Venture Trading B.V. Beschluss AG München

In dem selbständigen Verfahren nach §§ 442, 440, 111i StPO i.V.m. §§ 76a Abs. 1, 73 Abs. 1 S. 2, 73d Abs. 1 StGB betreffend die Verlängerung der Beschlagnahme in das und die Anordnung des (erweiterten) Verfalls des Vermögens des/der unbekannten Täter(s) hinter der Scheinfirma Firma Venture Trading B.V. hat das Amtsgericht – Schöffengericht – München am 20. Juni 2014 beschlossen:1. Gem. §§ 111i Abs. 2, Abs. 8, 442 Abs. 1 440 StPO i.V.m. §§ 76a, 73 StGB sowie mit § 263 Abs. 1, 3 StGB wird festgestellt

2. Gem. §§ 111i Abs. 2, Abs. 8, 442 Abs. 1 440 StPO i.V.m. §§ 76a, 73d StGB sowie mit § 263 Abs. 1, 3 und 7 StGB wird weiterhin festgestellt

3. Aufrechterhalten bleiben gem. § 111i Abs. 3, Abs. 8 StPO bis zur Höhe von Euro 57.063,45 und für die Dauer von 3 Jahren ab Rechtskraft dieses Beschlusses

4. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse.

Gründe:

I.

1. Der oder die unbekannten Täter betrieben jedenfalls von Mitte Oktober 2009 bis Mitte November 2009 auf der Internetseite www.media-knaller.de unter der Firma Venture Trading B.V. mit angeblicher postalischer Erreichbarkeit in 53113 Bonn, Adenauerallee 12-14, Office unit 1529 einen vermeintlichen Internethandel. Unter Vortäuschung der Lieferungswilligkeit boten sie dort verschiedene Elektronikartikel zum Verkauf an. Die Verletzten überwiesen den jeweiligen Kaufpreis im Vertrauen auf die Lieferungswilligkeit auf das angegebene Konto bei der UniCredit Bank AG (vormals Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG), Bankleitzahl 70020270, Kontonummer 654195323, Kontoinhaber laut Eröffnungsantrag Fa. Venture Trading B.V. Tatsächlich existierte keine Gesellschaft dieses Namens.

Wie von dem oder den Tätern von Anfang an geplant, wurden keine Waren ausgeliefert, die Beträge vereinnahmt und sodann auf ausländische Konten weitergeleitet. Den Verletzten entstand hierdurch ein Schaden in Höhe des durch sie jeweils überwiesenen Betrages, während der oder die Täter einen entsprechenden Vorteil erlangten.

In Einzelnen handelte es sich um folgende Fälle:

Insgesamt erlangten die Täter durch Überweisungen der genannten Verletzten einen Betrag von Euro 38.879,36.

Sie handelten in der Absicht, sich aus der fortgesetzten Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle zu verschaffen.

2. Der anwaltliche Vertreter des Verletzten Akdogan, Cemil, der auf das o.g. Konto Nr. 654195352 bei der UniCredit Bank AG täuschungsbedingt Euro 860,44 überwiesen hatte (Fall Nr. 123), vollstreckte mit Buchungstag 07.02.2011 titulierte Ansprüche in Höhe von Euro 1.415,98.

Die anwaltliche Vertreterin der Verletzten Löffler, Anja, die auf das genannte Konto täuschungsbedingt Euro 282,00 überwiesen hatte (Fall Nr. 181), vollstreckte mit Buchungstag 29.02.2012 titulierte Ansprüche in Höhe von Euro 519,58.

Weitere Verletzte wurden bislang nicht befriedigt. Es liegen keine weiteren Anträge auf Zulassung der Zwangsvollstreckung vor.

Die Forderung aus dem o.g. Konto geht folglich nunmehr noch in einer Höhe von Euro 36.943,80 auf die Überweisungen der genannten Verletzten zurück.

3. Die Forderung aus dem o.g. Konto beträgt per 31.03.2012 Euro 57.063,45.

Soweit die Forderung den Betrag von Euro 36.943,80 übersteigt – also in Höhe von Euro 20.119,65 – stammt auch dieses Guthaben aus Überweisungen, die durchweg Verwendungszwecke und Überweisungsbeträge aufweisen, die denjenigen der Verletzten nach Art und Höhe gleichen bzw. ähneln. Sonstige Eingänge zeigen die Umsatzblätter nicht. Außerdem haben sich keinerlei Umsätze ergeben, die auf eine operative Geschäftstätigkeit hindeuten. Auch im Übrigen bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass – und sei es Einzelfällen – tatsächlich Lieferungen erbracht wurden. Aufgrund der genannten Umstände ist anzunehmen, dass auch diese Überweisungen mit dem Ziel, den Kaufpreis für auf der Internetseite www.media-knaller.de vermeintlich erworbene Gegenstände zu entrichten und im Vertrauen auf deren Lieferung getätigt wurden.

