Start Allgemein Die Ohnmacht der Parteien in Verfahren zum Kindeswohl und mögliche Auswege

Die Ohnmacht der Parteien in Verfahren zum Kindeswohl und mögliche Auswege

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KELLEPICS (CC0), Pixabay

Sachverständige sind ein Beweismittel des Gerichtes. Dabei liegt die Betonung auf „ein Beweismittel„. Sie sind also nicht das einzige Beweismittel, sondern nur eines von fünf möglichen (Zeugen, Urkunden, Sachverständigen-Beweis, Augenschein und Parteien). Dennoch ist der Sachverständigen-Beweis für das Gericht und die Beweiswürdigung von sehr hohem Wert. Insbesondere in Verfahren zum Kindeswohl erhält der Sachverständigen-Beweis eine besondere Bedeutung. Gerade diese Verfahren werden mit hoher Emotionalität und Vehemenz geführt. Nicht selten wird dabei aber übersehen, dass aber niemals Sachverständige eine Würdigung der vorliegenden Befunde und Akten vornehmen. Sehr oft entlädt sich aber die Ohnmacht der Parteien auf den Sachverständigen, ohne dass dieser selbst etwas für die vorangegangenen Geschehnisse tun kann. Mitunter werden dabei Sachverständige auch in unter untergriffiger Art und Weise verunglimpft und von den Parteien geradezu verfolgt. Immer öfter werden dabei die Sachverständigen zu Angeklagten am Gericht und man sucht, mit geradezu akribischer Pedanterie, nach möglichen Fehlern in Gutachten. Dabei ist es für viele ein „Geschäft“ geworden Fehler in schriftlichen Sachverständigengutachten aufzuzeigen und anzuprangern. Nicht um missverstanden zu werden soll noch einmal herausgestrichen werden, dass Fehler immer möglich sind. Die Fehler sollten allerdings nicht von grober Art und Weise sein und mögliche Schlussfolgerungen daraus relevant beeinflussen können.

Wie könnte man nun einerseits den involvierten Parteien wie auch den Sachverständigen gerecht werden?

Italien kennt hierbei das sogenannte Parteigutachten. In relevanten Verfahren, Zivil-wie auch Strafrecht, hat jede Partei ein Anrecht auf einen eigenen Gutachter. Der vom Gericht bestellte Amtsgutachter hat die Verpflichtung mit den beiden Parteigutachtern zusammenzuarbeiten. Alle Termine zur Befundaufnahme müssen mit dem Parteigutachten koordiniert werden. Die Parteigutachter vertreten dabei die Position ihrer jeweiligen Mandanten. Die Befundaufnahme wird immer in Zusammenarbeit zwischen Amtsgutachter und Parteigutachter durchgeführt. Dabei haben die Parteigutachter die Möglichkeit mit dem vom Gericht bestellten Gutachter zusammenzuarbeiten und ihre Ideen wie auch Vorgehensweisen einzubringen. Auch können sie ebenso selbstständig Fragen an die Parteien bzw. Zeugen stellen. Am Ende des Verfahrens erstellt der vom Gericht bestellte Sachverständige sein Gutachten (Probegutachten) und stellt dieses den Parteien zur Einsicht zur Verfügung. Die Parteien haben nun Gelegenheit, durch ihre Parteisachverständigen, eine Stellungnahme bzw. Gutachten zum gerichtlichen Gutachten einzubringen. Dabei wird in der Regel auf die Vorgehensweise und die Schlussfolgerungen des vom Gericht bestellten Sachverständigen eingegangen. Alle drei Gutachten liegen schlussendlich dem Gericht vor.

Würde diese Vorgehensweise ebenso im deutschsprachigen Raum eingeführt könnte man eine Menge von derzeit vorherrschenden Problematiken auflösen. Langwierige Erörterungen von Gutachten, die nicht-Anhörung von Parteien und ihren Standpunkten, das Verklagen von Sachverständigen und ähnliche Problemfelder würden der Vergangenheit angehören. Es käme nicht zuletzt zu kürzeren und effektiveren Vorgehensweisen und Verfahrensdauern.

 

Salvatore Giacomuzzi, Wien

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