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envion AG – Was Anleger nun tun können

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Vor ziemlich genau einem Monat hat die Schweizer Finanzmarktaufsicht (FINMA) ein Verfahren gegen die envion AG eröffnet, die im Zuge eines „Initial Coin Offerings“ rund hundert Millionen Franken (rund 86 Mio. Euro) von mehr als 30.000 Investoren entgegengenommen hat. Der Wert des Anlegerkapitals ist dabei innerhalb eines halben Jahres auf weniger als 10 % der Investition geschrumpft! Die RK Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH erläutert hier, welche Schritte Anleger jetzt tun können:

Etwa 30.000 Investoren haben Unternehmensanteile – sogenannte Tokens – für jeweils etwa einen US-Dollar pro Stück gekauft. Nach eigenen Angaben erlöste das Unternehmen bis Anfang Februar ca. 100 Millionen US-Dollar. Der Wert der Anteile liegt derzeit bei etwa 8-9 Cent.

Das Anlegerkapital ist mithin binnen einen halben Jahres auf weniger als 10 % des eingesetzten Kapitals geschrumpft.

Gründe dürften hierfür vielfältig gegeben sein.

– So seien Klagen gegen die Gründer anhängig und eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Aufarbeitung der Vorgänge rund um die Kapitalerhöhung beauftragt.

– Weiter hat die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA ein Enforcementverfahren gegen die envion AG eröffnet. Die FINMA hat Hinweise, dass die Gesellschaft im Rahmen eines ICO gegen Finanzmarktrecht verstoßen haben könnte (Pressemitteilung FINMA vom 26.07.2018).

– Zudem sollen zusätzlich zu den offiziellen ca. 100 Millionen Token auch noch 40 Millionen „illegale“ Token erzeugt und veräußert worden sein. Unabhängig von der Frage der tatsächlichen Verantwortlichkeit hierfür, verwässert dies natürlich die Anteile derer, die die „legalen“ Token erworben haben.

– Schließlich ist dem ICO zugrundeliegenden Whitepaper lediglich eine Geschäftsidee zu entnehmen. Ein tatsächliches Geschäft in Form von zumindest einmal Umsätzen existiert wohl bis heute nicht.

All diese Punkte verdeutlichen einmal mehr, was für ein erhebliches Risiko Anleger eingehen, die sich im Rahmen eines ICO beteiligen. Nicht ohne Grund hat die BaFin am 09.11.2017 den folgenden Warnhinweis veröffentlicht:

Der Erwerb von Coins – je nach Ausgestaltung auch Tokens genannt – im Rahmen sogenannter Initial Coin Offerings (ICOs) birgt für Anleger erhebliche Risiken. Es handelt sich um höchst spekulative Investments, die oft nicht der geltenden Kapitalmarktregulierung unterliegen. Wie bei den meisten Trends zieht das hohe öffentliche Interesse an ICOs auch Betrüger an.

Nichtsdestotrotz wurden in der ersten Jahreshälfte 2018 insgesamt 13,7 Mrd. USD investiert. Im gesamten Jahr 2017 waren dies ca. 7 Mrd. USD!

Was können betroffene Anleger tun?

Unabhängig davon, dass aufsichtsrechtliche und kapitalmarkrechtliche Fragen noch ungeklärt sind, empfiehlt sich bezüglich eventueller Schadenersatzansprüche der Anleger ein Blick auf die Rechtsprechung zur Prospekthaftung etwa bei geschlossenen Fonds. Selbst wenn das Aufsichtsrecht keine prospektrechtlichen Vorgaben bereithalten sollte, steht zu erwarten, dass die Rechtsprechung etwa auf das Whitepaper (hier wird das zu finanzierende Projekt beschrieben, insbesondere in technischer Hinsicht) in den erwartungsgemäß nicht ausbleibenden Haftungsfällen ganz ähnliche Grundsätze anwenden wird.

Whitepapers enthalten oft gar keine oder nur spärliche Informationen über die hinter dem ICO stehenden Personen oder das finanzierte Projekt. Während den Investoren nur in wenigen Fällen rechtliche Hinweise gegeben werden, beschränkt sich eine Vielzahl der Dokumente rein auf technische Beschreibungen.

So beinhaltet das Whitepaper der Envion AG nach verschiedenen Auffassungen Aufklärungsfehler, die – gemessen an der Rechtsprechung zur Prospekthaftung bei geschlossenen Fonds – zu einem Recht auf Rückabwicklung der Beteiligung führen können.

Die Envion AG hat jedoch ihren Sitz in der Schweiz. Nichtsdestotrotz ist das deutsche Aufsichtsrecht aber dadurch zu umgehen, dass der Sitz der die Token anbietenden Gesellschaft z. B. in der Schweiz liegt. Denn die BaFin geht in ständiger Verwaltungspraxis davon aus, dass ein Inlandsbezug einer Emission und damit die Geltung der deutschen Aufsichtsgesetze auch dann gegeben ist, wenn der Emittent zwar im Ausland sitzt, sich aber zielgerichtet an den deutschen Markt und deutsche Anleger wendet.

Erste Klagen – die ersten ihrer Art in Bezug auf einen ICO überhaupt – sind bezüglich des ICO der Envion AG offensichtlich in Vorbereitung.

Es empfiehlt sich jedoch grundsätzlich, Chance und Risiko einer solchen Klage genau abzuwägen. Dies gilt gerade aufgrund der oben geschilderten Rechtsunsicherheit die Frage betreffend, welche rechtlichen Anspruchsgrundlagen überhaupt gegeben sind.

Quelle: https://www.anwalt.de/rechtstipps/initial-coin-offering-ico-der-envion-ag_142884.html

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