4. Das gegen den angeblichen Anteilseigner und Geschäftsführer der Firma Venture Trading B.V. Auke Pieter Cornelis van der Wielen sowie zwei weitere Beschuldigte geführte Ermittlungsverfahren wurde lediglich deshalb nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil nicht nachweisbar war, dass einer der Beschuldigten das Unternehmen betrieben hat oder sonst in die Betrugstaten verstrickt war. Ein Missbrauch der Personalien der Beschuldigten war nicht auszuschließen. Weitere Ermittlungsansätze bestehen nicht. Die Identität der Täter konnte nicht ermittelt werden.

II. Der oder die unbekannte(n) Täter haben sich damit des Betruges in 237 Fällen gem. §§ 263 Abs. 1, 3, 53 StGB schuldig gemacht.

III. Der unter Ziffer I. genannte Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund des Akteninhalts, insbesondere aufgrund der Angaben der Verletzten und der von diesen vorgelegten Unterlagen zum Kauf bzw. diesbezüglicher E-Mail-Verkehr sowie der erholten Kontoauskünfte zum Konto Nr. 654195323.

IV. Die in § 73 Abs. 1 S. 1 StGB genannten Voraussetzungen des Verfalls sind insoweit erfüllt als das Konto Nr. 654195323 bei der UniCredit Bank AG ein Guthaben in Höhe von Euro 38.879,36 aufweist.

In dieser Höhe wurde die Forderung aus den rechtswidrigen Betrugstaten des oder der unbekannten Täter erlangt.

Ein Rückgriff auf § 73 Abs. 3 StGB ist nicht erforderlich, weil es sich bei der formale Kontoinhaberin die Fa. Venture Trading B.V. um eine nicht existierende Scheinfirma handelt. Derjenige Unbekannte, der die Kontoeröffnung veranlasste, handelte daher unter fremdem Namen. Damit kam der Vertrag zwischen der UniCredit Bank AG und ihm selbst zustande. Bei der Forderung aus dem Konto handelt es sich daher um Vermögen des unbekannten Täters. Da der unbekannte Täter nicht in, sondern lediglich unter fremdem Namen handelte, greift § 73 Abs. 3 StGB nicht ein.

Nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens kann die Verfallsanordnung nur selbständig im objektiven Verfahren nach §§ 442, 440 StPO i. V. m. § 76a StPO ergehen.

Hierzu ist erforderlich, dass der Durchführung eines subjektiven Verfahrens ein dauerhaftes tatsächliches Hindernis entgegensteht, das jedoch weder die materielle Strafbarkeit der Tat noch ihre prozessuale Verfolgbarkeit berührt. Dies ist gegeben, wenn – wie hier – allein der Täter nicht ermittelt werden kann.

Der Verfall kann im Hinblick auf die entgegenstehenden Ansprüche der Verletzten jedoch nicht angeordnet werden, § 73 Abs. 1 S. 2 StGB.

Bislang haben lediglich zwei der 237 Verletzten im Wege der Zwangsvollstreckung über das Vermögen der Firma Venture Trading verfügt, so dass weitere Ansprüche bestehen.

Somit liegen die Voraussetzungen für die Feststellung nach § 111i Abs. 2, Abs. 8 StPO und die daran anschließende Verlängerung der Beschlagnahme für die Dauer von drei Jahren gemäß § 111i Abs. 3, 8 StPO vor.

Der zeitliche Anwendungsbereich für die den Auffangrechtserwerb des Staates nach § 111i Abs. 5, 8 StPO vorbereitenden Vorschriften ist eröffnet.

Feststellung und Beschlagnahmeverlängerung in Vorbereitung des Auffangrechts des Staates wegen Verfalls gem. § 73 StGB beziehen sich jedoch nur auf eine Forderungshöhe von Euro 36.943,80.

Zwar ist Erlangtes im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB die Forderung in Höhe von Euro 38.879,36. Von diesem Betrag sind jedoch gemäß § 111i Abs. 2 S. 4 Nr. 1 StPO Euro 1.935,56 in Abzug zu bringen, da insoweit die Verletzten Akdogan und Löffler bereits in die zur Sicherung ihrer Ansprüche gepfändete Forderung vollstreckt haben.

Soweit die Forderung über den Betrag von Euro 36.943,80 hinausgeht – also in Höhe von Euro 20.119,65 (Kontostand zum 31.03.2012: Euro 57.063,45, BB Reg. 2 Bl. 450) – liegen die Voraussetzungen des erweiterten Verfalls gem. § 73d Abs. 1 S. 1 StGB grundsätzlich vor und kann dieser nur deshalb nicht angeordnet werden, weil entgegenstehende Ansprüche Dritter anzunehmen sind, §§ 73d Abs. i.V.m. § 73 Abs. 1 S. 2 StGB.

Auch der erweiterte Verfall kann im selbständigen Verfahren gem. §§ 440, 442 StPO i. V. m. § 76a StGB angeordnet werden (Fischer, 59 Aufl. § 76a Rn. 2). Dementsprechend liegen auch insofern die Voraussetzungen für die Feststellung nach § 111i Abs. 2, Abs. 8 StPO und die daran anschließende Verlängerung der Beschlagnahme für die Dauer von drei Jahren gemäß § 111i Abs. 3, 8 StPO vor.