem Geld gewirtschaftet und Einnahmen erzielt.

Wann sollte ich widersprechen und worauf ist zu achten?

Vorweg: Ihre Rückabwicklungsansprüche verjähren erst drei Jahre, nachdem Sie Ihren Widerspruch oder Ihren Rücktritt vom Vertrag erklärt haben. Das gilt ebenso für bereits gekündigte Verträge.

Sie können Ihren Vertrag also auch noch im Nachhinein rückabwickeln, selbst wenn er bereits vor langer Zeit aufgelöst wurde. Wann sollten Sie handeln?

Bei keinem oder einem zu geringen Mindesrückkaufswert und verjährten Ansprüchen: In den vergangenen Jahren haben wir viele Menschen beraten, die bei der Kündigung ihres Lebens- oder Rentenversicherungsvertrags gar keinen oder einen viel zu geringen Rückkaufswert erhalten haben. Nach den BGH-Urteilen zu den Mindestrückkaufswerten hätte den Betroffenen eigentlich mehr Geld zugestanden, doch leider haben sich die Versicherungen häufig auf die Einrede der Verjährung berufen und nichts gezahlt. Sollte das auch bei Ihnen der Fall gewesen sein, können Sie bei einem Widerspruch auf eine kräftige Nachzahlung hoffen.

Bei korrektem Mindestrückkaufswert: Selbst wenn Sie mehr als den Mindestrückkaufswert erhalten haben sollten, können noch Ansprüche offen sein. Bei einem Rücktritt oder Widerspruch muss die Versicherung Ihre gesamten Prämien plus Zinsen sowie Abschluss- und Verwaltungskosten zurückerstatten, nur die Risikokosten werden abgezogen. Ein Widerspruch kann Ihnen also helfen, mehr Geld von Ihrem Versicherer zurück­zu­bekommen.

Bei einer schlechten Ablaufleistung des Vertrags: Das Gleiche gilt für Verträge, die regulär abgelaufen sind oder noch laufen. Wenn Sie mit der Ablaufleistung nicht zufrieden waren oder sind, sollten Sie Ihren Vertrag überprüfen lassen. Möglicherweise ist eine Rückabwicklung die bessere Alternative.

Widerspruch – ja oder nein?

Sie sind nicht sicher, ob ein Widerspruch in Ihrem Fall sinnvoll ist? Wir überprüfen Ihren Vertrag und sagen Ihnen, ob ein Widerspruch Aussicht auf Erfolg hat. Füllen Sie hierfür einfach unser Auftragsformular für eine Vertragsprüfung aus (Falls Sie den Adobe Reader XI oder eine neuere Version benutzen, können Sie die Formulardaten auf Ihrem Computer speichern.) und schicken Sie uns dieses unterzeichnet mit den darin genannten Unterlagen in Kopie zu. Das Entgelt für die Prüfung beträgt 70 Euro pro Vertrag. Prüfen lassen sollten Sie Ihre Unterlagen vor allem dann, wenn Ihre Police mit einer Zusatzversicherung wie einer Berufsunfähigkeitsversicherung kombiniert ist, denn dann kann sich ein Widerspruch nachteilig auswirken.

Für Sie ist klar, dass alle Voraussetzungen für einen Widerspruch erfüllt sind und dieser auch sinnvoll ist, dann können Sie mit unserem Musterbrief (Download 90 Cent) Ihren Widerspruch erklären und Ihre Prämien zurückfordern.

Übrigens: Wir gehen davon aus, dass auch bei fehlerhaften Verbraucher­­informationen und falschen Versicherungs­bedingungen das Widerspruchs­recht fortbesteht. Dies ist jedoch noch nicht rechtssicher geklärt. In naher Zukunft dürfte diese Rechts­frage jedoch höchst­richterlich entschieden sein.

Achtung, wir bekommen sehr viele Zuschriften und Anfragen zu Lebens- und Renten­versicherungen. Darüber freuen wir uns. Aber: Wir können Ihnen nicht immer zeitnah antworten. Bitte haben Sie Geduld, wenn Sie länger auf unsere Antwort oder Beratung warten müssen. Unsere Bearbeitungs­zeit beträgt zurzeit etwa sechs Monate.

 Wie reagiert die Versicherungsbranche und was ist zu tun?

