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Beschluss in Musterklage gegen HCI

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analogicus (CC0), Pixabay

Hanseatisches Oberlandesgericht

Az.: 13 Kap 1/15

Beschluss

In der Sache

Gunnar Kruse, Zum Elbdeich 1, 25541 Brunsbüttel

– Musterkläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Schirp & Partner Rechtsanwälte mbB, Leipziger Platz 9, 10117 Berlin, Gz.: 00996-12/rajb/rajb

gegen

1)

HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH & Co. KG, vertreten durch die Vertreterin HCI Vertriebsverwaltung GmbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer Matthias Bruns und Frank Martens, Burchardstraße 8, 20095 Hamburg

– Musterbeklagte –

2)

HCI Treuhand GmbH & Co. KG, vertreten durch die Vertreterin Verwaltung HCI Treuhand GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer Kai Dührkop, Herdentorsteinweg 7, 28195 Bremen

– Musterbeklagte –

3)

Bereederungsgesellschaft H. Vogemann GmbH & Co. KG, vertreten durch die Komplementärin Schifffahrtsagentur H. Vogemann GmbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer Jens-Michael Arndt, Markus Lange und Udo Wiese, Hallerstraße 40, 20146 Hamburg

– Musterbeklagte –

4)

HCI Treuhand GmbH & Co. KG, vertreten durch die Vertreterin Verwaltung HCI Treuhand Service GmbH, (vormals HCI Hanseatische Schiffstreuhand GmbH), Herdentorsteinweg 7, 28195 Bremen

– Musterbeklagte –

5)

Andreas Arndt, Taubenkamp 4, 21640 Bliedersdorf

– Musterbeklagter –

6)

Jens Burgemeister, c/o Managing Director der Dr. Karl-Heinz Krämer GmbH, Mattentwiete 1, 20457 Hamburg

– Musterbeklagter –

7)

Udo Wiese, c/o Bereederungsgesellschaft H. Vogemann GmbH & Co. KG, Hallerstraße 40, 20146 Hamburg

– Musterbeklagter –

Prozessbevollmächtigte zu 1:
Rechtsanwälte Ahlers & Vogel, Contrescarpe 21, 28203 Bremen, Gz.: 11811/15/A – JBo/kfi

Prozessbevollmächtigte zu 2 und 4:
Rechtsanwälte Ahlers & Vogel, Contrescarpe 21, 28203 Bremen, Gz.: 13393/12/A-JBo/vka

Prozessbevollmächtigte zu 3:
Rechtsanwälte Heuking, Kühn, Lüer, Wojtek, Neuer Wall 63, 20354 Hamburg, Gz.: FM/cb22427-12

Prozessbevollmächtigte zu 5:
Rechtsanwälte Möhrle Happ Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Brandstwiete 3, 20457 Hamburg

Prozessbevollmächtigte zu 6:
Rechtsanwälte Fleet Hamburg, Willy-Brandt-Straße 57, 20457 Hamburg

Prozessbevollmächtigte zu 7:
Rechtsanwälte Heuking, Kühn, Lüer, Wojtek, Neuer Wall 63, 20354 Hamburg

Nebenintervenientin zu 2:
RTC Revision Treuhand Consulting GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft, vertreten durch die Geschäftsführer Frank Fruggel und Björn Hagedorn, vertreten durch die Geschäftsführer, Burchardstraße 24, 20095 Hamburg

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte BKS Rechtsanwälte, Elsa-Brändström-Straße 7, 33602 Bielefeld, Gz.: 101-13

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 13. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Panten, die Richterin am Oberlandesgericht Kaufmann und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tonner am 21.02.2020:

1.) Auf die Anträge des Musterklägers vom 18.11.2015, 11.04.2016 und 29.11.2019 werden die mit Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 07.04.2015 dem Senat vorgelegten Feststellungsziele um die folgenden Feststellungsziele erweitert:

1r: Es sind tatsächlich höhere Chartereinnahmen für die Schiffe MS „Voge Prosperity“, MS „Voge Prestige“ und MS „Voge Voyager“ vereinbart worden als prospektiert, den Ein-Schiffsgesellschaften des HCI Shipping Select XXV MS „Voge Prosperity“ GmbH & Co. KG, MS „Voge Prestige“ GmbH & Co. KG und MS „Voge Voyager“ GmbH & Co. KG sind aber lediglich die (geringeren) prospektierten Chartereinnahmen zugeflossen bzw. fließen ihnen zu.

1s: Die prognostizierten Charterraten, die dem Fonds zufließen sollten, waren erheblich niedriger, als die tatsächlich am Markt erzielbaren Charterraten, worüber der Prospekt nicht aufgeklärt hat.

