Ein Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime aus Bautzen
Frage: Herr Reime, das Landgericht Ravensburg hat kürzlich entschieden, dass eine Crowdfunding-Plattform einem Anleger Schadenersatz zahlen muss, weil sie ihn nicht ausreichend über Risiken informiert hat. Was bedeutet dieses Urteil für Anleger?
Jens Reime: Das Urteil ist ein wichtiger Praxishinweis für Anleger, die über Online-Plattformen in Immobilienprojekte investieren. Viele denken, sie würden eine sichere Geldanlage tätigen – schließlich geht es um Immobilien. Doch in Wahrheit handelt es sich bei Nachrangdarlehen oft um hochriskante Wetten auf den Erfolg eines Projekts.
Die Plattformen vermitteln solche Investments, informieren aber oft unzureichend über die Risiken eines Totalausfalls. Dass das LG Ravensburg nun eine Haftung der Plattform festgestellt hat, zeigt: Wer Anleger nicht transparent über die Gefahren aufklärt, kann zur Rechenschaft gezogen werden.
Frage: Warum war dieses Investment für den Anleger so riskant?
Reime: Der Anleger hat sein Geld in ein sogenanntes Nachrangdarlehen mit qualifizierter Nachrangklausel gesteckt. Das bedeutet, er steht im Insolvenzfall ganz hinten in der Gläubiger-Reihe – noch hinter Banken und anderen Gläubigern. Sein Geld war also nicht wie bei einer normalen Anleihe abgesichert.
Noch schlimmer: Eines der Projekte hatte nicht einmal eine Baugenehmigung! Hier hätte die Plattform den Anleger klar und deutlich informieren müssen. Das Urteil zeigt, dass Plattformen nicht einfach Provisionen kassieren und sich dann aus der Verantwortung stehlen können.
Frage: Was hätte die Plattform aus rechtlicher Sicht tun müssen?
Reime: Sie hätte den Anleger verständlich und unmissverständlich über die Risiken aufklären müssen. Das Gericht hat kritisiert, dass die Warnungen nur vage gehalten waren – zum Beispiel mit dem allgemeinen Satz: „Investitionen in Unternehmen sind mit Risiken verbunden.“
Doch das reicht nicht! Gerade weil viele Anleger keine Experten für Finanzrecht sind, hätte die Plattform klar sagen müssen:
✅ Hohe Ausfallgefahr – es kann zum Totalverlust kommen.
✅ Keine Rückzahlungssicherheit – anders als bei Bankkrediten.
✅ Unternehmerische Beteiligung – der Anleger trägt fast das gleiche Risiko wie ein Gesellschafter.
Das hat die Plattform versäumt – und wurde zu Schadenersatz verurteilt.
Frage: Was bedeutet dieses Urteil für andere Crowdfunding-Anleger?
Reime: Das Urteil ist richtungsweisend! Viele Plattformen arbeiten mit ähnlichen Vertragsklauseln. Anleger, die in der Vergangenheit Geld durch solche Nachrangdarlehen verloren haben, sollten prüfen lassen, ob sie Schadenersatz fordern können.
Außerdem sollten zukünftige Investoren sehr genau hinschauen:
📌 Ist das Projekt wirklich solide? Gibt es eine Baugenehmigung?
📌 Welche Stellung habe ich als Anleger? Bin ich ein normaler Kreditgeber oder trage ich unternehmerisches Risiko?
📌 Gibt es eine klare und ehrliche Risikoaufklärung?
Wer Zweifel hat, sollte sich rechtlich beraten lassen, bevor er investiert.
Frage: Ihr Fazit?
Reime: Crowdfunding klingt verlockend – kleine Einsätze, große Renditechancen. Doch die Realität ist oft eine andere: Hohe Risiken, fehlende Sicherheiten und wenig Transparenz. Dieses Urteil zeigt, dass Plattformen nicht einfach ungestraft an gutgläubigen Anlegern verdienen dürfen. Wer in solche Projekte investiert hat und sein Geld verloren hat, sollte prüfen lassen, ob er rechtlich gegen die Plattform vorgehen kann.
Frage: Vielen Dank für das Gespräch!
Reime: Sehr gern!