Hinterhalten, mauern, abwimmeln. Einige Versicherer setzen sich über die Urteile des Bundesgerichtshofs zum Widerspruch bei privaten Lebens- und Rentenversicherungen mit dem Verweis auf eine Verfassungsbeschwerde hinweg und lehnen die Rückabwicklung alter Verträge ab. In Briefen, die uns vorliegen, schreibt etwa der Versicherungskonzern Ergo, dass es „derzeit unklar ist, ob das Urteil vom 7. Mai 2014 überhaupt Bestand haben wird“. Die Briefe der Generali Versicherung sind nahezu gleichlautend.

Für die Versicherungsgesellschaften geht es um viel Geld. Der Versicherungskonzern Allianz spricht – allein für die Lebensversicherungs­branche – von einem Geldbetrag von 400 Milliarden Euro. Deshalb spielen manche Versicherer offensichtlich auf Zeit und versuchen, Betroffene zu entmutigen.

Unser Rat: Bestehen Sie auf der Umsetzung geltenden Rechts und halten Sie an Ihren Rückzahlungsforderungen fest. Lassen Sie sich nicht mit fadenscheinigen Antworten von den Versicherern abspeisen!

Mehr dazu lesen Sie in unserem Beitrag „Fehlanzeige Widerspruch“.

Informieren Sie uns, wenn Sie ein Abwimmelschreiben erhalten haben. Wir helfen Ihnen weiter. (E-Mail: versicherungen@vzhh.de / Fax: (040) 24832-290 / Post: Verbraucherzentrale Hamburg, Kirchenallee 22 in 20099 Hamburg)

Der Bundesgerichtshof hat als letzte Instanz ein Urteil zugunsten der Verbraucher gefällt, das bereits jetzt geltendes Recht ist. Die Verfassungsbeschwerde kann klären, ob die Versicherer aufgrund des BGH-Urteils Forderungen gegen den deutschen Staat  geltend machen können. Auf bereits bestehende Verpflichtungen der Versicherer gegenüber ihren Kunden hat diese Entscheidung jedoch keinen Einfluss. Wenn Sie Ihrem Versicherungsvertrag also jetzt widersprechen, sichern Sie sich Ansprüche gegenüber Ihrem Versicherer, an denen auch die Verfassungsrichter später nicht rütteln könnten.

Sollte ich einen Dienstleister nutzen?

Die Möglichkeit, alten Verträgen zu widersprechen, hat fragwürdige Anbieter auf den Plan gerufen. Diese versprechen Verbrauchern Hilfe, wenn sie von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen wollen. Doch viele Fälle zeigen, dass diese Hilfestellung kaum Mehrwert für die Betroffenen bietet, aber viel kostet. Unser Rat: Meiden Sie diese Angebote.

Mehr darüber lesen Sie in unserem Beitrag „Widerspruch: Vorsicht vor teuren Dienstleistern“.

Unterstützen Sie uns!

Mit Klagen gegen die Versicherungskonzerne setzen wir uns für faire Vertragsbedingungen und gegen Wett­bewerbs­verstöße ein. Das nützt allen Kunden der betroffenen Unternehmen, ja der Verbraucher­schaft insgesamt – und natürlich auch Ihnen ganz persönlich! Denn damit bahnen wir den Weg für Ihre Ansprüche.

Doch die Gerichtsprozesse sind mit erheblichen Kosten verbunden, für die wir in Vorleistung gehen müssen. Und das manchmal über Jahre und mehrere Instanzen hinweg – dabei stehen uns nur geringe staatliche Zuschüsse zur Verfügung. Die Versicherungswirtschaft aber hat das Kapital für einen langen Atem. Mit einer Spende (Stichwort: „Lebens- und Rentenversicherung”) helfen Sie uns, Ihre Interessen durchzusetzen.

  • Nutzen Sie unser Online-Spendenformular für Ihre finanzielle Unterstützung: Ihre Daten werden im SSL-Format verschlüsselt an uns übertragen.
  • Oder überweisen Sie direkt auf unser Konto bei der Bank für Sozialwirtschaft, IBAN DE47 2512 0510 0008 4351 00, BIC BFSWDE33HAN.

Die Verbraucherzentrale Hamburg e.V. ist gemeinnützig. Ihre Spende ist steuerlich absetzbar. Sie erhalten eine Zuwendungsbestätigung. Herzlichen Dank!

Stand vom Freitag, 26. August 2016

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