1t: Die Gutachten des Herrn Dipl.-Ing. Oppermann zu den Schiffen MS „Voge Prosperity“, MS „Voge Prestige“ und MS „Voge Voyager,“ auf die der Prospekt u.a. auf S. 31 f. Bezug nimmt, wurden nicht ordnungsgemäß erstellt.

1u: Es wurde nicht dargestellt, dass die Musterbeklagte zu 3 eine ihr gesetzlich nicht zustehende Kaufvertragsvermittlungsprovision erhält.

1v: Es wurde nicht dargestellt, dass die Wertgutachten in einer Boomphase des Schiffsmarktes erstellt wurden und darum nur eine Momentaufnahme darstellten. Es ist nicht dargestellt worden, dass absehbar war, dass der Wert der Schiffe schon in Kürze geringer werden würde, weil die Boomphase nicht mehr lange dauern würde.

1w: Der Prospekt täuscht über das Verhältnis bestellter Panamax Bulker zur Anzahl der Panamax Bulker in der bestehenden Flotte und erweckt somit einen irreführenden Eindruck von der zu erwartenden Konkurrenzsituation.

1x: Der Prospekt verschweigt, dass die Schiffe MS „Vogetrader“, MS „Voge Prosperity“, MS „Voge Prestige“ und MS „Voge Voyager“ bei Übergabe an die Ein-Schiffs-Gesellschaften erhebliche technische Mängel aufwiesen und deshalb für Instandhaltung und Reparaturen höhere Kosten anfallen würden, als kalkuliert wurden.

1y: Der Prospekt verschweigt, dass für das Schiff MS „Voge Prosperity“ bereits vor Prospektherausgabe ein Vertrag über den Transport von Getreide vereinbart worden war und das Schiff dafür nicht ausgerüstet war, so dass für die technische Nachrüstung Kosten anfallen würden, die der Prospekt nicht berücksichtigt.

1z: Der Prospekt verschweigt, dass sich der Sachverständige Dipl.-Ing. Oppermann bei der Erstellung seiner Bewertungsgutachten zu den Schiffen MS „Voge Trader“, MS „Voge Prosperity“, MS „Voge Prestige“ und MS „Voge Voyager“ über die technische Ausstattung der Schiffe in einem maßgeblichen Irrtum befand, weil er davon ausging, dass alle vier Schiffe baugleich seien, obwohl nur jeweils zwei Schiffe baugleich sind.

1aa: Die Liquiditätsprognose ist unvertretbar, da fälschlich der Eindruck vermittelt wird, dass allein aus dem Verkauf der Schiffe zum Ende der prognostizierten Laufzeit eine Ausschüttung in Höhe von mehr als 83 % der Zeichnungssumme realisiert wird.

Das Feststellungsziel 1d: wird wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Zustand der Schiffe MS „Vogetrader“, MS „Voge Prosperity“ und MS „Voge Prestige“ und MS „Vogevoyager“ den prospektierten Werten der Schiffe nicht entsprach. Die Schiffe waren aufgrund ihres Zustandes weniger wert als prospektiert.

2.) Im Übrigen wird der Erweiterungsantrag des Musterklägers vom 29.11.2019 zurückgewiesen.

Gründe:

1.) Hinsichtlich der im Tenor unter Ziffer 1 angeführten Feststellungsziele liegen die Voraussetzungen des § 15 KapMuG entgegen der Auffassung der Musterbeklagten vor.

a) Der Ausgangsrechtsstreit hängt im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG von den neu eingeführten Feststellungszielen ab.

Sofern der Senat zu der Auffassung gelangen sollte, dass der Prospekt die in den nunmehr zugelassenen Feststellungszielen beschriebenen Mängel aufweist, wäre dies grundsätzlich durchaus geeignet, einen Anspruch des Musterklägers zu begünden.

Insoweit kommt es auch nicht darauf an, dass die Musterbeklagten zu 1, 2, 3, 4 und 7 hinsichtlicher sämtlicher im Erweiterungsantrag genannter Feststellungsziele die Einrede der Verjährung erhoben haben. Nachdem das Verfahren des Musterklägers durch Beschluss des Landgerichts ausgesetzt wurde und dieser durch Beschluss des Senats zum Musterkläger bestimmt wurde, ist eine Prüfung, ob die Verjährung im Ausgangsverfahren auch hinsichtlich der nunmehr geltend gemachten Prospektfehler gehemmt wurde, nicht mehr möglich. Es genügt, dass es dem zur Entscheidung über den KapMuG-Antrag berufenen Gericht plausibel erscheint, dass sich seine Entscheidung über die durch Erweiterungsbeschluss eingeführten Feststellungsziele im Ausgangsverfahren auswirken kann (vgl. Kölner Kommentar-KapMuG-Vollkommer, 2. Aufl. 2014, § 15, Rn. 14).

