Ah, Shein – die globale Fast-Fashion-Sensation, die uns glauben lässt, dass Mode für den Preis eines mittelmäßigen Sandwiches zu haben ist. Aber hinter jedem 12-Dollar-Kleid steckt eine Geschichte, die direkt aus dem Herzen von Guangzhou kommt, einer Stadt, in der Nähmaschinen so laut surren, dass sie vermutlich mit Google Maps als Sehenswürdigkeit gelistet werden könnten. Willkommen in „Shein Village“, dem pulsierenden Epizentrum des Billig-Chic und, wie es aussieht, auch des „Arbeitsrechte? Nie gehört“-Clubs.
31 Tage, 31 Arbeitstage – weil Freizeit überbewertet ist
„Wenn der Monat 31 Tage hat, dann arbeite ich eben 31 Tage“, erzählt eine Arbeiterin aus dem Viertel Panyu mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte sie gerade ihre Lieblingsserie beschrieben. In einer Welt, in der die meisten von uns schon Montagmorgen mit der Existenz hadern, schafft man hier locker 75-Stunden-Wochen – ein Begriff, der in China offenbar als „Work-Life-Balance“ durchgeht.
Die Arbeiter haben übrigens einen Tag im Monat frei. Ein großzügiger Deal, wenn man bedenkt, dass sie die restliche Zeit mit T-Shirts, Shorts und Blusen verbringen, die von westlichen Konsumenten sehnsüchtig erwartet werden – Hauptsache, der Stoff für die nächste TikTok-Dance-Challenge sitzt perfekt.
Luxus für alle … außer für die, die es herstellen
Die Erfolgsformel von Shein ist einfach: Hunderte von Millionen Kleidungsstücken, unvorstellbar niedrige Preise und ein Algorithmus, der deine nächtlichen Kaufentscheidungen schneller analysiert als du „Ich brauche das wirklich?“ denken kannst. Kleider für 10 Dollar, Sweater für 6 Dollar – wer kann da widerstehen?
Doch während die Modewelt Shein feiert, sieht die Realität im Hintergrund weniger glamourös aus: Arbeiter sitzen stundenlang über ihren Nähmaschinen, nähen T-Shirts für ein bis zwei Yuan (umgerechnet etwa 14 Cent) pro Stück und hoffen, dass sie genug verdienen, um ihre Kinder bei den Großeltern durchzubringen. Ein tanzender Dollar auf deinem Bildschirm, ein schwitzender Arbeiter auf der anderen Seite der Welt. Symbiose, oder?
„Compliance? Das schreiben wir uns in die Pressemitteilung“
Natürlich gibt sich Shein nach außen hin vorbildlich: „Wir setzen uns für die faire und würdevolle Behandlung aller Arbeiter in unserer Lieferkette ein“, heißt es aus der Chefetage. Das Unternehmen investiere „Millionen in Governance und Compliance“. Was das konkret heißt? Offensichtlich nicht, dass man sich an Arbeitsgesetze halten müsste. Aber hey, Hauptsache, die Audits klingen gut.
Letztes Jahr wurde immerhin eingeräumt, dass Kinder in den Fabriken beschäftigt waren. Aber keine Sorge: Große Poster in den Werkshallen fordern die Arbeiter jetzt auf, Kinderarbeit zu melden. Ein echter Fortschritt!
Die unsichtbaren Kosten deines Schnäppchens
Neben den 12 Dollar für dein neues Kleid bezahlst du indirekt noch mit etwas anderem: den Arbeitsrechten der Menschen, die es hergestellt haben. Laut chinesischem Gesetz sollte eine Arbeitswoche nicht mehr als 44 Stunden umfassen. Doch im industriellen Rhythmus von Guangzhou wird dieses Gesetz so konsequent ignoriert wie eine Einladung zu einer langweiligen Zoom-Party.
Das Ergebnis? Der Grundlohn liegt oft bei etwa 2.400 Yuan im Monat (circa 265 Euro) – weniger als die Hälfte dessen, was laut Asia Floor Wage Alliance zum Leben benötigt wird. Manche Arbeiter schaffen es, durch Überstunden auf bis zu 10.000 Yuan zu kommen – ein Verdienst, der sich bei einem Freizeitmangel von exakt null Stunden allerdings nur schwer genießen lässt.
Glamouröse Wachstumszahlen, dubiose Methoden
Shein wird mittlerweile auf 66 Milliarden Dollar geschätzt und plant den Börsengang in London. Doch der Erfolg hat seinen Preis. Vorwürfe von Zwangsarbeit und die Herkunft der Baumwolle aus der umstrittenen Region Xinjiang werfen dunkle Schatten auf die glitzernde Fassade. Washington hat das Unternehmen längst im Visier, aber Shein beteuert: „Wir nehmen die besten Standards und Audits ernst.“
Wenn Transparenz das Problem ist, wie wäre es, einfach die komplette Lieferkette offenzulegen? Doch warum so umständlich? Schließlich würde das den Reiz des Rätsels nehmen – und Sheins Erfolg lebt ja davon, dass man lieber nicht fragt, wie das T-Shirt so günstig wird.
„Shein ist super – wenn du nicht der bist, der für sie arbeitet“
Ein Fabrikbesitzer fasst es perfekt zusammen: „Der Vorteil von Shein ist, dass die Bestellungen riesig sind. Der Nachteil ist, dass der Gewinn winzig ist.“ Das Unternehmen diktiert Preise und zwingt die Lieferanten, irgendwo zu sparen – meist bei den Löhnen der Arbeiter. Kein Wunder, dass die Maschinen bis Mitternacht surren und jeder Cent zwei Mal umgedreht wird, bevor er ausgegeben wird.
Fazit: Das wahre Gesicht hinter deinem 12-Dollar-Kleid
Shein ist ein Paradebeispiel für die dunkle Seite der Fast Fashion: Auf der einen Seite ein System, das uns vorgaukelt, Mode sei mühelos erschwinglich, und auf der anderen Seite eine ausgebeutete Arbeiterklasse, die kaum Zeit hat, ihre mickrige Bezahlung auszugeben.
Der nächste Klick auf „In den Warenkorb“ fühlt sich vielleicht weniger glamourös an, wenn du daran denkst, dass jemand irgendwo 12 Stunden am Tag schuftet, um dir dieses Gefühl von „Schnäppchen“ zu ermöglichen. Aber hey, Hauptsache, das Kleid kommt pünktlich für deinen Insta-Post.