Interviewer: Frau Gordon, es gibt Berichte, dass Elon Musk möglicherweise TikTok von ByteDance übernehmen könnte. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Wanice Gordon: Nun, wenn Elon Musk TikTok übernehmen würde, könnten wir uns auf eine Achterbahnfahrt gefasst machen. Musk ist bekannt für seine unkonventionellen Ansätze und impulsiven Entscheidungen. In der Theorie könnte er TikTok in eine noch größere Plattform verwandeln – oder es in ein soziales Chaos stürzen. Aber diese Diskussion hat viele Ebenen, die kritisch betrachtet werden müssen, insbesondere wenn es um Datenschutz, Einflussnahme und globale Machtstrukturen geht.
Interviewer: Der Kauf befindet sich laut Berichten in einem frühen Stadium. Was könnte ByteDance, die chinesische Regierung oder sogar Musk selbst daran hindern, dass dieser Deal zustande kommt?
Wanice Gordon: ByteDance hat absolut kein Interesse daran, TikTok aus den Händen zu geben. Das Unternehmen weiß genau, dass TikTok eine Goldgrube ist – nicht nur finanziell, sondern auch in Bezug auf Daten und Einfluss. Die chinesische Regierung spielt hier eine entscheidende Rolle. Sie möchte sicherstellen, dass TikTok unter der Kontrolle eines chinesischen Unternehmens bleibt, um auch weiterhin geopolitisch davon profitieren zu können. Musk ist auf der anderen Seite berüchtigt dafür, dass er keine Hemmungen hat, in schwierige Verhandlungen zu gehen. Doch selbst wenn ByteDance und Musk sich auf einen Deal einigen könnten, würde das für TikTok-Nutzer nicht unbedingt eine gute Nachricht bedeuten.
Interviewer: Warum nicht? Elon Musk hat doch bereits andere Plattformen wie X (ehemals Twitter) übernommen und in eine Richtung gelenkt, die er als zukunftsweisend betrachtet.
Wanice Gordon: Genau das ist ja das Problem. Schauen wir uns doch an, was mit X passiert ist. Musk versprach, die Plattform zu einem „Marktplatz für freie Meinungsäußerung“ zu machen, aber in der Realität wurde sie zu einem Ort, an dem Desinformation und toxische Inhalte florierten. Die Moderation wurde heruntergefahren, Nutzer wurden verunsichert, und Werbetreibende haben reihenweise das Weite gesucht. Wenn er dasselbe mit TikTok macht, könnten wir eine Plattform erleben, die für vieles genutzt wird – nur nicht für die Förderung von kreativen Inhalten oder sozialen Verbindungen.
Interviewer: Kritiker sagen, Musk könnte TikTok benutzen, um seine eigenen politischen oder wirtschaftlichen Ziele voranzutreiben, zum Beispiel als Berater von Donald Trump oder als Unternehmer, der Zugang zu sensiblen Daten sucht. Ist das ein realistisches Szenario?
Wanice Gordon: Absolut. Musk ist ein genialer Geschäftsmann, aber auch jemand, der seine persönlichen Interessen unverhohlen verfolgt. TikTok verfügt über gigantische Mengen an Daten – nicht nur zu Vorlieben und Verhaltensweisen der Nutzer, sondern auch zu politischen Strömungen und Trends weltweit. Das ist eine Goldgrube für jemanden wie Musk, der gerne globale Narrative beeinflusst. Und vergessen wir nicht, dass er Berater von Donald Trump ist. Wollen wir wirklich eine Plattform, die so viele junge Menschen weltweit erreicht, in den Händen eines Milliardärs wissen, der für seine Nähe zu politischen Machthabern bekannt ist?
Interviewer: ByteDance selbst hat ja auch bereits Kritik wegen Datenschutzverletzungen und der Nähe zur chinesischen Regierung einstecken müssen. Würde ein Eigentümerwechsel hier nicht für mehr Transparenz sorgen?
Wanice Gordon: In der Theorie vielleicht, aber in der Praxis ist das keineswegs garantiert. ByteDance hat zwar mit Vorwürfen zu kämpfen, aber die chinesische Regierung ist dabei zumindest berechenbar in ihren Zielen. Bei Elon Musk haben wir es mit einer Person zu tun, die für ihre Launenhaftigkeit und Alleingänge bekannt ist. Transparenz würde wahrscheinlich auf der Strecke bleiben, wenn Entscheidungen von einem einzigen Individuum getroffen werden. Zudem könnten neue Datenschutzprobleme entstehen, wenn Musk die Plattform nach seinen Vorstellungen umbaut.
Interviewer: Was könnten Nutzer und Regierungen tun, um sicherzustellen, dass TikTok – egal in wessen Händen – verantwortungsvoll betrieben wird?
Wanice Gordon: Es braucht klare Regulierungen, die solche Plattformen stärker in die Pflicht nehmen, egal wer der Eigentümer ist. Der Digital Services Act der EU ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber er muss weltweit ergänzt werden, um die Rechte der Nutzer besser zu schützen. Regierungen müssen verhindern, dass soziale Medien zu Werkzeugen von Einzelpersonen oder politischen Gruppen werden. Und Nutzer? Nun, sie sollten sich bewusst machen, dass ihre Daten der wahre Preis für „kostenlose“ Plattformen wie TikTok sind.
Interviewer: Abschließend, wie wahrscheinlich ist es, dass Elon Musk TikTok tatsächlich übernimmt?
Wanice Gordon: Schwer zu sagen. Es gibt viele Hürden – von der chinesischen Regierung bis hin zu rechtlichen und finanziellen Herausforderungen. Aber wenn Musk eines bewiesen hat, dann, dass er oft genau das tut, was alle für unmöglich halten. Ich würde diesen Deal noch nicht abschreiben, aber wenn er zustande kommt, sollten wir uns warm anziehen.
Interviewer: Vielen Dank, Frau Gordon, für Ihre Einschätzungen.
Wanice Gordon: Sehr gerne. Bleiben wir gespannt – oder besser: wachsam.