Hieran ändert auch die neueste Rechtsprechung des BGH nichts, wonach eine Aussetzung nach § 8 KapMuG nur in Betracht kommt, wenn nicht Entscheidungsreife vorliegt bzw. herbeigeführt werden kann, ohne dass es auf anhängige Feststellungsziele ankommt (BGH XI ZB 13/18, Beschluss vom 30.04.2019) – diese Rechtsprechung bezieht sich ausdrücklich nur auf die Frage des Prüfungsumfanges vor der Entscheidung über eine Aussetzung, nachdem diese Entscheidung im Sinne einer Aussetzung gefallen ist, muss es bei den oben angeführten geringeren Anforderungen bleiben.

b) Die Feststellungsziele beziehen sich auch auf den Lebenssachverhalt, der auch dem Vorlagebeschluss zugrundeliegt (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG).

Mit den neuen Feststellungszielen wird kein neuer Lebenssachverhalt eingeführt: Dies ist offensichtlich bezogen auf die Feststellungsziele 1r, s, t, v, w, x, z und aa, die sämtlich Berührungspunkte zu bereits im Vorlagebeschluss enthaltenen Feststellungszielen aufweisen, die sich mit Charterraten, der Darstellung der Marktverhältnisse, dem Wert der Schiffe und dem erstatteten Wertgutachten befassen.

Gleiches gilt im Ergebnis aber auch hinsichtlich der neuen Feststellungsziele 1u und y: Die Beurteilung, ob der „gleiche Lebenssachverhalt“ vorliegt, ist nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes vorzunehmen, dem Musterverfahren einen großen Anwendungsbereich zu verschaffen, der nicht bezogen auf den einzelnen Prospektfehler oder einzelne Sachverhaltsangaben zu verengen ist(Kölner Kommentar-Vollkommer, aaO., § 6, Rn. 8).

In diesem Sinne weist das Feststellungsziel 1u eine deutliche Beziehung zum Feststellungsziel 1a auf, dass sich mit der Frage befasst, ob Verflechtungen der Musterbeklagten zu 3 mit den Verkäufergesellschaften zweier der Fondsschiffe hinreichend aufgedeckt wurden, während es bei Ziel 1u darum geht, ob die Musterbeklagte zu 3 eine Kaufvertragsvermittlungsprovision hätte aufdecken müssen.

Feststellungsziel 1y schließlich stellt ähnlich wie Feststellungsziel 1c auf das Verschweigen von absehbaren Kosten ab.

c) Die Erweiterung ist nach dem Ermessen des Senats auch sachdienlich, da sie einer umfassenden Klärung der Sach- und Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Prospekt dient.

d) Zu entsprechen ist weiter dem Antrag des Musterklägers, das Feststellungsziel 1d neu zu fassen.

Nach Auffassung des Senats, der den Musterkläger mit Beschluss vom 11.09.2015 auf die mangelnde Bestimmtheit dieses Feststellungsziels hingewiesen hatte, kann über § 15 KapMuG – da andere Möglichkeiten einer Klag- bzw. Antragsänderung nicht bestehen – wenn hiernach schon die Anbringung neuer Feststellungsziele möglich ist, erst recht eine Konkretisierung bislang nicht hinreichend bestimmter Ziele erfolgen. Dem dient die beantragte Neufassung – sie ist für das Ausgangsverfahren erheblich, bezieht sich auf den gleichen Lebenssachverhalt und ist insoweit sachdienlich, als nunmehr ein Bezugspunkt für den behaupteten „schlechten Zustand“ der Schiffe, nämlich die Wertangabe im Prospekt geschaffen wird.

2.) Soweit mit dem Antrag vom 29.11.2019 hinsichtlich zahlreicher Feststellungsziele eine weitere Konkretisierung und Umformulierung beantragt wird, ist dem nicht zu entsprechen, die Feststellungsziele sind nach Auffassung des Senats in der derzeitigen Fassung hinreichend konkretisiert.

3.) Dem Musterkläger wird aufgegeben, die neu zugelassenen Musterfeststellungsziele binnen eines Monats ab Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Anschließend werden alle weiteren Beteiligten gelegenheit zur Erwiderung / Stellungnahme binnen eines weiteren Monats erhalten.

4.) Termin zur mündlichen Verhandlung wird anberaumt auf Mittwoch, den 06.05.2020, 11.00 Uhr.

Panten Kaufmann Dr. Tonner
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht
Richterin
am Oberlandesgericht
Richter
am Oberlandesgericht

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