Dark Mode Light Mode

„Arbeitgeberbewertungen zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechten“

OpenClipart-Vectors (CC0), Pixabay

Rechtsanwältin Kerstin Bontschev über das OLG-Urteil zu kununu und die Pflichten von Bewertungsportalen

Verbraucherschutzforum: Frau Bontschev, das Oberlandesgericht Dresden hat entschieden, dass ein Arbeitgeberbewertungsportal wie kununu nicht für eine negative Bewertung haftet, wenn es seinen Prüfpflichten nachkommt. Welche Bedeutung hat dieses Urteil?

Kerstin Bontschev: Das Urteil stärkt einerseits die Meinungsfreiheit und die gesellschaftliche Funktion von Bewertungsplattformen, andererseits klärt es die Pflichten von Plattformbetreibern. Arbeitgeberbewertungen sind ein sensibles Thema, da sie einerseits Arbeitnehmern ermöglichen, ihre Erfahrungen zu teilen, andererseits aber den Ruf eines Unternehmens nachhaltig beeinflussen können. Das Gericht hat klar definiert, unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmen die Löschung einer Bewertung verlangen kann und was ein Bewertungsportal tun muss, um sich rechtskonform zu verhalten.

Verbraucherschutzforum: In dem konkreten Fall hatte ein Unternehmen gegen kununu geklagt, weil eine negative Bewertung angeblich von einer Person stammte, die dort nie beschäftigt war. Welche Prüfpflichten hat das Bewertungsportal in einem solchen Fall?

Bontschev: Laut dem Urteil des OLG Dresden reicht es aus, wenn ein Unternehmen glaubhaft bestreitet, dass ein Arbeitsverhältnis bestand, um eine Prüfpflicht des Bewertungsportals auszulösen. Das bedeutet: Das Portal darf sich nicht einfach auf die Meinungsfreiheit berufen, sondern muss den Fall aktiv prüfen. Im konkreten Fall hat kununu den Verfasser der Bewertung um Nachweise gebeten, die dann anonymisiert vorgelegt wurden. Das Gericht befand, dass dies eine ausreichende Prüfung darstellt und keine weitere Offenlegung der Identität des Rezensenten erfolgen musste.

Verbraucherschutzforum: Welche Rechte haben Unternehmen, wenn sie sich durch Bewertungen in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt sehen?

Bontschev: Unternehmen können gegen Bewertungen vorgehen, wenn diese nachweislich falsch sind, also etwa auf einer unwahren Tatsachenbehauptung beruhen. In diesem Fall kann eine Löschung verlangt werden. Wichtig ist jedoch, dass Arbeitgeber eine konkrete und substantielle Beanstandung vorbringen müssen. Eine pauschale Behauptung, dass der Bewertende nie im Unternehmen gearbeitet habe, reicht nicht aus, wenn es sich nicht unschwer überprüfen lässt.

Verbraucherschutzforum: Das OLG Dresden hat entschieden, dass kununu nicht verpflichtet war, die Identität des Rezensenten offenzulegen. Welche rechtlichen Grenzen gibt es hier?

Bontschev: Bewertungsportale dürfen die Anonymität der Nutzer schützen, solange sie eine ernsthafte Prüfung vornehmen. Das Gericht betonte, dass der Betrieb eines solchen Portals im Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) und der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) liegt. Eine vollständige Offenlegung der Identität eines Nutzers wäre ein schwerwiegender Eingriff in dessen Rechte. Unternehmen müssen sich also damit begnügen, dass das Portal eine interne Überprüfung durchführt, ohne alle Details offenzulegen.

Verbraucherschutzforum: Welche Konsequenzen hat das Urteil für die Praxis? Müssen Bewertungsportale nun ihre Prüfverfahren anpassen?

Bontschev: Das Urteil stellt klar, dass Bewertungsportale keine übermäßigen Prüfpflichten haben, sondern sich auf eine Plausibilitätsprüfung beschränken dürfen. Wichtig ist, dass sie Beanstandungen ernst nehmen und eine ausgewogene Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Unternehmens und der Meinungsfreiheit der Nutzer vornehmen. Unternehmen müssen künftig genau begründen, warum eine Bewertung unzulässig sein soll, anstatt einfach deren Entfernung zu fordern.

Verbraucherschutzforum: Welche Empfehlungen geben Sie Unternehmen im Umgang mit kritischen Bewertungen?

Bontschev: Unternehmen sollten sich zunächst fragen, ob eine Bewertung wirklich rechtswidrig ist oder ob es sich lediglich um eine kritische Meinung handelt. Falls die Bewertung falsche Tatsachen enthält, kann das Unternehmen die Plattform auffordern, diese zu prüfen. In vielen Fällen ist es jedoch ratsamer, auf Bewertungen professionell zu reagieren, anstatt rechtliche Schritte einzuleiten. Eine gut formulierte Antwort kann den Schaden oft besser begrenzen als eine juristische Auseinandersetzung.

Verbraucherschutzforum: Frau Bontschev, vielen Dank für Ihre Einschätzungen!

Add a comment Add a comment

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Previous Post

Flossbach von Storch SICAV – Stabilität und Diversifikation in volatilen Märkten

Next Post

Monega Chance – Starke Performance, aber erhöhte Risiken durch Zielfondsstrategie